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Japan, 1945: Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs täuscht der Kamikaze-Pilot Koichi Shishima technische Probleme bei seinem Flugzeug vor und landet auf der Insel Odo. Hier begegnet er zum ersten Mal der Riesenechse Godzilla, die die gesamte Insel dem Erdboden gleichmacht. Zwei Jahre später: Shishima ist inzwischen nach Tokio zurückgekehrt, wo er Frau und Kind hat. Zur gleichen Zeit machen Berichte die Runde, dass der durch Atomtests im Bikini-Atoll mutierte Godzilla mehrere US-Kriegsschiffe zerstört hat und sich bereits auf dem Weg nach Japan befindet. Godzilla sorgt nun dafür, dass das Land an einen neuen Tiefpunkt gelangt. Minus 1…
©TMDB
Regie: Takashi Yamazaki
Drehbuch: Takashi Yamazaki
Kamera: Kōzō Shibazaki
Schauspieler*innen: Ryunosuke Kamiki, Minami Hamabe, Yuki Yamada, Munetaka Aoki
Produktionsjahr: 2023
Land: Japan
Sprache: Japanisch
Länge: 2h5min
Genre: Horror, Science-Fiction, Action

Die Ressourcen des Landes sind erschöpft, doch Hoffnung erstreckt sich am beschädigten Horizont. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges leckt Japan sich die Wunden, sehnsüchtig auf den Anbruch besserer Zeiten mit dem abrupten Ende des größten Verbrechens wartend, welches die Menschheit an sich selbst verübt hat. Allerdings soll der Blick in die Zukunft nur ein kurzer Schimmer sein, als sich eine riesige Kreatur aus dem Meer erhebt und eine Welle der Zerstörung entsendet.

Lange Zeit hat die titelgebende Bestie ihr Unwesen auf amerikanischem Boden getrieben, doch mit Godzilla Minus One kehrt der Gigant nicht nur in sein Mutterland, sondern direkt unter die Fittiche seines ursprünglichen Zuhauses zurück – das Produktionsstudio TOHO. Ohne Querverweise auf sonstige Titanen, mit denen er die Leinwand in den letzten Jahren gelegentlich zu teilen hatte, steht Gojira wieder mit einer ernsteren und simpleren Tonalität allein im Rampenlicht. Das präsentierte Japan hat nämlich durch die Auswirkungen des Krieges den Nullpunkt eigentlich schon erreicht, ist aber trotzdem dazu verdammt, noch tiefer zu fallen.

Ein Sinnbild der Nachwirkungen

Im Gegensatz zu jüngsten Verbuchungen im Franchise, in dem Gojira als Spektakel inszeniert wird, welches auf seiner Mission, den Planeten vor weiteren Katastrophen zu schützen, Kollateralschäden mit Bauchschmerzen in Kauf nimmt, stellt er in diesem Werk die Katastrophe selbst dar. Über die Zeit wurde aus der Figur dermaßen viel Popcornkino generiert, dass manch einer potenziell vergessen hat, was Gojira zu seiner Entstehung repräsentieren sollte: eine destruktive, konfrontative Aufarbeitung militärischer, politischer und wirtschaftlicher Traumata.

Als tobender Wirbelsturm avanciert das reptilartige Monstrum zum von der Natur beorderten Konterschlag auf den Krieg. Feiern eine Handvoll Mechaniker noch das nahestehende Finito ihrer Angst, prescht eine plötzliche Bedrohung über die Küste aufs Festland und schleudert einen nach dem anderen durch die Luft. Während die Erholung zum Greifen nahe ist, belehrt die Evolution des Planeten die Menschen eines besseren. Genährt von den Neben- sowie Nachwirkungen des Einsatzes atomarer Waffen, steigt eine Bedrohung empor, welche den Terror neu aufleben lässt.

Somit distanziert sich das Drehbuch von dem heroischen Bild, das viele Filme prägt und schult einen den Planeten und dessen Bewohner wahrenden Patron zum verheerenden Aggressor um. Gojira ist in dieser Geschichte ein erbarmungsloser Weltenfresser, einzig und allein von der Motivation angetrieben, die Nahrungskette zu dominieren. Er ist eine Allegorie des breiten Grabes, welches sich die Menschheit geschaufelt hat – territorial, böswillig, empathieresistent und schlichtweg fatal.

Perspektivische Wehrlosigkeit

Dass man als humaner Organismus schlechte Karten gegen so einen Feind hat, ist zwar naheliegend, allerdings muss in der Hinsicht nochmal besonders hervorgehoben werden, inwiefern Godzilla Minus One das Einfangen der Chancenlosigkeit unserer als Zielscheibe dienenden Spezies perfektioniert. Anstatt ausschließlich aus Vogelperspektiven digitale Menschenmengen als gesichtslose Opfer zu zeigen, bekommen die Verluste ein Profil.

Individuen mit Namen und Identitäten werden innerhalb eines Rutenschlages ausgelöscht. Aufnahmen von verängstigten und tränenüberströmten Gesichtern lassen die Gefahr erst gruselig und ultimativ wirken. Ein ganzes Leben ist für den wütenden Koloss nichts wert; ob kurz oder lang, ist egal. Die Kamera bleibt überwiegend auf mannshoher Ebene und sensibilisiert das Publikum für die tatsächliche Erscheinung eines solchen Giganten.

Währenddessen wird die Anzahl an Charakteren angenehm überschaubar gehalten und zudem mit intrapersonellen Konflikten behaftet, sodass die Verwüstung nicht lediglich schockierend anzusehen bleibt. Darüber hinaus hat man beispielsweise einen Kampfpiloten im Zentrum, der dermaßen gequält von der Überzeugung ist, er habe Gojiras Weg durch seine Untätigkeit erst ermöglicht, dass er sich den Tod eher herbeisehnt, als jede Rettung.

Dramaturgisch wie auch handwerklich werden große Geschütze aufgefahren, die auf der granitartigen Haut des Angreifers zwar keinerlei Kratzer hinterlassen, die symbolischen Narben der Verteidiger aber mit jeder abgefeuerten Kugel weiter aufreißen. Ohne den herkömmlichen Pathos des japanischen Kinos kommt auch dieser Ableger trotz treffsicherer Nuancen nicht aus, aber innerhalb seiner Bildgewalt ist Godzilla Minus One ein grandioser Rückruf auf das, wofür der Charakter sinnbildlich steht.

GODZILLA MINUS ONE IST AKTUELL (STAND: 03. JUNI 2024) AUF NETFLIX VERFÜGBAR

8.0
Punkte