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Die Zuschauerzahlen befinden sich schon seit Langem im freien Fall: Die Sendung der Halloween-Nacht von 1977 ist für die Late-Night-Talkshow „Night Owls“ und ihren Moderator Jack Delroy die letzte Chance, sich beim Publikum zu bewähren. Demgemäß plant er mit seinen Gästen die spektakulärste Horror-Show des Jahres: Ein Hellseher nimmt Kontakt zu toten Verwandten auf, bevor er auf offener Bühne einen gewaltigen Schleimstrahl erbricht. Ein Zweifler versucht sich an der Aufdeckung der unerklärlichen Phänomene, die diesen Abend heimsuchen. Und dann ist da noch eine Parapsychologin in Begleitung der 13-jährigen Lilly, die als einzige den Massenselbstmord einer satanischen Sekte überlebt hat und vom mysteriösen Mr. Wiggles besessen sein will. Während sich hinter den Kulissen zunehmend Panik über die beängstigenden Vorkommnisse und die gefährdete Quote breitmacht, nimmt die Show ihren verhängnisvollen Verlauf. Der letzte Mitschnitt wurde nie gesendet… bis heute.
© TMDB
Regie: Cameron Cairnes, Colin Cairnes
Drehbuch: Cameron Cairnes, Colin Cairnes
Schnitt: Cameron Cairnes, Colin Cairnes
Kamera: Matthew Temple
Schauspieler*innen: David Dastmalchian, Laura Gordon, Ian Bliss, Ingrid Torelli
Produktionsjahr: 2023
Land: USA, Australien, Vereinigte Arabische Emirate
Sprache: Englisch
Länge: 1h33min
Genre: Horror

Im Abendprogramm der Medienlandschaft fängt der späte Vogel den Wurm. Als in Ungnade gefallene aber noch immer angesagte Talkshow im amerikanischen Fernsehen feiert „Night Owls“ eine besondere Ausgabe, denn es ist die Halloweenepisode mit schaurigen Gästen. Für Moderator Jack Delroy (David Dastmalchian) steht aber wesentlich mehr auf dem Spiel, als ein bisschen Grusel, denn zusätzlich zum Spuk ist auch noch Quotenwoche. Jack ist es leid, ständig die hinteren Plätze warmzuhalten und ist gewillt alles zu tun, um seine harte Arbeit gebührend zu belohnen – auch wenn es bedeutet, den Teufel einzuladen.

Heimelige Wände

Nicht nur das unverbrauchte Konzept lässt bei der dritten Spielfilmkollaboration der Gebrüder Cairnes aufhorchen, denn einen nicht gerade unerheblichen Teil seiner Wirkung generiert das Werk aus seiner Inszenierung. In der Hinsicht ist es wirklich schade, dass Late Night with the Devil nach seiner Premiere trotz überwiegend positiver Resonanz auf die Kontroverse beschränkt worden ist, vereinzelt AI-generierte Bilder zu benutzen, denn er verfügt auf der technischen Seite über ein einzigartiges wie auch beeindruckendes Handwerk.

Den zeitgeistlichen Flair einer in den 70ern spielenden Fernsehshow erobert der Film im Sturm. Körnige und krisselige Aufnahmen der Persönlichkeiten vor Ort, Störungen auf dem Bildschirm oder im Ton und ein detailverliebtes, mit schmucken Möbeln und Designs bestücktes Set wirken ebenso authentisch wie atmosphärisch. Perspektivisch wird alles fast ausschließlich im Found-Footage-Stil über Studiokameras visualisiert. Gerade diese stimmige Aufmachung sorgt dafür, dass das dämonische Treiben weniger generisch daherkommt, als es in seiner Präsentation womöglich ist.

An den obligatorischen Aspekten des Okkultismushorrors wird wenig gefeilt, von innovativen Konfrontationen kann man nicht sprechen. Wovon man aber innerhalb der Szenen sprechen kann, die sich an Beschwörungen, Hypnosen und Paranormalitäten orientieren, ist eine unsagbare Intensität. Der komprimierte Raum wiegt einen in permanente Unsicherheit, wenn ein gerade mal 13-jähriges Mädchen plötzlich mit einer höllisch tiefen Stimme spricht. Dabei stellt sich aber das Publikum wie eben einige der involvierten Figuren die Frage, ob man in diesem Moment auf einen Trick hereinfällt oder es sich der Teufel tatsächlich auf dem Sofa gemütlich macht.

Der Teufel im Detail

Ironisch und genial zugleich ist es, dass ein zynischer Skeptiker zur geheimen Identifikationsfigur wird. Dessen Auftritt dient prinzipiell einzig und allein dazu, alles und jeden entlarven und eines Besseren belehren zu wollen. Wenn man sich in das Szenario versetzt und von fehlender spiritueller Überzeugung geprägt ist, will man natürlich nicht annehmen, dass beispielsweise ein angebliches Medium mittels zerebraler Frequenzen Kontakt mit verschiedenen Seelen im Totenreich aufnimmt. Was das Ganze nochmal um ein Vielfaches interessanter gestaltet, ist die subversive Thematik medialer Manipulation der Zuschauerschaft.

Es wird beinahe schon zur Metaebene promoviert, inwiefern das Team live vor Ort darüber diskutiert, wer hier wen hinter das Licht führen möchte. Im Geiste der Vermarktung schadet so eine Illusion laut dem Produzenten eben nicht, Jack wird gelockt von der Verheißung auf den langersehnten Erfolg. Damit tappt er in die Falle, welche den Menschen auf der Tribüne oder vor dem TV-Gerät automatisch durch ihn als Repräsentanten des Business gestellt wird. Denn trotz der unangenehmen Eindrücke, ist an ein Abschalten nicht zu denken – wie auch für die Entertainer nicht daran zu denken ist, sich diese Aufmerksamkeit aus den Fingern gleiten zu lassen.

Differenziert wird Jack als von seiner Einfühlsamkeit getrennter Hai aufgebrochen, der das Blut im Wasser gerochen hat und dazu gezwungen wird, sich dem Trieb zu beugen: Er schwimmt zur Quelle und frisst hemmungslos. Tragisch ist die Entwicklung vom sympathischen Publikumsliebling zum gewissenlosen und unverantwortlichen Nutznießer. Auch wenn ihm die Schuld auf die Stirn geschrieben steht und er vor aller Augen reflektieren kann, dass er sich außerhalb des Rahmens des Richtigen bewegt, schafft er es dennoch nicht, sich zum Pausieren des Prozesses zu überreden.

Allein deswegen ist dieser Film schon mehr Sein als Schein, Late Night with the Devil obliegt einer faszinierenden Doppeldeutigkeit in der Erzählung seiner Geschichte. Naivität und Vertrauen werden schamlos missbraucht und wie Wasser in einem Abflussrohr zugunsten von nationaler Unterhaltung gen Aussichten auf Ruhm und Reichtum umgeleitet. Dies bezieht sich gleichermaßen auf den Titel, denn nachdem der Vorhang gefallen ist, die Kameras abgeschaltet werden und man die Geschehnisse im Studio Revue passieren lässt, ist es schwer von der Frage wegzukommen: Wer trägt hier in Wahrheit die Hörner? Ist es wirklich der Teufel oder doch derjenige, der ihn zur Tür hereinbittet?

LATE NIGHT WITH THE DEVIL LÄUFT SEIT DEM 30. MAI 2024 IN DEN DEUTSCHEN KINOS

8.0
Punkte