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Drehbuch: Ebbe Roe Smith
Schnitt: Paul Hirsch
Kamera: Andrzej Bartkowiak
Schauspieler*innen: Michael Douglas, Robert Duvall
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h48min
Genre: Thriller, Drama
Gewisse Faktoren begünstigen die Verschärfung von Zuständen, deren Verschärfung man am liebsten vermeiden würde. Hupende Personenkraftwägen, quengelnde Autofahrer und eine surrende Fliege dienen als Brennstoff für das Feuer, das langsam aber sicher in William “Bill” Foster (Michael Douglas) zu brodeln beginnt. Verlassen von Frau und Kind und ohne festen Job steht er im Stau, während er zu gerne den Geburtstag seiner Tochter feiern würde. Ein zivilrechtliches Kontaktverbot steht seinem Wunsch jedoch im Weg — zumindest offiziell. Die Geräuschkulisse nimmt nicht ab, die Hitze steigt ihm zu Berge und er fasst einen Entschluss: Er pfeift auf die offizielle Situation, verlässt sein Fahrzeug und bestreitet den Pfad gen ihm verwehrter Heimat zu Fuß. Bills Rationalität bröckelt unter seiner gescheiterten Existenz und wendet seinen Hass nach außen – er ist das Pulverfass, seine Mitmenschen sind das Streichholz.
Odyssee durch den Frust
Bereits bei der ersten Interaktion mit einem koreanischen Ladenverkäufer zeigt sich, wozu Bill imstande ist. Nachdem besagter Verkäufer seiner Bitte nicht nachkommt, einen Geldschein in Münzen für eine Telefonbuchse zu tauschen, reißt sein Geduldsfaden. Lauthals beklagt er sich über die mangelnden Sprachkenntnisse seines Gegenüber, entwendet dessen Holzschläger und demoliert das Sortiment des Geschäfts, weil die Preise seines Erachtens nach maßlos überteuert ausfallen. Eine unangenehme Szene, denn Bill bezichtigt den Verkäufer unter einer rassistischen Argumentation als diebisch und heimtückisch. Hier wird ein Mann präsentiert, welcher genug von allem hat. Er sucht sich eine Angriffsfläche und benutzt sie als Rechtfertigung seiner Wut, während er seine verzerrte Wahrnehmung komplett ausblendet.
Joel Schuhmachers Werk genießt ein hohes Ansehen, sammelte über die Jahre jedoch einige Stimmen, welche sich dagegen wandten und es als amoralisch bezeichnen. Dass man im Profil des Hauptcharakters nur vergebens nach Sympathie begehren kann, ist bei der Prämisse vorprogrammiert. Dennoch ist die Inszenierung von Bills Handlungen etwas, das vielen in Kombination mit der verübten Gesellschaftskritik sauer aufstößt. Und in der Tat ist diese Haltung eine, die bestens nachzuvollziehen ist, wenn man beobachtet, wie sich unser gestörter “Protagonist” durch Klischees krimineller Mexikaner prügelt und auf ihre Ethnie spuckt. Aber muss die Überzeugung des Hauptcharakters auch ausschließlich die Überzeugung des Filmes sein?
Rorschachtests für Wut und Verzweiflung
Was für ein Film ist Falling Down also? Handelt es sich um eine politische Revolte oder um das Abbild eines brüchigen Verstandes, welcher sich keiner Legitimation zu schade ist? Definitiv sind die Aussagen von der Hauptfigur keine, welche im gegebenen Szenario ungestraft ignoriert werden können. Was Bill für seine Eskapaden als Entschuldigung missbraucht, ist falsch. Dies macht ihm auch der ehrgeizige Polizist Prendergast (Robert Duvall) deutlich. In diesem Moment stellt sich das Drehbuch gegen seinen eigenen Antrieb und stellt ihm die Frage, welche für fast zwei Stunden nicht nur einmal seine Gedanken durchfährt: Hast du noch alle Latten am Zaun?
Fosters Prinzipien werden auf die Probe gestellt und von seinen Taten bewusst konterkariert. So behandelt Bill einen Mann asiatischer Abstammung unter diesem Gesichtspunkt als minderwertig, versichert einem faschistischen Waffenhändler später aber, dass er kein Problem mit der Gegenwart dunkelhäutiger Mitbürger und Mitbürgerinnen hätte. Wo liegt für ihn der Unterschied? Und genau das repräsentiert Falling Down — wie irrational und unsinnig Aggression funktionieren kann. Schuhmacher händigt eine Charakterstudie aus, deren oberstes Gebot die Dechiffrierung davon ist, ab wann individuell aufgefasste Ungerechtigkeit auf ein höheres Subjekt projiziert wird.
Foster wird als jammeriger Mann vorgestellt, dem so manches im Leben nicht passt. Er ist aber in keiner Position, um diesen Ungereimtheiten auf Augenhöhe entgegenzukommen, also stützt sich jede seiner Konfrontationen auf Vorurteile und distanziert sich von seiner personellen Frustration. Alle Gewaltakte sind persönlichen Ursprungs, er schiebt die Verantwortung aber von sich weg. Anstatt seine Rolle als Verursacher zu reflektieren, betitelt er sich vorzugsweise als Opfer des sozioökonomischen Systems, wenn ein älterer Herr gehobenen Standes ihm den Zutritt zu seinem Golfplatz verwehren möchte, was in keinster Weise als Alibi für die Konsequenz herhalten kann.
Vorurteile als Katalysator
Somit flüchtet sich Bill in Vorurteile und handelt ganz nach dem Entstehungsmodell von Vorurteilen nach Zick, welches in drei Stufen aufgeteilt wird: Der Kategorisierung, der davon hergeleiteten Stereotypisierung und der daraus resultierenden Bewertung. Foster sucht sich ein Merkmal, transferiert dieses auf die gesamte Person und verwendet dieses für dessen Exkludierung. Hierbei scheint er aber nur unterbewusst mittels radikaler Denkweisen zu schubladisieren und diese Eigenschaften nicht als grundlegend negativ zu betrachten. Er versucht sich lediglich eine Rechtfertigung für sein Handeln zu sichern. Da dies allein aber nicht überzeugend genug ist, flüchtet er sich in hemmungslose Violenz.
Schließlich bietet Gewalt Kontrolle und fördert Hierarchien. In seiner Wahrnehmung ist praktisch jedes Individuum um Bill herum Abschaum, er ist ein eiskalter Misanthrop. Sein Hass bezieht sich auf keine Herkunft oder Glaubensrichtung, sondern auf seine komplette Gattung. Falling Down ist ein beinharter Psychothriller, der einen Charakter zeichnet, der glaubt, eine Identifikationsfigur zu sein. In Wahrheit aber delegiert er seine Taten auf lächerlich argumentierte Tatsachen, die keine Tatsachen sind. Wie auch das Publikum lernt Falling Down seinen Hauptcharakter hassen und transformiert ihn trotz aller Grausamkeit zu einer Witzfigur, die auf satirische Weise entmystifiziert wird.
8.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.