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Drehbuch: James Vanderbilt, Guy Busick
Schnitt: Michel Aller
Kamera: Brett Jutkiewicz
Schauspieler*innen: Neve Campbell, Courteney Cox, David Arquette
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h54min
Genre: Horror, Thriller
So verhasst Remakes und Fortsetzungen im gewissen Abstand zum Original auch sein mögen, verbindet sie alle etwas, das ihnen nicht genommen werden kann: Mut. Es erfordert viel Mut, sich an einer etablierten Quelle zu versuchen. Mit einer Woge der Unzufriedenheit hat ein Filmteam zu rechnen, wenn die Neuauflage sowohl als Revitalisierung, als auch als Fortsetzung versagt.
Einen Mittelweg dazwischen zu finden, ist schwer, keine Frage. Ohne eine belastbare Balance zwischen Innovation und Hommage fehlt der Anspruch an die Fangemeinde, während Frischlinge gar keine Möglichkeit bekommen, sich durch das gezeigte Universum zu bewegen. Also steht eine der neuen Figuren nun da und erklärt diesen Sachverhalt ihrem unwissenden Publikum — den Fall des sogenannten “Requels”.
Metaebene als Kernmerkmal
Verdächtige unter sich diskutieren über die Regeln des Überlebens in diesem verzwickten Szenario, ergötzen sich an Klischees und stellen bereits früh erste Theorien zur Identität des Killers auf. Wartet ihr auf die Pointe? Dann sollt ihr enttäuscht werden, denn in Scream folgt keine. Keine kluge Reflexion und keine Anstalten, den benannten Fehltritten des Slasher-Genres auszuweichen.
Wes Cravens Original von 1996 hat das Filmgenre des Horrors nicht nur revolutioniert, sondern gar neu definiert. Im ersten Film wird eine Welt etabliert, in der Horrorfilme in Horrorfilmen existieren und auch als fiktive Ware verkauft und wahrgenommen werden. Charaktere wurden kreiert, die als Abziehbilder von vorigen Abziehbildern für weitere Filme dienten. Geschrieben wurden diese in eine selbstironische Storyline, die sich ihrer eigenen Schwächen bewusst ist, diese annimmt und zu Stärken formt. Schwarzhumoriges Augenzwinkern durchströmt jede Szene, in der abermals der Vorwurf aufkommt, der Gegenüber einer Person sei der psychopathische Mörder hinter der Maske.
Ausruhen auf früherem Ruhm
All dies ist Scream aus dem Jahre 2022 genau nicht mehr. Er wirkt vielmehr wie der Film, den alle Figuren gesehen haben, die in ihm mitspielen. Sämtliche Szenen, die ihren gewünschten Effekt auf inhaltlicher, technischer oder emotionaler Basis erzielen, funktionieren lediglich aufgrund der Vorarbeit der Vorgänger. Es handelt sich um keine selbständige Leistung. Die Fallhöhe des Filmes ist enorm und wird auch in einer angemessenen Dichte ausgeschöpft.
Verplant im konstanten Rezitieren des Franchise, scheint er sich mit den scheinintelligenten Kommentaren als Ableger einer Reihe seiner Verantwortung schlichtweg entledigen zu wollen. Die Metaebene wird komplett überspannt und derart ausgereizt, dass die Dimensionen zersplittern. Da ist die potenzielle These dennoch berechtigt: Tun das nicht letztendlich alle Teile des Scream-Franchise? Schließlich liegt darin der gewitzte Clou der Reihe. Unterscheiden tut sich der aktuelle Vertreter hierbei in einem Punkt: Er verkehrt nicht auf der Metaebene, weil er es kann, sondern weil er es muss.
Erzwungener und penetranter hätte man das Konzept nicht umsetzen können. Am laufenden Band unterbreitet das Regieduo Impulse, die die Zuschauerschaft austricksen und aus der Reserve locken sollen. Ein Versatzteil, welches als Grundlage für den kompletten Film herhalten muss. Durch dieses mangelnde Sättigungsgefühl ernährt sich Scream nicht gesund, er schaufelt massenweise Fastfood in sich hinein.
Überraschungsarmes Schnätzeln
Deswegen überrascht es im Endeffekt kein bisschen, dass es keine Überraschungen gibt. Es ist beinahe schon frustrierend belustigend zu begutachten, wie die Eigenschaften eines karikativen Whodunit-Slashers vollkommen missinterpretiert und fehlgeleitet werden. Übrigbleiben tut also aufgrund der kompetenten Machart, dem talentierten Cast und der angenehmen Chemie zwischen den Figuren ein kurzweiliges, unterhaltsames und blutiges Erlebnis, was sich nahtlos in die Riege der redundanten Slasher einreiht.
Scream tritt nicht wie der legendäre Erstling auf, den er so krampfhaft zu imitieren versucht. Dem ähnlich konzipierten, verlorenen dritten Teil der Reihe kommt er schon näher. Aber auch da denkt man vielleicht, dass dies exakt die toxische Reaktion repräsentiert, die Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett provozieren wollen, nur um sich im Recht zu fühlen und doch zu beweisen, dass ihr Werk sein Metier verstanden hat. Demnach wäre Scream gleichzeitig der cleverste und dümmste Film des Franchise. Doch welche Seite überwiegt?
SCREAM LÄUFT SEIT DEM 13. JANUAR 2022 IN DEN DEUTSCHEN KINOS
5.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.