SynopsisCrewDetailsStreaming
Der skrupellose Vollstrecker Lee Kang-do arbeitet für einen Kredithai und verkrüppelt Schuldner, die zum Zahlen nicht in der Lage sind. Eines Tages trifft er eine geheimnisvolle Frau, die behauptet, seine Mutter zu sein. Sie kommen sich auf grausame Weise näher und bald nimmt sie immer mehr Raum in seinem Leben ein…
Regie: Kim Ki-duk
Drehbuch: Kim Ki-duk
Kamera: Jo Yeong-jik
Schnitt: Kim Ki-duk
DarstellerInnen: Cho Min-soo, Lee Jung-Jin
Land: Süd-Korea
Sprache: Koreanisch
Länge: 1h44min
Genre: Drama, Thriller

Gang-Do ist ein widerwärtiger Mensch. Kim Ki-duk macht das von Anfang an klar. Er masturbiert in sein Kissen, schlurft durch seine mit Eingeweiden bedeckte Wohnung und macht sich zu seinem Job auf, der bösartiger kaum sein könnte. Als Vollstrecker eines Kredithais verkrüppelt er diejenigen, die zur Zurückzahlung ihrer Kredite nicht in der Lage sind – vor den Augen ihrer eigenen Familie, mit ihren eigenen Schwermaschinen. Ki-duk zeigt das alles, ohne abzulenken. Er macht die Art seines Protagonisten unmissverständlich klar, ohne die Augen zu verschließen, ohne den Blick vom Geschehen abzuwenden.

All das geschieht in einem völlig verkommenen Teil der Metropole Seoul, die vor Blut und Dreck trieft, die vor Farblosigkeit und Erbarmungslosigkeit nur so strotzt. Das gesamte Produktions-Design unterstützt die menschlichen und seelischen Abgründe, die Ki-duk darstellen will, unterstützt von dem kontrastlosen Color Grading, das so hässlich anmutet wie beabsichtigt.

Ihren Höhepunkt aus Zuschauer-Sicht nehmen diese Gewalt-Eskapaden, als eine Frau bei Gang-do auftaucht, die behauptet, seine Mutter zu sein, die ihn als Neugeborenes ausgesetzt hätte. Auch ihr macht er zweifellos klar, was für eine Art Mensch er ist. Ohne von seinem Darsteller Lee Jung-jin auch nur den Ansatz von einer Gefühlsregung verpasst zu bekommen (und das mit voller Intention), spielt er mit ihr absurde Spielchen, um sie wieder zu vertreiben – Szenen, die weit in das Groteske hineinreichen.

All diese Szenen im ersten Drittel von Pieta sind verstörend und anstoßend – schon hier wird Kim Ki-duk so einige Zuschauer verloren haben, und mit Sicherheit holt er hier etwas mehr aus, als er vielleicht müsste. Andererseits: Warum sollte er sich zurückhalten? Es gibt kein großes Studio, von dessen Geld er abhängig ist, es gibt keine breiten Massen, die er unterhalten muss, es gibt nur ihn und seinen Film. Es ist eine gewisse Kompromisslosigkeit, die der Regisseur hier durchsetzt. Er macht wie eingangs erwähnt den Ausgangspunkt des Protagonisten unmissverständlich klar, ohne Rücksicht auf Verluste.

Pietà: it. für “Frömmigkeit, Mitleid”

Eine der Kernfragen, die in Pieta gestellt werden, knüpft daran an: Kann wirklich jede Sünde vergeben werden? Kann jede noch so verfallene Seele wirklich Erlösung finden? Schließlich läuft Gang-do sein Leben lang einen zerstörerischen Pfad, verkrüppelt ungestraft Menschen und reißt Familien auseinander, ohne jegliche Reue zu empfinden. Kim Ki-duk gibt keine einfache Antwort auf diese Frage. Er stellt das bedingungslose Mitgefühl der Frau den gerechtfertigten Rachegelüsten der verkrüppelten Schuldner gegenüber.

Solche christlichen Motive durchziehen den gesamten Film und äußern sich sowohl in Titel als auch in Poster – gleichwohl muss man sagen, dass Pieta keineswegs ein religiöser Film ist. Stattdessen bezieht sich der Autorenfilmer auf die Werte, die das Christentum vermittelt, die ubiquitäre Relevanz haben, ganz gleich ob religiös, agnostisch oder atheistisch. Denn der Kern der Werte, die die meisten Religionen vermitteln sollten, ist Vergebung und Liebe, und beides sind die wichtigsten Themen von Pieta. In der aussichtslosen Situation, in der sich ausnahmslos alle Charaktere in diesem Film befinden, hilft nichts mehr als Liebe und Vergebung. Insofern zündet hier Ki-duk hier im übertragenden Sinne kleine optimistische Teeleuchten an, die zumindest eine kleine Ecke des sonst so pechschwarzen Raums, in dem sich Pieta bewegt, erhellen.

©MFA+

Als Gegenstück zur Liebe stellt der Regisseur das Geld in den Raum. Er stellt es als den großen Erzfeind, den Endgegner, das Quell allen Übels dar. So ist es der Keim der ausweglosen Situationen der Charaktere, und damit auch der Keim, aus dem das qualvolle Übel wächst, das der Film selbst darstellt. Es ist eigentlich recht simple Kapitalismuskritik und ein Kommentar auf die vorherrschenden sozioökonomischen Verhältnisse in Südkorea – beides Aspekte, die im südkoreanischen Kino vorherrschende Themenkomplexe darstellen.

All das verwebt das Kim Ki-duk aus meiner Sicht meisterhaft in ein vielschichtiges, verdorbenes Charakter-Portrait und Thriller-Drama, dem er seinen eigenen Twist verpasst, seine eigene Trostlosigkeit und Brutalität, die den Einfluss, den der Film auf mich hat, nur noch vergrößert. Der Regisseur dreht sich gerade in der ersten Hälfte in einen Rausch der nihilistischen Ödnis, die ab und an etwas zu viel wird, wendet sich dann aber im zweiten Teil einer emotionaleren und menschlicheren Seite hin. Unterlegen tut er das mit einem gewissen Mysterium, das alles unterstreicht. Sein Pacing ist auf den Punkt – nicht zu schnell, nicht zu langsam – die Geschichte überraschend packend und seine beiden Hauptdarsteller liefern eine großartige Arbeit ab. Sowohl Score als auch visuelle Inszenierung sind sparsam, aber effektiv. Pieta ist ein Werk über Liebe, Erlösung, Geld und Vergebung, das es mir angetan hat.

8.5
Punkte