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Drehbuch: Art Marcum, Matt Holloway, Richard Wenk
Schnitt: Craig Wood
Kamera: Ben Davis
Schauspieler*innen: Aaron Taylor-Johnson, Ariana DeBose, Fred Hechinger, Russel Crowe
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h7min
Genre: Action, Adventure, Thriller
Nicht jedes Experiment verläuft nach Plan, nicht jedes Ergebnis nimmt die erwünschte Form an. Verfehlt man mehrfach das angestrebte Ziel, ist es manchmal sinnvoll keinen Reanimierungsversuch zu starten und sich einzugestehen, dass man einen Misserfolg ruhen lassen sollte. Um das Sony’s Spider-Man Universe (SSU) hätte es nach den Vorstellungen der Köpfe hinter dem Projekt inzwischen anders stehen sollen, als es aktuell der Fall ist.
Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Sony Pictures gedenkt wohl dem Franchise den Gnadenschuss zu verpassen und deutete darauf bereits vor der Veröffentlichung von Kraven the Hunter hin – womit sie den Kritikern indirekt zuvorgekommen sind und ihm eigenhändig das Genick gebrochen haben. Nichtsdestoweniger ist das voraussichtlich finale Werk des SSU momentan in den Lichtspielhäusern zu sehen und wie erwartet manifestiert es sich schon jetzt als gigantischer Flop auf kommerzieller Seite. Abseits dessen kann abermals festgehalten werden, dass kein guter Film aus der Produktionshölle entflohen ist, der befürchtete Totalausfall bleibt aber tatsächlich aus.
Wie ein wilder Stier
Hierbei soll der Film nicht aus Mitleid bezüglich der Entstehungsgeschichte und letztendlichen Publizierung schöngeredet werden. Viele Fehler haben sich ausgebreitet, da das Drehbuch identisch zum Protagonisten für die Jagd zu leben scheint, denn es wird sich in der Erzählung für nichts Zeit genommen. Nachdem das Schicksal von Sergei Kravinoff (Aaron Taylor-Johnson) über eine Rückblende erklärt wird, hetzt die Story von einer Konfrontation zur nächsten. Die Geschwindigkeit der aufeinanderfolgenden Geschehnisse ist absurd hoch und nimmt den Charakteren wie auch ihrer Dynamik sämtliche Möglichkeit, sich nahbar zu entfalten. Zwar spricht Sergei mit seinem Bruder und jedem sonst, der es hören will offen über die Abneigung, die er gegenüber seinem Vater empfindet, wahrlich spüren tut man diese aber nicht.
Der Hauptcharakter – welcher Distanz zu seiner Herkunft wahren möchte und sich deswegen das Alias „Kraven“ gegeben hat – mag in physischer Erscheinung durchaus ein Berg von einem Mann sein, dennoch sind sein Auftreten und Ausdruck auf das natürliche Charisma des Darstellers beschränkt. Aaron Taylor-Johnson bleibt ein großes Plus, da er trotz aller Intensität nie den Moment entgleiten lässt, etwas Witz in das Szenario zu bringen. Wenn man also nicht zu verbissen nach Kontexten und tieferen Motivationen sucht, bringt sein bestialisches Treiben partweise sogar etwas Spaß. Dennoch bleibt das Gegenargument bestehen, dass der Film sich auf keine Tonalität einigen will und er somit keine Atmosphäre etabliert.
Stetig lamentieren die rivalisierenden Instanzen darüber, wie sie sich zu Legenden ihrer Profession krönen wollen. Legendär ist an dieser Geschichte einzig und allein die Tatsache, dass keine klare Intention verfolgt wirkt. So hat Kraven eine Liste angefertigt, auf deren Zeilen die Namen aller Bösewichte aufgereiht sind, die er zur Rechenschaft ziehen will. Grund dafür ist angeblich der verhasste Vater, dessen Alltag von Trophäen erjagter Tiere, fließenden Geldströmen und viel Alkohol verziert wird. Anstatt den paraphrasierten Ansatz einzubauen, dass der Protagonist in seiner konfliktierten Vergangenheit das Jagen und Töten lieben gelernt hat und lediglich nach einer Rechtfertigung sucht, seiner Primitivität nachzugeben, wird er praktisch komplett ignoriert und die nächste Action-Sequenz priorisiert. Zeit ist Geld und Kraven the Hunter nimmt dieses Sprichwort in seiner Rasanz entschieden zu ernst.
Beute ohne Ertrag
Sogar in einem so belanglosen Vertreter des Superheldenfilms versteckt sich also Potenzial. Zumindest wird ein Teil davon in der Ausführung der Fähigkeiten ausgespielt, über welche der Titelcharakter verfügt. Mittels verschärfter Sinne kann er alles und jeden aufspüren, wodurch er sich als effizienter und tüchtiger Fährtenleser erweist. So kann er beispielsweise über kilometerweite Entfernung den Blick auf einen bestimmten Punkt am Horizont fixieren und zwei feindliche Männer lokalisieren, als stünden beide direkt vor ihm. Auch bewegen kann er sich nahezu lautlos, wenn er einer Wache wenige Zentimeter entfernt auflauert und hinterher schleicht.
Was episch in Szene gesetzt werden könnte, wird dann aber von einer eher durchschnittlichen, technischen Umsetzung seiner Wirkung beraubt. Entweder ist die Belichtung diverser Schauplätze zu spärlich oder die Computereffekte sind dermaßen unfertig und unschön, dass nicht viel mehr als eine plastische, äußerst graue Substanz den Bildschirm dominiert. Bedauerlicherweise verlässt sich der Film in den teilweise kreativ koordinierten Action-Sequenzen beinahe ausschließlich auf das verwaschene CGI und bleibt audiovisuell unbefriedigend. Vereinzelte Bilder bleiben dennoch stimmig und auch die Brutalität – auch wenn ebenfalls wieder sehr CGI-lastig – sorgt für den ein oder anderen Weckruf, dass der Protagonist seinem Ruf vorauseilt.
Am Ende des Tages verkommt dieser Spitzenprädator aber zu einem vieler Glieder in der Mitte der Nahrungskette, die sich im Deckmantel der Belanglosigkeit schützen. Sich Kraven the Hunter anzusehen, ist kein schmerzhafter Prozess, nichtsdestoweniger ist dieser Beitrag des SSU in keinerlei Hinsicht einer, der einem Begeisterung abverlangt. Dafür ist die Handlung schlichtweg zu plump, leer und vor allen Dingen schnell vorbei. Zwei Stunden vergehen im Wimpernschlag, dadurch bekommt man gepaart mit dem coolen Hauptdarsteller und der animalischen Gewalt brauchbare Unterhaltung, über die es sich gar nicht lohnt, ausartende Schimpftiraden zu formulieren. In dem Sinne könnte man dem Film ein positiveres Fazit zusprechen, allerdings soll hier noch immer nicht das Verhältnis zur filmischen Qualität des Universums beurteilt werden, an die man sich gewöhnt hat, sondern der Film als solcher. Ironisch und traurig zugleich ist es, dass sich beide Perspektiven nicht viel nehmen.
KRAVEN THE HUNTER LÄUFT SEIT DEM 12. DEZEMBER 2024 IN DEN DEUTSCHEN KINOS
4.0 Punkte
Kraven the Hunter - Review
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.