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Wie eine Nacht das Leben einer alleinerziehenden Mutter und erfolgreichen Geschäftsfrau auf den Kopf stellen kann, muss Mildred Pierce am eigenen Leib erfahren. Ihr zweiter Ehemann wird leblos aufgefunden, sie muss daraufhin der Polizei Rede und Antwort stehen. Es handelt sich um die Erlebnisse einer unglücklichen Frau, die sich von ihrem Ehemann für die finanzielle Unabhängigkeit trennt und damit ein riesiges Wagnis eingeht. Ein Melodram im Stile der schwarzen Serie entflammt.
Regie: Michael Curtiz
Drehbuch: James M. Cain, Ranald MacDougall
Schnitt: David Weisbart
Kamera: Ernest Haller
Schauspieler*innen: Joan Crawford, Jack Carson, Zachary Scott
OT: Mildred Pierce
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h51min
Genre: Melodrama

Vier von sechs Schüssen haben ihr Ziel nicht verfehlt. Von ihnen durchbohrt fällt der frühere Immobilienmakler Monte Beragon auf den Boden einer prunkvollen Villa. Der Täter oder die Täterin verschwindet im Schatten der Nacht, die Filmschauenden sehen nur den Tathergang, aber nicht die Person dahinter. Schnitt. Eine luxuriös in Pelzmantel mit breiten Schulterpolstern gekleidete Dame geht einen Steg entlang. Pechschwarz ist das Meer unter der Reling. Sie will springen.

Es kann sich nur um wenige Stunden handeln, denn es ist noch dunkel, dann sitzt sie in einer Polizeistation. Beragon, so stellt sich heraus, ist ihr Ehemann. Aufgefunden wurde er in ihrem Haus. Mildred Pierce, Mutter zweier Kinder und Inhaberin einer Restaurantkette, muss sich nun einem Verhör stellen. Und darin holt sie weit aus, sie erzählt davon, wie alles begann. Ihr Werdegang ist zwar vom Erfolg geprägt, doch vom Unglück gezeichnet.

Wenn die ersten dreißig Minuten eines zeigen, dann, wie schwer es in den 1930ern für eine Hausfrau ist, ihre zerrüttete Ehe zu beenden und unabhängig zu sein. Wir sehen erst Mildred in Schürze backeifrig Kuchen verzieren und keine Stunde in der Laufzeit später in einem Restaurant zum ersten Mal tatsächlich für Lohn arbeiten. Wir wohnen dem Leben einer alleinerziehenden Mutter bei.

Kurz nach Kriegsende ging Warner Brothers 1945 mit der Literaturverfilmung von Mildred Pierce, Solange ein Herz schlägt, ein beachtliches Risiko ein. Der Film noir regiert als neues Genre seit vier Jahren die Stimmung der Lichtspielhäuser und dämonisiert attraktive Frauen unter dem späteren Begriff der Femme fatale: eine verbildlichte Angst vor der selbstständigen und -bewussten Frau, die ihren eigenen Kopf hat und aus früheren Rollen nicht komplett, aber doch etwas hinausfällt.

Da ist die Hauptfigur des Buches und somit des gleichnamigen Films die Antithese schlechthin. Alleinerziehende Mutter zweier Kinder und als Kellnerin ihr Geld verdienend wäre schon aufsässig und mutig genug, doch später ist die Figur zu mehr als zum Bedienen erkoren. Sie will ein eigenes Geschäft. Beim Immobilienmakler flüstert ihr noch ein Bekannter ins Ohr, dass sie einfach still sein solle, er regele den Vertrag und die Investition. Doch er scheitert. Sie nicht, als sie für sich selbst Partei ergreift. So manifestiert sich diese Verfilmung als durch und durch feministisch, ohne zu dämonisieren.

Michael Curtiz, Regisseur des Klassikers wie Kultfilms Casablanca, zimmert mit all seiner Finesse mit Solange ein Herz schlägt den nächsten Geniestreich seiner Filmbiografie. Feinfühlig inszeniert, leichtfüßig und doch trauervoll zeigt er eine würdevoll aufspielende Joan Crawford in ihrer wahrscheinlich besten Rolle, die ihr auch verdient den Oscar einbrachte und sie in Hollywood neu Fuß fassen ließ. Zwischen Statik und Dynamik wechselnd gleitet die Kamera von Platz zu Platz, als wären sie und die Hauptfigur, welche sie porträtiert, der Herzschlag von allem, was sich zuträgt.

Kein Wunder, wenn das Skript eine der verfilmungswürdigen Kriminalgeschichten des Autors James M. Cain adaptiert. Neben Frau ohne Gewissen oder Goldenes Gift zeichnet sich Cain auch für das Original von Solange ein Herz schlägt verantwortlich. Das Getriebe hinter den Einstellungen und sich bewegenden Personen könnte dadurch nicht besser vom Drehbuchautor Ranald McDougall geölt sein.

Dialoge, die durch Cains Vorlage in ihren besten Zeilen scharf sarkastisch oder zynisch sind, gehen eine perfekte Symbiose mit der visuellen Übertragung und lebendig gewordenen Figuren ein, die in weniger als zwei Stunden ihre Vielschichtigkeit entfalten. Treibender Motor ist und bleibt die Mordaufklärung, die immerwährend die Zeitsprünge, Rückblenden und Charaktere antreibt.

Die aufgebaute Tragik manifestiert sich dadurch umso tiefgreifender in der Mutter-Tochter-Beziehung von Mildred und Veda. Ihr ältestes Kind markiert neben den offensichtlichen gesellschaftlichen Konflikten den hauptsächlichen. Als verhätscheltes Mädchen ist Veda dem prunkreichen Lebensstil anheimgefallen, will immer mehr, immer größer hinaus, will vom Wohlstand anderer leben, was Mildred auf die äußerste Belastungsprobe stellt – und sie letztendlich auch bricht. Jeder wirtschaftliche Erfolg bleibt somit hinter den internen Problemen zurück, verkommt zu einem müden Lächeln bei den Filmschauenden.

Während die filmkünstlerischen, feministisch fortschrittlichen sowie darstellerischen Errungenschaften nicht höher gepriesen werden können, so scheitert die Euphorie einiger Szenen am unterschwelligen Rassismus, der angesprochen gehört. Wie schon in Vom Winde verweht wurde bei einer Darstellerin neben den mit ordentlich Fleisch versehenen Figuren doch stereotypisch das Klischee der schwarzen, hochtrillernden, einseitigen und dummen Hausdame integriert.

Thelma McQueen besetzt als schwarze Darstellerin eine Figur, die – anders als jede öfter sprechende Nebenrolle – nur mit einem Vornamen versehen wurde und zugleich nicht einmal im Vorspann (damals gab es den heute typischen Abspann vor dem Film) auftaucht – das bricht wirklich das Herz. Auf der einen Seite so fortschrittlich, auf der anderen noch genauso primitiv wie 1937, Solange ein Herz schlägt kann sich von weiblichen Klischees nicht gänzlich verabschieden.

Jenseits dessen verblasst der bitter aufkommende Geschmack jedoch schnell. Vergessen darf man ihn aber nicht. Die risikobereite Handlung verwebt sich durch makellose Talente vor und hinter der Kamera tadellos und sorgt damit für ein ereignisreiches sowie überraschendes Melodram. Dass es sich um eines handelt, ist aber gar nicht immer bei den kontrastreichen Einstellungen zu erfassen – was wahrscheinlich die größte Stärke von Solange ein Herz schlägt sein dürfte. Schließlich entfalten melodramatische Filme ihre volle Schlagkraft, wenn sie ihre vom Theater entlehnte Stilistik nicht über die Handlung stülpen, sondern fein einweben mit unterschwelligem, nicht theatralischem Schauspiel.

Solange ein Herz schlägt ist einer dieser Klassiker, welche zu Unrecht von ikonischeren überschattet werden und eher ins Vergessen geraten. Dabei könnte die von Crawford gespielte Frau kaum ikonischer, brillanter sein. Sie verhilft dem unbekannteren Werk von Michael Curtiz zur wahren Gravitas, während jenseits des Schauspiels nahezu jede Ebene perfekt funktioniert. Mit einer nahtlosen Handlung versehen, verschafft sich die Literaturverfilmung den Zugang zum Olymp der Filmkünste, nur um dann auf der letzten Stufe über ein klares, heute noch deutlich bitter schmeckendes Element zu stolpern. Der Film bricht sich so den Hacken, aber nicht sein Genick.

9.0
Punkte