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Markus, ein Mann im Militäreinsatz, muss nach Hause zu seiner Teenager-Tochter Mathilde, als seine Frau bei einem tragischen Zugunglück ums Leben kommt. Es scheint schlichtes Pech zu sein – doch es stellt sich heraus, dass es sich um ein sorgfältig inszeniertes Attentat gehandelt haben könnte, dem seine Frau zufällig zum Opfer gefallen ist.
Regie: Anders Thomas Jensen
Drehbuch: Anders Thomas Jensen
Schnitt: Nicolaj Monberg, Anders Albjerg Kristiansen
Kamera: Kasper Tuxen
Schauspieler*innen: Mads Mikkelsen, Nikolaj Lie Kaas, Lars Brygmann, Nicolas Bro, Andrea Heick Gadeberg
OT: Retfærdighedens ryttere
Englischer Titel: Riders of Justice
Land: Dänemark
Sprache: Englisch
Jahr: 2020
Länge: 1h54min
Genre: Action, Comedy
Ab dem 23.09.2021 in den deutschen Kinos

Nach mehreren unglücklichen Zufällen verliert Mathilde ihre Mutter bei einem Zugunglück. Ihr Vater Markus, beruflich Soldat, wird deswegen von seinem Dienst befreit und darf in die Heimat zurückkehren, wo er auf nicht sonderlich feinfühlige Art und Weise versucht, sein Leben und das seiner Tochter wieder in die Spur zu bringen. Parallel dazu stellen zwei frisch entlassene Mathematiker, einer von ihnen war ebenfalls Fahrgast in der verunglückten Bahn, die Theorie auf, dass der Unfall keinesfalls ein Zufall, sondern ein Attentat seitens der Bikergang “Riders of Justice” war. Schon bald kreuzen sich die Wege der verschiedenen Figuren und es beginnt eine Mixtur aus bedrückendem Drama, schwarzer Komödie und erbarmungslosem Rachethriller. Markus, die beiden Mathematiker Otto und Lennart, sowie der ebenfalls hinzugezogene Hacker Emmentaler, wollen an den “Riders of Justice” Gerechtigkeit üben.

Man sollte eigentlich meinen, dass komödiantische Aspekte in einem Film mit einer Thematik wie Helden der Wahrscheinlichkeit – ausnahmsweise ein passender deutscher Titel – fehl am Platz wären. Obgleich diese Annahme durchaus berechtigt ist, sind es gerade die humoristischen Ansätze, welche den Film so einzigartig machen. Sie sind es, die ihm zwischen all der Gewalt und Tragik die nötige Herzlichkeit geben, um das Publikum nicht vollkommen in einen Sog der Ausweglosigkeit zu ziehen. Geschehen tut dies besonders durch einen Subplot, in welchem sich die drei Kumpanen von Markus als Therapeuten ausgeben. Angesichts ihrer eigenen kleinen Problemchen eigentlich zum brüllen und dennoch schafft es Anders Thomas Jensen seine Figuren genau die richtigen Knöpfe drücken zu lassen und die Zuschauer*innen auf ihre Seite zu ziehen. So wird man über einen längeren Zeitraum des zweiten Aktes förmlich in Sicherheit gewiegt und bekommt genau das dann im Übergang zum dritten Akt direkt um die Ohren geknallt. Dann wechselt nämlich der fast schon unbekümmert Ton des Films zurück in einen bierernsten.

Einige Worte zur Action müssen wohl auch verloren werden, denn das internationale Poster verspricht da doch etwas zu viel des Guten. Ein Actioner ist Helden der Wahrscheinlichkeit ganz sicher nicht, was man allerdings annehmen könnte, wenn man einen Mads Mikkelsen mit Vollbart und wenig Haar sieht, eine Pistole in seiner rechten Hand und ein Sturmgewehr hinter dem Rücken. Nichtsdestotrotz werden Finger gebrochen und Köpfe zerschossen, ohne dass es verharmlost oder versteckt wird. Kritisieren kann man im Zuge dessen vermutlich, dass bei all den Schusswechseln nie Passanten oder die Polizei auf das Geschehen aufmerksam werden… vielleicht ist aber auch das wieder Teil des stellenweise trockenen Humors Jensens.

Um den Bogen noch kurz zurück auf das Marketing und somit auf das hierzulande verwendete Poster zu schlagen: so blöd und typisch deutsch das Ganze auf dem ersten Blick wirken mag… es passt und fängt die Essenz des Films ziemlich gut ein.

Mit einer Laufzeit von etwas unter 120 Minuten wird Jensens neuster Film aufgrund des Genremixes, und besonders seiner Figuren, auch zu keiner Zeit langweilig. Durchweg wird man gut unterhalten oder emotional ergriffen, was natürlich in erster Linie den Figuren und ihren Darsteller*innen sowie deren Chemie zu verdanken ist.

Faszinierend ist es, wie Mads Mikkelsen diesen alles mit Gewalt lösen wollenden Soldaten verkörpert, der sein weiches Herz hinter einer steinharten Schale verbirgt. Verdrängung ist hier das Stichwort, und obwohl dem Publikum klar ist, dass dies vor allem im direkten Umgang mit der eigenen Tochter nicht der richtige Weg ist, geht man mit ihm. Dieser Bund zwischen Hauptfigur und Zuschauer*in wird wieder und wieder auf die Probe gestellt, doch immer bleibt gerade genug Verständnis für die Figur über, damit man sie nicht hinter sich lässt. Gestärkt wird dies natürlich durch Mikkelsens abermals bärenstarke Leistung, die sich nicht hinter der zu verstecken braucht, die er bei “Der Rausch” abgeliefert hat.

Doch eben nicht nur Mads Mikkelsen und sein Markus sind grandios, sondern auch der Rest des Casts in ihren Rollen. Nun hier verschiedene Figuren aufzuzählen wäre nicht sonderlich zielführend, denn im Kern lässt sich über sämtliche Figuren dasselbe sagen. Sie alle haben ein enormes Potenzial und mehr als genug Tiefe für ihren Anteil in der Geschichte. Am liebsten würde man jedoch noch 30 bis 60 Minuten mehr mit all diesen Persönlichkeiten verbringen, die so charismatisch und herzlich sind, jedoch gleichermaßen Laster und Trauer mit sich herumtragen müssen. Verkörpert werden sie alle auf fantastische Art und Weise, und zwar ohne eine einzige Ausnahme.

Abgerundet wird das Ganze dann von einer sehr ordentlichen Audiovisualität. Die Kamera hält oft und gerne Mal länger auf das Geschehen und fängt viele Situationen sehr fesselnd und gleichermaßen hübsch ein. Auch der ein oder andere Witz wird durch Kamera und Schnitt erweitert und auf eine neue Ebene gehievt. Untermalt von passendem Score und Soundtrack, sowie einer authentischen Klangkulisse, erlaubt sich “Helden der Wahrscheinlichkeit” also auch aus technischer Perspektive kaum einen Fehler.

Mit mehr Tiefe und Ernst als erwartet, kann Anders Thomas Jensens neustes Werk auf voller Linie überzeugen. Durch bitterbösen Witz und mit einem gewissen Charme wird seine niederschmetternde Geschichte um Rache und Verdrängung auf das nächste Level gehoben. Zudem kann “Helden der Wahrscheinlichkeit” noch mit seinen Figuren und Darstellern massig Punkte sammeln und wird deshalb auch sicherlich für die ein oder andere weiter Sichtung herhalten können. 2020 war einfach ein richtig starkes Jahr für das dänische Kino und Mads Mikkelsen…

HELDEN DER WAHRSCHEINLICHKEIT KOMMT AM 23. SEPTEMBER 2021 IN DIE DEUTSCHEN KINOS

9.0
Punkte