SynopsisCrewDetails
Ein desillusionierter Detektiv muss tief in die Unterwelt vordringen, um nach einem gescheiterten Drogenraub den Sohn eines mächtigen Mannes zu retten.
© TMDB
Regie: Gareth Evans
Drehbuch: Gareth Evans
Schnitt: Sara Jones, Matt Platts-Mills
Kamera: Matt Flannery
Schauspieler*innen: Tom Hardy, Jessie Mei Li, Timothy Olyphant
Produktionsjahr: 2025
Land: USA, England
Sprache: Englisch
Länge: 1h45min
Genre: Action, Thriller, Crime

Ohne eine bösartige Intention zu haben, prügelt Walker (Tom Hardy) einen unschuldigen Mann aus Reflex nieder. Wie ein zuckender Muskel, der auf einen Elektroschock reagiert, prescht er vor und fragmentiert dessen Schädel mit einer Kälte, welche er sich selbst nicht zugetraut hätte. Seine Tage als guter Cop sind gezählt, zu tief sitzt das moralische Dilemma. Diese Unsicherheit verbreitet sich einem parasitären Befall ähnelnd auf sein Privatleben, bis seine Frau ihm den Kontakt zur gemeinsamen Tochter verwehrt. Können zusätzliche Risiken also schaden, wenn man quasi schon alles verloren hat? Walker soll es bald herausfinden, als er dem rätselhaften Mord an Mafia-Mitgliedern auf den Grund geht.

Kein Überblick

Bereits nach 30 Sekunden erklärt der Protagonist dem Publikum, warum er getan hat, was er getan hat. Man lügt und betrügt bis der Schmutz an der Weste den Glanz übertüncht und zu selbigem gedeiht. Lukrative Beziehungen und Geschäfte bringen nun mal eine Menge Geld. Wo dieses herkommt und welchen ethischen Marktwert es hat, spielt keine Rolle, solange es Rechnungen bezahlt und Essen auf den Tisch bringt. Die Mentalität des Hauptcharakters ist simpel, doch strebt er nach Veränderung, da die Weste schon vor langer Zeit zu stinken begonnen hat. Wie er formuliert ist die Drecksarbeit es nur wert erledigt zu werden, bis sie es nicht mehr wert ist – Worte, die ebenso primitiv wie weise sind.

Havoc tritt erzählerisch in die Fußstapfen abertausender Actionfilme und stemmt die Thematik mit einer ordentlichen Portion Gleichgültigkeit. Allerdings entpuppt sich dies fix als Fehlkalkulation und lässt die Weste nicht angemessen miefen, sondern bis zur Unkenntlichkeit vergammeln. Die Story wirft dermaßen viele Figuren in einen Kosmos, welcher nicht über das Volumen zur Ausfüllung all dieser Charaktere verfügt. Zu dünn ist die Geschichte, zu generisch ihr Verlauf. Profillose Gesichter nehmen viel Zeit in Anspruch, Emotionen benannter Gesichter sind zwar in ihren tränenden Augen abzulesen, ihre Schicksale und Rachegelüste aber nicht spürbar.

An allen Ecken und Enden fehlt es an einer Bewandtnis, diesen Menschen erst zuhören zu wollen. Belanglosigkeiten stolpern regelrecht übereinander und ziehen den Stecker einer Gewaltspirale, welche vor ihrem Beginn prinzipiell schon jeglichen Reiz verloren hat. Wie Walker in einer riesigen Schießerei und Schlägerei in einem Nachtclub keinen Überblick hat, hat die Zuschauerschaft ihren gar nicht erst erfassen können, denn für etwa 50 von etwa 105 Minuten der Laufzeit folgt Dialog auf Dialog. Beinahe eine volle Stunde muss man sich gedulden, bis das Hauptverkaufsargument des Filmes zum Einsatz kommt.

Blinde Wut

Gareth Evans hat sich durch die modernen Klassiker des The Raid-Franchise einen Thronplatz im Olymp der Action-Giganten erbaut und bewiesen, dass er große Bilder des Genres inszenieren kann. Was in den eben genannten Werken für ein Highlight nach dem anderen sorgt, ist in Havoc nicht wiederzufinden. Nicht etwa die fragwürdige Dosierung von Narrativ und Action ist hiermit gemeint, sondern die Action selbst. Jene ist maßlos unterwältigend. Als der anfängliche Monolog von einer CGI-Verfolgungsjagd mit hässlichen Hintergründen und missraten animierten Waschmaschinen abgelöst wird, machen sich Sorgen breit. Hier geht es wortwörtlich ans Eingemachte, denn wahrlich etwas erkennen, kann man in diesem verschwommenen Desaster einer Kamera nicht.

Wenn man die bereits benannte Szene im Nachtclub als Beispiel nimmt, fallen interessante Ideen für diabolisch brutale Kämpfe auf. Sei es eine kreative Schlagabfolge mit Hackebeil und Stahlrohr, eine Kettenreaktion sich gegenseitig tackelnder Rowdys oder bizarre Winkel der Linse: Die Ideen sind definitiv präsent. Die Umsetzung treibt aber jede einzelne in den technischen Ruin. Sogar bei einer Perspektive, wo eine Horde bewaffneter Söldner zu einer Hütte schleicht, hält die Kamera einfach nicht still. Mit permanenter Bewegung und Wackelei möchte der Regisseur seine erprobte Kinetik einfangen, den Tritten und Schlägen damit mehr Wucht und Dynamik geben. Der Preis, den er dafür zahlt, ist aber hoch, da es früh unangenehm wird, den Choreographien zu folgen. Computergenerierte Blutspritzer und Patronensalven dominieren die Leinwand, während die Schauplätze in der dunklen Belichtung versinken.

Dass Gareth Evans sich zum ersten Mal von der Rolle des Editors distanziert, scheint ebenfalls nicht förderlich. Ständig schneidet man zwischen unzähligen Einstellungen umher, das letzte Überbleibsel einer Szenenchronologie stürzt in ein schwarzes Loch. Leider garantiert Havoc dadurch keine saftige Unterhaltung, sondern Migräne. Letztendlich ist der Body Count relativ hoch und die Innovation einiger Höhepunkte lässt sich trotz des verpfuschten Handwerks nicht abstreiten. Wenn man sich neben den Kopfschmerzen bei dieser Visualität aber auch noch mit einem Kuchenschaber am liebsten die Augen auskratzen will, ist die Rekonstruktion der genretypischen Blutorgien fatal gescheitert.

HAVOC IST SEIT DEM 25. APRIL 2025 AUF NETFLIX VERFÜGBAR

4.0
Punkte