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Drehbuch: Timo Tjahjanto
Schnitt: Arifin Cu’unk
Kamera: Gunnar Nimpuno
Schauspieler*innen: Joe Taslim, Iko Uwais, Julie Estelle
Land: Indonesien, USA
Sprache: Indonesisch
Länge: 2h1min
Genre: Action, Thriller, Crime
Sich eines plötzlichen Sinneswandels zum Wohle anderer zu unterziehen, ist prinzipiell sehr nobel. Oftmals erfolgt dies jedoch in den ungünstigsten Momenten, die man sich ausmalen kann. Ito (Joe Taslim) stellt das ideale Beispiel dar, denn als seine Waffe auf ein unschuldiges Mädchen gerichtet ist, bringt er es trotz langer Erfahrung im professionellen Töten nicht übers Herz, den Abzug zu betätigen – zumindest nicht in Richtung des Mädchens. Stattdessen vollführt er eine Drehung und vollstreckt mehrere Kollegen, die wie er Teil einer mächtigen Triade sind.
Sodom und Gomorrha
Begeistert sind die übrigen Mitglieder logischerweise nicht und machen nicht nur Jagd auf die verschonte Augenzeugin, sondern auch auf den exkommunizierten Deserteur. Schließlich folgen auf jede Entscheidung Konsequenzen. Durch das spontane Aneignen eines Gewissens entfesselt Ito eine tödliche Spirale der Gewalt, welche sich nur weiter und weiter zum Erdkern durchbohrt. Freunde werden zu Feinden, restliche Freunde werden enttäuscht, verletzt oder beides und eine Narbe nach der anderen findet auf in Mitleidenschaft gezogenen Körpern ihren Platz.
Jeder Schauplatz der Konfrontation wirkt, als habe Gott sich schon lange von ihm abgewandt. Unheilvoll und pessimistisch ist die Atmosphäre, durch welche sich der Protagonist wortwörtlich durchschlägt. Mit seinem Härtegrad stellt The Night Comes for Us eine gewisse Messlatte auf, denn an Blut, gebrochenen Knochen und zerstörten Requisiten wird hier nicht gespart. Wenn eine adrenalingeladene Frau trotz ausgehöhltem Rumpf inklusive aushängender Gedärme dennoch wie wild um sich boxt und tritt, kann man sich seinen Part dazu denken, worauf man sich bei dieser abartigen Suche nach Wiedergutmachung und Rache eingelassen hat.
In kreativen und erbarmungslosen Choreographien wird der Blutverlust zelebriert und regelrecht über Leichen gestiegen. Wenn man Probleme mit übermäßiger Brutalität hat, welche auch gerne über die Vorstellungen des Möglichen hinausschreitet, sollte man um dieses Werk einen großen Bogen machen. Sollte man sich unsicher sein, ob einem das Gezeigte zu sehr auf den Magen schlägt, wird man zu einer hohen Wahrscheinlichkeit spätestens nach der ersten, großen Szene im – als Ort des anfänglichen Gemetzels treffend gewählten – Schlachthaus Gewissheit haben. Darüber hinaus bietet der Film eine Vielzahl an Stereotypen, die einen trotz der Reichhaltigkeit an Prügeleien sowie Schreddereien zwischenzeitlich dennoch daran zweifeln lassen, wofür eigentlich gekämpft wird.
Abgedroschen und abgestumpft
Damit man sich an der Stelle nicht missversteht: Rein konzeptionell gesehen verlangt ein Werk wie dieses nicht unbedingt nach einer ausgeklügelten, strukturiert geschriebene Storyline. Bedauerlicherweise sieht sich das Drehbuch allerdings in der Verantwortung, eine emotional packende Geschichte auf Basis verquerer aber irgendwie doch als Rechtfertigung dienender Charakterbilder zu erzählen. Dies misslingt in Dosierung wie auch letztendlicher Ausführung. Harmonieren tun die Action-Sequenzen mit den dramaturgischen Momenten kaum, da es sich schlichtweg nicht danach anfühlt, als bestünde eine belastbare Verbindung zwischen den beiden Aspekten der Handlung.
Wie gesagt nehmen Action und Brutalität proportional betrachtet viel Raum ein; sogar genug Raum, um das Publikum nicht zu verlieren. Die vollen zwei Stunden merkt man dem Film nichtsdestoweniger an, da die Dialoge und Quintessenz des Narrativs zu generisch und lauwarm daherkommen. Die Dynamik des Feldzuges wird ausgebremst und die ruchlose Wirkung der Gewalt erfährt einen irritierenden Effekt, da man durch die „Pausen“ dazu gezwungen wird, sich nach Antworten auf Fragen zu sehnen, die einem ansonsten nicht einmal in den Sinn gekommen wären. Dadurch tritt ebenfalls eine Kannibalisierung der Szenen ein, in denen Gliedmaßen zertrümmert und verstümmelt werden. Auch wenn die treffsichere Kameraführung und der übersichtliche Schnitt die ultrabrutalen Raufereien begünstigen, zweckentfremdet selbige der Drang, an eine Form von Emotionalität oder Moral zu appellieren.
Deswegen hinterlässt The Night Comes for Us nicht den Gesamteindruck, den die blutigen Höhepunkte alleinstehend hinterlassen würden und unter einer simplifizierteren Ambition auch hätten hinterlassen können. Wenn einem Mann zuerst die Nase per Fremdeinwirkung gerümpft und er anschließend an einen Fleischhaken gehängt wird, ist der Anblick einfach zu stilsicher abstoßend, um es in seiner Intention nicht zu respektieren. Dennoch werden der emotional unzugänglichen Handlung und den leeren Figuren zu viel Tragweite zugetraut, als dass sich Timo Tjahjantos indonesischer Splatter-Actioner auf ein höheres Podest stellen kann. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen – zumindest in Bezug auf den Inhalt dessen, was mit Tinte und nicht mit Blut geschrieben wurde.
THE NIGHT COMES FOR US IST AUF NETFLIX VERFÜGBAR
6.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.