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Eine große Jagdgesellschaft versammelt sich im Jahr 1932 auf dem Landsitz von William McCordle um ein unbeschwertes Wochenende zu verbringen. Am Abend veranstaltet man ein großes Dinner, bei dem die adeligen Gäste ihre üblichen Upperclass-Spiele spielen, während zur gleichen Zeit die zahlreiche Dienerschaft bemüht ist, das Festessen vorzubereiten, zu servieren und die Party unbeschwert weiter laufen zu lassen. Als jedoch Sir William ermordet aufgefunden wird, ändert sich die Situation für die Beteiligten, die sich von dem Mord auch eher unangenehm gestört fühlen, als Inspector Thompson beginnt, seinen Job zu machen. Auch Mary, die für Lady Constance arbeitet, macht sie so ihre Gedanken und beginnt, das Netz aus Beziehungen, Abhängigkeiten und dunklen Absichten zu zerreißen…
© TMDB
Regie: Robert Altman
Drehbuch: Julian Fellowes
Schnitt: Tim Squyres
Kamera: Andrew Dunn
Schauspieler*innen: Maggie Smith, Michael Gambon, Helen Mirren
Produktionsjahr: 2001
Land: Italien, USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h11min
Genre: Drama, Thriller, Mystery

Es schüttet Katzen und Hunde. Britisches Wetter. Regentropfen machen sich auf der Windschutzscheibe eines alten Rolls Royce der 30er Jahre breit und weichen den Scheibenwischern nur mühselig. An jenem nassen Tag versammelt sich die versnobte Gemeinschaft wohlhabender Aristokraten und deren Bekannter auf dem Anwesen von William McCordle.

Es ist das dritte Mal, dass ich den Film sah. Nach jeder Sichtung wollte ich über ihn schreiben. Der schiere Umfang von Regisseur Robert Altmans Werk schreckte mich davor ab, aber jetzt ist es soweit, es muss sein, Gosford Park zuliebe.

Akribische Zahnräder im Getriebe der Upper-Class

Was sich für die nächsten zwei Stunden eröffnet, ist ein Uhrwerk. Eines, das gegen sich selbst arbeitet. Als stiller Beobachter gleitet die Kamera durch Säle, Aufenthaltsräume und verschachtelte Gänge, gibt einen Einblick in McCordles endloses Anwesen und seine Gäste, aber auch Dienstmädchen und Butler. Stets ist die Kamera dabei in Bewegung und im Begriff, das Gewusel einzufangen. Zahnräder greifen in weitere Zahnräder. Akribisch messen die Butler die Abstände zwischen dem Besteck eines jeden und seinen Tischnachbarn, während das Essen eifrig in der Zubereitung ist.

Und dann gibt es noch die vielen Unstimmigkeiten unter den Eingeladenen mitten in der funkelnden Ausstattung. Feinstes Porzellan, blitzblank polierte Möbel, prunkvolle Spiegel und überall Lampen- oder Kerzenschein – irgendwo wird in nahezu jeder Einstellung Licht gebrochen. Da grenzt es fast schon an ein Wunder, dass die Kamera in den grandiosen Spiegelbildern, die in den Einstellungen auch nochmal dem Raum neue Perspektiven hinzufügen, nie zu sehen ist, somit auch die Illusion perfekt aufrechterhalten wird, nur Beobachter zu sein. Diese Perfektion geht so weit, dass man fast denkt, dass Gosford Park selbst ein Kristallbild ist.

Eigentlich möchte jede Figur die Zeit zurückdrehen. Die von Kelly Macdonald gespielte Mary Maceachran wird von ihrer Herrin Constance Trentham (Maggie Smith) für billige Arbeit ausgebeutet. Constance selbst zeigt sich ihrem stoischen Alter unterworfen und möchte allen anderen deren Sterblichkeit bewusst machen. Aber am meisten will der eitle Gockel Mr. McCordle seine Zukunft loswerden. Natürlich weiß er das noch nicht, lenkt er sich doch mit seiner profilierten Dekadenz und eingeladenen Gesellschaft ab.

Stilles Beobachten im Kristallpalast

Schnell wird klar, dass alle Personen auf McCordles Anwesen ihr Päckchen zu tragen haben, egal wie alt oder reich sie sind. Liebeskummer in den Gemächern, Techtelmechtel unter den Dienern und denen aus dem oberen Stand und umgekehrt, Gosford Park hat einiges zu erzählen. Dabei entwickelt sich durch das Schauspiel, die Ausstattung und Kamerabewegung eine ungemeine Dynamik. Eigentlich ist man stilles Mäuschen, also nur dabei statt mittendrin, doch überall wimmelt es von interessanten Charakteren und Konversationen, man ist praktisch umzingelt von packenden Erzählungen. Also doch mittendrin.

Die Darsteller berichteten, dass die Kamera am Set einfach im Geschehen war, sie ihre Figuren spielten und gar nicht wussten, ob ihre Performance im fertigen Film landen wird. Man merkt es. Eine allumfassende Atmosphäre umgibt die Szenen in Gosford Park, die über das Breitbild hinausgeht, sich um einen herum breitmacht – auch durch den Sound. Das – gepaart mit gezwungen britischer Höflichkeit und dem Gossip in solch einer von Vetternwirtschaft betriebenen Aristokratengemeinschaft – ergibt etwas ganz Besonderes, etwas Eigenes: Fast jede Figur nimmt einen ebenso großen Platz neben den anderen ein, ob reich oder arm, Aristokrat oder Diener, jeder Mensch scheint hier gleich. Eine wunderschöne Aussage innerhalb dieses altertümlichen Anwesens.

Der Genuss des hautnahen Erlebens

Umso schöner, dass dieses Uhrwerk, auch wenn es nur durch alteingesessene gesellschaftliche Strukturen aufrechterhalten wird, die Charaktere hautnah erleben lässt. Es wäre schlicht falsch, Szenen von eventuell weniger wichtigen Figuren herauszuschneiden. Altman weiß, dass nur alle Figuren zusammen das Ganze ergeben, was er sich da vornahm. Entfernt man einzelne Szenen, fehlen Zahnräder, die doch in diesem Uhrwerk so wichtig sind wie jedes andere.

Ungefähr eine Stunde dauert es, dann rast die Zeit davon und die Zahnräder sind im Begriff aus ihrer Halterung zu springen. Spannung unter den Figuren machte sich zwar schon vorher breit, doch es wird die offene Konfrontation gesucht. Sie entlädt sich in wenigen Sekunden, nur damit danach die Oberschicht stumm in ihrer Eitelkeit ignoriert, was geschehen ist.

Es ist herrlich anzusehen, wie die Maskerade aufrechterhalten wird, obwohl sie eigentlich zu dem Zeitpunkt schon längst gefallen ist. Und spätestens, wenn dann in der ersten Nacht ein Messer im Rücken einer Person gefunden wird, wird das Ensemble aufgerüttelt. Man selbst lehnt sich zurück und genießt. Genießt das Schauspiel und die kristallinen Bilder, doppelräumigen Perspektiven – und das, was in all dem erzählt wird.

9.0
Punkte