Die junge Hexe Kiki verlässt mit dreizehn Jahren ihre Familie und ihre Freunde, um in einer fremden Stadt ihre Hexenkräfte zu vervollkommnen, so wie es die Tradition von allen jungen Hexen verlangt. Zusammen mit ihrem schwarzen Kater Jiji, der ihr helfend zur Seite steht und in allen Lebenslagen eine ironische Antwort parat hat, gelangt das Mädchen in eine Stadt am Meer. In der ungewohnten und unbekannten Großstadt verfällt das Mädchen zunächst in tiefe Unsicherheit…

Achtung Spoiler!

Wo Mein Nachbar Totoro noch eine Geschichte über die Fantasie junger Kinder war und wie sie damit Probleme verarbeiten können, wozu viele viel zu ernste Erwachsene kaum in der Lage wären, bildet Kikis kleiner Lieferservice den nächsten Schritt ab. Es geht um das Erwachsen werden, um all die Probleme die einem in der schwierigen Phase des Heranwachsens eben so begegnen. Typisch für Miyazaki findet der Film dabei in unserer bekannten Welt statt, die allerdings um einzelne fantastische Elemente bereichert wird. In diesem Fall sind es die Hexen, von deren Existenz die meisten Bewohner ganz offensichtlich wissen, so wird die Fähigkeit von Kiki, auf ihrem Besen zu fliegen, in der hexenlosen Stadt zwar mit Staunen, nicht aber mit Verwunderung oder Unglauben beobachtet. Das zentrale Objekt der Betrachtung ist dabei natürlich Kiki selbst. Sie ist es, die sich damit beschäftigen muss, erwachsen und unabhängig zu werden – was sich ganz bildlich darin äußert, dass sie ihre “Hexenprüfung” in der großen Stadt fern ihrer Familie ablegen muss.

Kiki ist dabei eine absolute Frohnatur – auch ein Grund, warum dieser Film für viele inklusive mir so ein herzliches Stück Eskapismus ist, weil Kiki eben so nahbar ist – verkörpert aber auch das Kindliche. Die äußert sich vor allem in ihrer völligen Verletzlichkeit und Naivität, die sie ausstrahlt und lebt, wodurch sie ohne die Unterstützung ihrer Eltern in der Stadt schnell mit der Realität konfrontiert wird. Sie fliegt voller Tatendrang und Vorfreude los, um ein tolles, spaßiges Abenteuer zu erleben, nur um dann schnell mit der Realität konfrontiert zu werden, und damit auch mit Problemen, die wir damals in unserer Erwachsen-werden-Phase eben auch kennenlernten, wenn auch in “etwas” abgewandelter Form. Sie steht vor den Herausforderungen, als Unbekannte Freunde zu finden, irgendwie ihre eigenen Brötchen zu finden und damit umzugehen, wenn etwas, das sie sich vorgenommen hat, nicht sofort klappt. Nicht aufzugeben, ihre Selbstzweifel abzulegen, mit all solchen Problemen hat Kiki zu kämpfen.

Flugmaschinen gibt es wie in jedem Miyazaki natürlich auch wieder 😉

Diese Herausforderungen zu meistern und schlussendlich der eigenen Naivität und Unsicherheit zu entwachsen, ohne ihre Frohnatur zu verlieren, darum geht es also in Kikis Lieferservice. Und eben nicht um mehr. So schauen wir dabei zu, wie sie eine Unterkunft findet, einen kleinen eigenen Lieferservice gründet und ihre ersten Pakete ausliefert. Es ist eine sehr simple Geschichte und dem muss man sich genau wie in Mein Nachbar Totoro bewusst sein, aber durch die Nahbarkeit der Figur und der Herausforderungen, denen sie sich stellt, ist sie dennoch packend, wenn man sich darauf einlässt. Die größte Krise, der Kiki letztendlich gegenüber steht, beginnt dann erst kurz vor Schluss des Films, wenn sie ihre Fähigkeit zum Fliegen verliert und ihr treuer Kater Jiji auf einmal aufhört, mit ihr zu sprechen. Das ist ein grandioser Schachzug des Skripts, denn Jiji steht tatsächlich für die unsicher Seite von Kiki, die noch nicht erwachsen geworden ist. Er steht dafür, dass Kiki es zu Beginn des Films nicht schafft, auf eigene Faust, ohne ihren Besen und ihre Katze, in der Stadt klar zu kommen. Dass der Kater nicht mehr spricht, auch am Ende des Films nicht mehr, steht also dafür, dass Kiki aufgewachsen ist, und diesen “imaginären” Freund nicht mehr braucht. Achtet man darauf, fällt einem auf, dass kein Erwachsener im ganzen Film je mit Jiji redet, nur Kiki selbst. Eine toll geschriebene Wendung, die perfekt in die Themen des Films passt.

Auch in den restlichen Disziplinen erfüllt Regisseur Hayao Miyazaki alles, was man sich wünschen würde. Wie immer wunderschöne Zeichnungen, Charaktere voller Herz und fantastischer Musik. Das Skript besticht mit seiner Simplizität, mit einer perfekten Abstimmung auf die gewählten Themen. Es ist eine einfache Geschichte über das Aufwachsen und das erste große Abenteuer im Leben. Kikis Lieferservice ist ein wirklich toller Film.