©The Orchid
Drehbuch: Mark Duplass
Schnitt: Chris Donlon
Kamera: Alexandre Lehmann
Darsteller*innen: Mark Duplass, Sarah Paulson
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h21min
Genre: Drama, Romanze
Bei manchen Ex-Partnerschaften lässt sich über den getrennten Ausgang trotz der auch nachhaltig stärksten Chemie über diese eine Frage nur mutmaßen: Woran ist es zu Bruch gegangen? Zumindest sollen es heute das ehemalige Liebespaar Amanda (Sarah Paulson) und Jim (Mark Duplass) sein, welches uns diese Frage vor Augen führt. Nach Jahren des Abschieds und somit dem Start ins eigene Leben, ist es des Schicksals Willen, dass die beiden erneut zusammenfinden. Etwas Zeit vergeht, man tastet sich heran, überkommt die anfängliche Schüchternheit des Wiedersehens und schwuppsdiwupps entscheiden sich die alten Freunde den Abend gemeinsam zu verbringen.
Es ist schlicht und ergreifend bemerkenswert, in welchem Ausmaß Regisseur Alexandre Lehmann und Hauptdarsteller Mark Duplass, welcher gleichzeitig als Produzent und Drehbuchautor tätig war, ein nostalgisches Gefühl für eine Welt entwickeln, in der man selbst nie gelebt hat. Während man dem Protagonistenduo dabei zusieht, wie sie über ihre Vergangenheit philosophieren, Erinnerungen aufkommen lassen und teilweise in den banalsten Aktivitäten verarbeiten, förmlich zelebrieren, avanciert Blue Jay den Eindruck, als habe man diese Beziehung selbst durchlebt. Als kenne man die Figuren und ihre Affinität bis ins intimste Detail.
Die audiovisuelle Aufmachung ist nichts Weltbewegendes, verfügt aber über ein nicht gerade seltenes aber in Relation zur gesamten Filmindustrie quantitativ unterrepräsentiertes Gimmick, denn der Film ist vollkommen in Schwarzweiß realisiert. Dies mag für einige auf den ersten Blick ein recht willkürliches Stilmittel darstellen, erzeugt aber ähnlich wie das fast fünf Jahre später erschienene Beziehungsdrama Malcolm & Marie einen unterschwelligen Effekt. Durch die Abwesenheit von irgendwelchen optischen Eindrücken in Form von Farbe oder Licht, liegt der Fokus viel mehr auf den Charakteren und ihrer Beziehung. Das Empfinden der Storyline funktioniert wie das Lesen eines Tagebucheintrages, der obgleich danebenrauschender Bilder sein Momentum durch die Kraft des Wortes generiert. Mit besagtem Fokus lebt das Feeling konstanter Nähe zur Geschichte und den Charakteren komplett auf.
Hauptsächlich tranzendiert sich dieses Feeling aber durch die wunderbare Synergie des zauberhaften Leinwandpaares. Sarah Paulson und Mark Duplass schaffen es, ihren Charakteren das nötige Charisma zu verleihen, dem die Geschichte und letztlich der ganze Film ihre Authentizität verdanken. Zu jeder Sekunde wirkt ihr Zusammensein aufrichtig und echt. Dadurch vergeht die kurze Laufzeit von nicht viel mehr als 80 Minuten wie im Flug. Die improvisatorisch angehauchten Dialoge vermitteln viel von der Intensität und Tiefe, die das Verhältnis der Figuren zeichnet. Die Charaktere agieren nicht wie Charaktere auf Drehbuch, sondern kommunizieren. Dies hat direkt von Beginn an einen derart warmen Touch, dass man guten Gewissens die Erwartung pflegen kann, einigen tollen Momenten beiwohnen zu dürfen.
Blue Jay hat trotz vereinzelter Tragik eine Menge Freude und Spaß zu verbreiten. Amanda und Jim blödeln gemeinsam herum, reden, zielen mit ihren Witzen auch gerne mal auf Kosten des anderen unter die Gürtellinie und demontieren ihren Werdegang auf harmonische Weise. Für den Großteil der totalen Laufzeit feiert diese unverhoffte Reunion der Turteltauben ein Wohlsein höchsten Grades, bis gegen Ende der längst vergessene Appell aufkommt, dass ihr Schwarm schon vor langem abgestürzt ist. Urplötzlich kippt die besinnliche Stimmung und Blue Jay verwandelt sich in den ultimativen Empathietest. Mit welcher Rasanz und Kälte der Film einen im Finale erwischt, muss erstmal verdaut werden. Dabei wird aber ebenfalls aufgezeigt, unter welchen Umständen selbst die innigste, robusteste Beziehung zerrissen wird.
Mit viel Feingefühl schafft es das Team hinter dem Film, einen für ein bisschen mehr als eine volle Stunde in die emotionalen Gefilde eines gescheiterten Pärchens zu führen, das dazu bestimmt war, einander zu lieben, bis dass der Tod sie scheiden möge. Das konsequente Drehbuch verliert den Kern der Geschichte zu keinem Zeitpunkt und sorgt für viele magische Momente, auch wenn die Interaktionen für einen kleinen Zeitraum etwas repetitiv auftreten. Insbesondere Paulson und Duplass machen diesen Makel durch ihr Spiel aber wett und elevieren Blue Jay zu einem mitreißenden Drama, welches wie die im Zentrum stehende Beziehung die hellen und dunklen Seiten selbiger reflektiert.
8.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.