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Drehbuch: Dev Patel, Paul Angunawela, John Collee
Schnitt: Chris Gill, Tim Murrell, Kasra Rassoulzadegan
Kamera: Sharone Meir
Schauspieler*innen: Dev Patel, Sikandar Kher, Pitobash, Sobhita Dhulipala
Land: Kanada, Singapur, USA
Sprache: Englisch, Hindi
Länge: 2h1min
Genre: Action, Thriller
In der indischen Mythologie erzählt man sich von Hanuman, einer hinduistischen Gottheit. Der sogenannte Affenkönig ist im Volksmund für vieles bekannt; unter anderem dafür, dass er immer und überall Hunger hat. Eine Mutter erzählt davon, wie er einst so hungrig gewesen war, dass er eine strahlende Frucht vom Himmel aß, die sich als die Sonne herausstellte. So zog der unbekümmerte und unwissende Vielfraß den Zorn der Götter auf sich und wurde durch das Aufheben seiner Kräfte bestraft. Nachdem der kleine Sohn der Frau fragt, was dann passiert sei, wechselt die Perspektive zu Kid (Dev Patel).
Nichts als Schmerz
Als einer von vielen ohne Mittel oder Referenzen hält er sich in einer asiatischen Metropole mit Boxkämpfen über Wasser. Dort porträtiert er ein Gimmick, das im Business des inszenierten Kampfsportes als “Jobber” klassifiziert wird: Im Prinzip wird er dafür bezahlt, dass er sich mächtig verprügeln lässt und schlussendlich verliert. Kid ist mit Schmerzen vertraut, steckt er doch in regelmäßigen Abständen Schläge und Tritte ein, ohne wahrlich austeilen zu dürfen.
Frustriert und verbittert erfährt der Protagonist einen Sinneswandel, als er sich einen Job bei denjenigen erschleicht, die ihn in seiner Vergangenheit gequält und auf Lebzeiten gebrandmarkt haben. Der defensive sowie resignierte Einzelgänger wechselt in die Offensive und entfacht damit ein Feuerwerk der Gewalt, dessen zündendes Benzin der eigene Zorn darstellt.
Faszinierend ist die Disziplin, welcher er unterliegt. Der Hauptcharakter funktioniert wie ein lose angehängter Boxsack, welcher abgefangenen Schaden reflektiert. Versetzt man ihn durch einen Hieb in Bewegung, chargiert er mit doppelter Kraft zurück. Simple Physik wird zur Metapher für Wut. Dabei widmet sich das Drehbuch der Leidensgeschichte Kids äußerst detailliert und verleiht der Aggression Substanz.
Anders als die anderen
Insbesondere diese inhaltliche Tragweite sorgt dafür, dass Monkey Man im breiten Spektrum des Vigilantenfilmes heraussticht. Keine prüden Kalendersprüche oder oberflächlichen Ungereimtheiten füttern das Motiv des Protagonisten, für jenen führt die Wurzel seines Ärgernisses bis in seine Kindheit zurück.
Gesellschaftliche Missstände, unterbezahlte und unsichere Arbeitsverhältnisse oder auch physischer sowie mentaler Missbrauch — Kid ist in kriminellen und korrupten Gefilden aufgewachsen und hat es satt, dass Macht aus der Unterjochung anderer generiert wird. Doch nicht nur das lässt die Flamme in seinem Herzen lodern, in erster Hinsicht sind es die Vergehen an den ihm lieben Menschen, die an der Skrupellosigkeit anderer zerfallen sind.
Revolutioniert Monkey Man damit das Konzept des Rachethrillers? Keineswegs. Bietet er inhaltliche oder charakterliche Neuheiten? Höchstens in Maßen. Aber macht er aus diesem altbackenen Wunsch nach Vergeltung auf Basis eigener Erfahrungen etwas Persönliches? Ohne Wenn und Aber.
Zwar finden sich leichte Wiederholungserscheinungen in Form langgezogener Trainingsmontagen oder den immer selben Beleidigungen am Arbeitsplatz, nichtsdestoweniger spiegelt exakt diese intensive Dichte an Rekapitulation das Innenleben Kids wider. Tagtäglich wird physisch oder verbal auf ihn eingedroschen, was bei ihm mit der Zeit in Ernüchterung gemündet hat. Sobald man bei konstanter Erniedrigung aber von Ernüchterung spricht, hat man die höchste Form des Schmerzes erreicht.
Je heißer die Glut, desto zehrender der Brand
Dev Patels Regiedebüt ist nicht einzig und allein in seiner narrativen Entschleunigung ambitioniert. Handwerklich entfesselt er ein von Wucht und Schmutz durchtriebenes Inferno des Hasses. Bereits in den ersten Einstellungen, in denen eine Handtasche quer durch schlammige Gassen und menschenüberflutete Gehwege transportiert wird, trieft das Szenario vor Enge und Kriminalität.
Mit den referenziellen Aufnahmen sozialer Problematiken aus der Wirklichkeit übernimmt sich das Skript durchaus, allerdings trifft das gezeichnete Bild der fiktiven Stadt jeden Ton. Atmosphärische, in Rotlicht getränkte Collagen von Clubs und Restaurants, die sich vor Luxus kaum retten können, werden farblosen und winzigen Wohnungen entgegengestellt.
Die Action macht von unterschiedlichen Stilen Gebrauch und ist in ihrer Dosierung ebenso bekömmlich wie auch abwechslungsreich. Mal hat man nahe und ruckartige Aufnahmen im Boxring, wild editierte Schusswechsel, harte und unverschönte Kämpfe mit Pfannen und Töpfen oder sogar eine Flucht aus der Egoperspektive des Protagonisten. Dieses Werk nutzt seine dynamischen Schwenks zur chaotischen Sensibilisierung, jede Kollision entsendet eine Paralyse und muss erstmal abgeschüttelt werden, bevor es weitergehen kann.
Technisch ist dies nicht komplett lupenrein, da es einem zeitweise schwerfallen kann, den Abfolgen und Choreographien zu folgen, Dynamik und Wucht vermitteln diese aber pausenlos. Somit eleviert der Film die Sequenzen zur bittersüßen Belohnung einer gewissen Wartezeit, während dieser schafft es Dev Patel jedoch, das Publikum an seine Figur zu koppeln.
Immerhin hat es einen Grund, dass Kids Geschichte dort beginnt, wo die von Hanuman erzählte aufhört. Er wird zum vermenschlichten Abbild der titelgebenden Gottheit, rächt sich für die Peinigung derer, die ihre besitzergreifende Habgier wie einen Krebs wuchern lassen. Mit seinem Mix aus spiritueller Kultur, innovativer Action und biographischer Hingabe staut Monkey Man seine Wut, wird dabei ohnmächtig und kontert nach dem Erwachen mit einer vielfachen Grimmigkeit.
MONKEY MAN LÄUFT SEIT DEM 4. APRIL 2024 IN DEN DEUTSCHEN KINOS
8.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.