Endlich ist es wieder so weit: Die Kinos öffnen bundesweit ihre Vorhänge und das Programm ist so prall gefüllt wie vielleicht noch nie zuvor. Jeder Verleiher will seine Filme möglichst schnell auf der großen Leinwand präsentieren und die Kinos sehnen sich danach, wieder Besucher begrüßen zu dürfen. Doch wirklich riesig ist meine Vorfreude auf Popcorn und den gemütlichen Kinosessel leider nicht. So als hätte ich den Geschmack meiner Lieblingseissorte nach monatelanger Abstinenz fast völlig vergessen und nun keine Lust mehr auf Eiscreme. So als würde ich mich vor dem wärmenden Licht der Sonne verstecken, weil es nach der ewigen Dunkelheit in meinen Augen und auf meiner Haut brennt. So als wäre mir Schmerz unbekannt, weil ich mich nicht mehr erinnern kann, wie es sich ohne anfühlt.

Zugegeben, gerade letzterer Vergleich ist vielleicht ein wenig dick aufgetragen, aber grundsätzlich trifft es meine Stimmung recht gut. Wieso ich dennoch vorhabe, gleich mehrmals in den Kinosaal zu pilgern und wieso es trotzdem nicht schadet, seinen Filmkonsum zwischendurch etwas zurückzufahren, davon möchte ich euch nun erzählen.

Seit Anfang 2018 versuche ich sehr diszipliniert meinen filmischen Horizont in fast alle Richtungen zu erweitern. An die 1000 Filme habe ich so allein in den letzten paar Jahren verschlungen. Wie genau ich dabei vorgegangen bin, könnt ihr gerne im Text „Filme schauen – Eine Wissenschaft für sich“ nachlesen. Auch 2021 sieht es aktuell nicht anders aus, denn bis jetzt komme ich für fast jeden Tag des Jahres auch auf ungefähr einen gesehenen Film.

Nur musste ich feststellen, dass es mir die vergangenen Monate zunehmend schwerfiel, mich so richtig für einen Film zu begeistern. Häufig blieb mir das Gesehene nur noch am selben Abend im Gedächtnis und bereits am Tag danach begann sich ein Grauschleier über den Film zu legen.

Zwar habe ich zwischendurch immer mal wieder das ein oder andere Highlight entdeckt, z.B. Soul, Shot Caller, Love Exposure, Mary and Max, Sorry We Missed You, Die Regenschirme von Cherbourg, Angst essen Seele auf oder Der Letzte Mann, aber gerechnet auf die gesamte Menge an angeschauten Filmen fiel die Ausbeute verhältnismäßig gering aus. Die naheliegendste Erklärung wäre, zu behaupten, dass ich lediglich ein schlechtes Händchen bei meiner Auswahl hatte. Daran liegt es aber nur zum Teil.

Hitchcock, Kurosawa, Fassbinder, De Palma und Kieślowski sind nur ein paar der großen Namen, die sich auf meiner diesjährigen Liste befinden. Um die Filmhistorie noch etwas ausgiebiger zu erkunden, habe ich oft in der Sight & Sound Top 250 herumgestöbert. Das mag möglicherweise zunächst nur die allgemeine Qualität der Filme bzw. deren Bedeutung für die Filmlandschaft belegen, nicht jedoch meinen persönlichen Geschmack miteinbeziehen.

An diesem Punkt stoße ich nun auf zwei Probleme. Während wir Menschen, und da schließe ich mich definitiv nicht davon aus, sehr gut darin sind, mindestens einen Grund dafür zu finden, etwas nicht zu tun, habe ich beim Filmeschauen genau das Gegenteil entdeckt. Es ist äußerst schwierig, einen triftigen Grund zu finden, einen Film nicht anzuschauen, gerade wenn es sich um ein viel gepriesenes Werk handelt. Glücklicherweise habe ich eine sehr einfache, aber nicht ganz offensichtliche Lösung gefunden. Anstatt einen Film komplett abzulehnen, sage ich mir, dass gerade einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist. Ganz nach dem Motto:

Was du heute kannst verschieben, kann auch noch bis morgen liegen.

Entschleunigen und genießen ist die Devise. Auch wenn einen die enorme Masse an Filmen zuweilen stressen kann, nimmt man nicht nur sich den Spaß, sondern auch den Filmen ihre Kraft. Zudem ändert sich der eigene Geschmack stetig, sei es mit dem Alter, aber auch mit der aktuellen Stimmung, sprich der eigenen Lebenssituation. Für mich bedeutet das, einfach mal abzuschalten, rauszukommen und mich voll und ganz auf einen Film einzulassen, anstatt ihn mit einem gewissen Abstand zu betrachten und zu analysieren.

Und wo geht das am besten, wenn nicht im Kino? Egal ob jemand laut mit seinem Popcorn raschelt, einem beim ersten Trailer das Trommelfell platzt, oder man bereits nach fünf Minuten auf Toilette muss, vermisst haben wir es doch trotzdem. In diesem Sinne wünsche ich euch allen viel Spaß im Kino. Genießt es, habt eine schöne Zeit und gönnt euch auch mal eine kurze Verschnaufpause.