SynopsisCrewDetails
Jeff, ein Profikiller auf dem Weg zum Ausstieg, hat bei einem Auftrag versehentlich die Sängerin Jennie geblendet. Von Schuldgefühlen geplagt beschließt er, eine Augenoperation für Jennie zu finanzieren. Dafür muss er einen letzten Auftrag annehmen, ein Attentat auf den Triaden-Boss Tony Weng…
Regie: John Woo
Drehbuch: John Woo
Schnitt: Fan Kung-Wing
Kamera: Peter Pau, Horace Wong
Darsteller*innen: Chow Yun-Fat, Danny Lee Sau-Yin, Sally Yeh
Produktionsjahr: 1989
OT: 喋血雙雄
Land: Hong Kong
Sprache: Chinesisch
Länge: 1h50min
Genre: Action, Thriller

Actionfilme haben in erster Linie einen Auftrag: Unterhalten. Wer benötigt schon differenzierte Charaktere oder eine innovative Story, wenn es permanent Kugeln hagelt oder ohne Punkt und Komma die Fäuste fliegen? Mit einer derartigen Einstellung an das Genre primitiver Haudrauffiesten heranzutreten, passt sich nahtlos neun von zehn Actionfilmen an und erspart ihnen obendrein noch ein härteres Urteil, wenn man sich auch mit selbiger Einstellung und dem letztendlichen Produkt zufrieden gibt. Dieser letzte von zehn Actionfilmen daneben, ist The Killer. Allgemein bekannt als der erste Vertreter des sogenannten “Heroic Bloodshed”-Actionkinos, genießt John Woos gefeiertes Werk aus Hongkong nicht nur Legendenstatus, sondern gilt als Neuinterpretation des vorher eher als stumpfes Entertainment fundamentierten Genres.

Die Prämisse des Auftragskillers, der sich einen Weg aus seiner von Blut durchzogenen Welt bahnen und ein normales Leben führen möchte, ist schon lange keine Seltenheit mehr. Eine damalige Neuheit, die heute niemanden mehr wahrlich beeindrucken soll? Eine Frage, die sich ganz eindeutig verneinen lässt. The Killer kennzeichnet einen Fall, bei dem nicht der Ruf dem Film, sondern der Film seinem Ruf vorauseilt. Er besteht beide Teilstücke der Diplomarbeit mit Bravour – aufregende Action und emotionale Geschichte.

Dabei zeigt sich die technische Performance von ihrer elegantesten Seite, dass sogar modernere Genre-Klasseure wie John Wick staunen dürfen. Nervenaufreibende Close-Ups, wahnwitzige Zeitlupenschießerein, fixe aber gekonnt gesetzte Schnitte, allumfassende Kameraperspektiven, brachiale Explosionen und aufplatzende Gliedmaßen, von denen man jedes gesprengte Blutgefäß im Detail begutachten darf. Wunderbare Handarbeit mit Effekten zum Niederknien stehen an der Tagesordnung. Jedes Set-Piece gälte als Highlight eines eigenen Filmes, jede abgefeuerte Patrone schreckt einen Ton mit ewig hallendem Echo durch die Gehörgänge und jeder einzelne Winkel des Objektivs gehört im edelsten Rahmen an die Zimmerwand genagelt. Das Resultat aus allen Komponenten bildet eine Ode der Ultrabrutale voll von Over-the-Top-Choreographien und spannend gehaltenen Konfrontationen, die zu keiner Sekunde auf das Bremspedal treten.

Dass bei sämtlicher Raffinesse als audiovisuelles Medium dann immer noch die Storyline am meisten begeistert, pflügt den Acker zur reichen Ernte. Prinzipiell ist The Killer inhaltlich nichts, was das geschulte Auge des Actionliebhabers noch nicht gesehen hat, allerdings ist es die Art und Weise, wie Regisseur Woo seine Geschichte auf dem Silbertablett präsentiert und es mit dem Handlungsverlauf zum chromisierten Diamanten schleift. Mit einem starken Chow Yun-Fat, einer bezaubernden Sally Yeh und dem gelassenen Danny Lee Sau-Yin in den zentralen Rollen werden die Zügel für eine vielschichtige Erzählung gelegt, die nicht primär mit der bahnbrechenden Wucht vor der Kamera, sondern dem Zwischenmenschlichen hinter den Fassaden seiner großartig geschriebenen Charaktere besticht. Durchaus verwickelt sich hier die typische Melodramatik des Asian Cinemas mit einer überschwänglichen Ladung an Dialogen höchster Empathie und Zuneigung, jedoch reiht sich besagte Überzogenheit großartig zwischen die poetischen Gewaltspitzen ein und setzt einen Ton, der vor Individualität nur so strotzt.

John Woo verfasste einen Liebesbrief auf Action-Zeilen. Sensibel und rau, bedächtig und dynamisch, tiefgreifend und explosiv. Schonungslosigkeit und Feingefühl, klimaktisiert in ein Endspiel, welches das Publikum zum Mitfiebern zwingt. Das Kultsiegel trägt The Killer mit mageren Abstrichen völlig berechtigt, ihn nur als das abzustempeln, würde ihm in seiner Klasse aber bei weitem nicht gerecht. Sogar im Konsens des Genres ist dieses Gangsterdrama ganz großes Kino.

8.0
Punkte