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Die Auftragsmörderin Zee erledigt in Paris regelmäßig für den Gangster Finn die Drecksarbeit, während Finn wiederum für den mächtigen Kartellboss Jules Gobert arbeitet. Bei einem neuen Job, bei dem Zee in einem Nachtclub die Mitglieder eines rivalisierenden Kartells aus Marseille eliminieren soll, geraten auch Unschuldige zwischen die Fronten. Eine davon ist die Sängerin Jenn, die während der Tat durch einen Sturz erblindet. Eigentlich soll Zee selbst unbeteiligte Zeugen beseitigen, Jenn wird jedoch von ihr verschont. Damit verstößt sie gegen die Regeln, was sie von der Killerin zur Gejagten werden lässt – und das gleich an zwei Fronten, da die Ereignisse auch den Polizeiinspektor Sey und seinen Kollegen Jax auf den Plan rufen.
© TMDB
Regie: John Woo
Drehbuch: Brian Helgeland, Josh Campbell, Matthew Stuecken
Schnitt: Zach Staenberg
Kamera: Mauro Fiore
Schauspieler*innen: Nathalie Emmanuel, Omar Sy, Sam Worthington, Diana Silvers
Produktionsjahr: 2024
Land: USA, Kanada
Sprache: Englisch
Länge: 2h6min
Genre: Action, Thriller, Crime

Ein durch eine entweihte Kirche schallendes Klatschen genügt, um ein wohliges Gefühl der Heimkehr zu provozieren – wahrscheinlich weniger für Auftragskillerin Zee (Nathalie Emmanuel), als für ihr Publikum. Im internationalen Kino ist John Woo kein unbeschriebenes Blatt mehr. Seinen eigenen Film mit einer Neuauflage zu würdigen, ist allerdings für ihn neu. Denn auch die von der Lautstärke des Echos aufgeschreckten, zu allen Richtung flatternden Tauben sind kein Zufall, sondern ein klares Indiz: Woo inszeniert eine moderne Version seines gleichnamigen Klassikers aus Hongkong, The Killer von 1989.

Einsames Blutvergießen

Unter identischer Prämisse startet die (primär) englischsprachige Neuverfilmung in bekannten Gefilden, entpuppt sich aber relativ früh als eine Reinterpretation und nicht als Kopie. Wie Chow Yun-Fats legendärer Assassine Ah Jong ist die Protagonistin dieses Filmes eine Einzelgängerin, erbarmt auch sie sich durch plötzliche Gewissensbisse aber dazu, sich strikten Anweisungen zu widersetzen. Ihr vigilantes Treiben führt aber nicht direkt zum Ausbruch aus der Einsamkeit, sondern zu einem ganzen Batzen an Schusswechseln, Verfolgungsjagden, Morddrohungen und Verhören, denen sie sich solo stellt.

Die Rettung der im Zuge ihres Handelns erblindeten Jenn (Diana Silvers) sowie die Involvierung des furchtlosen Polizisten Sey (Omar Sy) reihen sich für einen beachtlichen Part der Erzählung eher nebensächlich ein, vielmehr konzentriert sich das Skript auf die schwankende Abgebrühtheit der Hauptfigur sowie der Erklärung krimineller Kontexte, welche erst zum Zusammensein der drei Charaktere führen. Lediglich die visuelle Rekonstruktion vereinzelter Szenen lässt neben dem Titel nicht vergessen, dass es sich um ein Remake eines bereits existierenden Werkes handelt.

Eventuell ist die Hommage aber nicht einzig als Verneigung vor dem Einfluss und der Klasse des Originals angedacht. Eventuell sind es klare Verweise, die The Killer benötigt, um sich von der Menge des Genres abzuheben. Letzten Endes wird nämlich eine stereotype Geschichte aufgerollt, die ein moralisches Dilemma schildert, welches im Action-Genre gefühlt jährlich verfilmt wird. Um diese generische Motivation aufzupolieren, fehlt es der Story eindeutig an Figurenzeichnung und -dynamik – der entscheidende Aspekt, welcher den Ursprungsfilm so vielschichtig gestaltet.

Insbesondere leidet dieses Remake darunter, dass die Machenschaften der Mörderin und des Cops zu lange nebenher laufen, bis sich ihre Stränge überschneiden. Der Respekt und die Bewunderung, die sich die beiden bereits beim ersten geteilten Feuerwerk der Patronen entgegenbringen, wirken ohne erzählerisches Fundament zu sprunghaft. Feine Wendungen in der Geschichte sollen dies intensivieren, doch ist zu dem Zeitpunkt auch der letzte Zug mit sämtlicher Emotionalität abgefahren.

Prügel statt Poesie

Eine generische Geschichte ohne emotionales Investment ist zwar bedauerlich – gerade in diesem speziellen Fall, wo die Gefühle einst so groß waren -, dadurch wird die Geschichteaber nicht gleich zu einer schlechten; geschweige denn The Killer zu einem schlechten Film. Wie in vielen Actionfilmen ist die Erzählung Beiwerk, das weder stört noch bewegt. Wäre die Action von John Woo nicht nach wie vor dermaßen versiert, würden die Abstriche dicker ausfallen, doch auch hier bekommen Schaulustige erneut eine breite Palette an kreativen Choreographien, handgemachten Stunts und stylischen Einstellungen geboten.

Wenn mit beneidenswerter Balance Sprints und Sprünge über Kirchbänke gewagt, Kronleuchterfragmente als splitternde Peitsche umfunktioniert oder platzende Blutpartikel in Zeitlupen vergossen werden, kann dem Vater des Heroic bloodshed nur gratuliert werden, was für fesselnde Bilder er nach all der Zeit noch immer zu kreieren weiß. Seien es die Stimmung der verlassenen Ruine eines Gotteshauses oder die Gassen der paranoiden Unterwelt: In Kombination mit der Dichte an sich überschlagenden Vehikeln oder Körpern trifft dieses Werk definitiv den richtigen Ton und hält ein strammes Tempo ein.

Handwerklich verfehlt der Film kein Ziel und die kinetische, sehr physische Inszenierung der Gewalt bleibt wuchtig anzusehen. Wäre der eben erwähnte Ton nach hinten raus nur ein Ticken pessimistischer, käme er der tragischen Ideologie einer Frau auf adäquatere Weise entgegen, welche das Töten ihre Form von Sicherheit und Verteidigung nennt. Den dargestellten Professionen mangelt es an Konsequenz, um den emotionalen Einschlag auszuüben, auf den die Geschichte in den finalen Minuten hinarbeitet. Sobald als letzter Shot ein abgelegter Schal dem Panorama der Pariser Dächer zu schwebt, geht er nämlich sinnbildlich als eines vieler Objekte der Welt verloren – wie es ihm The Killer im Feld des Actionthrillers gleichtut.

THE KILLER IST AKTUELL (STAND: 08. DEZEMBER 2024) AUF WOW VERFÜGBAR

6.0
Punkte