SynopsisCrewDetails
Ein einsamer Herumtreiber, der unter teilweisem Gedächtnisverlust leidet, nimmt einen Job an, um sich um eine psychisch gestörte Frau in einem verlassenen Haus auf einer einsamen Insel zu kümmern.
Regie: Damian McCarthy
Drehbuch: Damian McCarthy
Schnitt: Damian McCarthy
Kamera: Kieran Fitzgerald
Schauspieler*innen: Jonathan French, Leila Sykes, Ben Caplan
Produktionsjahr: 2020
Land: Irland
Sprache: Englisch
Länge: 1h28min
Genre: Horror

Gegen Geld ein paar Tage lang eine verstörte junge Frau in der einsamen süd-irischen Provinz babysitten – der Job, den der Herumtreiber Isaac annimmt, klingt von Anfang an bedenklich. In den nächsten 20 Minuten werden so ziemlich alle roten Flaggen geschwenkt, die man irgendwie in die Luft bekommen kann: Das einsame Haus der jungen Frau Olga, die Nichte von Isaacs Auftraggeber, liegt auf einer mickrigen Insel mitten im Nirgendwo, Isaac offenbart, dass er überhaupt nicht schwimmen kann und er wird aufgrund der panischen Angst von Olga, im Schlaf angegriffen zu werden, in dem heruntergekommenen Haus auch noch an einer dicken Kette angeleint, die im dunklen Keller festgemacht wird. Richtig gelesen. Jeder vernünftige Mensch würde auf der Stelle kehrt machen und den Verlust der Belohnung akzeptieren, und Isaac ist auch kurz davor – doch er bleibt.

Ab dann nimmt Caveat die Form eines Alptraums an. Denn Logik wird häufig überstrapaziert oder bisweilen sogar entzweigerissen, was dem Unheimlichen und Nervenaufreibenden, was Caveat ausstrahlt, nichts nimmt, stattdessen gewinnt er atmosphärisch eher davon – eben wie in einem Alptraum. Tatsächlich steht man am Ende des Films da und stellt fest, wie unbefriedigend das alles eigentlich war. Denn Regisseur McCarthy stellt einem Minute für Minute neue kleine Puzzlestücke in den Raum, die allesamt erfolgreiches Foreshadowing darstellen, nur lässt er Szenen der Auflösung beinahe vollständig aus. Viele, ja, fast alle Fragen werden in Caveat einfach in den Raum geworfen und niemals beantwortet. Viele Puzzleteile scheinen gar einfach nur als falsche Fährte um einen gruseligen Moment zu fördern aufgestellt zu werden, obgleich sie kaum einen Sinn für die eigentliche Geschichte haben. Das trägt zwar wie gesagt zur Stimmung bei, lässt einen aber auch ratlos mit einem merkwürdigen Gefühl zurück.

Diese fehlende Auflösung findet nicht nur plottechnisch, sondern auch inszenatorisch statt. McCarthy verzichtet für seinen Horror größtenteils darauf, die Spannung mit Jump Scares oder erlösender Stimmung zu brechen. Man verbringt teilweise gefühlte Minuten damit, wie Isaac voller Furcht zitternd mit der Taschenlampe durch einen dunklen Raum leuchtet, während der Sound im Hintergrund immer unheilvoller pulsiert. Ähnliche Szenen häufen sich und bleiben ebenfalls immer wieder einfach im Raum stehen, ohne dem Zuschauer Erklärung zu bieten. Dadurch steigert sich die furchteinflößende Atmosphäre gerade in der zweiten Hälfte ins Unermessliche, was selbst bei mir immer wieder Momente auslöste, in denen ich die Hände schützend vor die Augen halten musste. Diese aufgebaute Atmosphäre führt im letzten Drittel dann zu einem Finale, das dem Wort und dem Genre als Ganzes zweifellos gerecht wird.

Interessant ist dabei, dass McCarthy, wohl auch aufgrund des extrem geringen Budgets (350.000$) seines Langfilmdebüts, für diesen Effekt auf den Zuschauer eigentlich nur bekannte, fast schon klischeehafte Stilmittel einsetzt. Von der unheilbringenden Musik über das einsame Haus im Nirgendwo, den draußen angeleinten Hund, dem gruseligen Keller und dem gestörten Mädchen. Der Höhepunkt des Grusels ist sogar ein einfaches Spielzeug: Ein Plüschhase, der wie besessen auf der kleinen Trommel in seinen Pfoten herumschlägt. Dieses “Kuscheltier” ist ein gutes Beispiel für zweierlei Dinge. Zum einen, dass man für effektiven Horror kein groß angelegtes Budget-Feuerwerk braucht, und zum anderen für das interessante Verhältnis von Caveat zur Übernatürlichkeit, durch das der Zuschauer stets im einsamen Gang zurückgelassen wird und selbst entscheiden darf, wie er das Gesehene jetzt bewerten kann.

Nichts ist so wie es scheint in Caveat. Am Ende geht man aus dem Kino mit einem merkwürdigen Gefühl, ein Amalgam aus anhaltender Furcht, Verwirrung, Sinnessuche und fehlender Befriedigung. Der ganze Film fühlt sich an wie eine langwierige Traumsequenz, die sich der realen Welt zu entziehen scheint, aber auch irgendwie wahr sein könnte und bevor die Fragen nach den verwirrenden Dingen, die in dem Traum passieren, beantwortet werden können, wacht man auf. Dadurch wird Caveat zu einem weirden, aber effektiven Film, der seine Stimmung erstklassig aufbaut und niemals fallen lässt. Hätte die Geschichte etwas mehr Fundament gehabt und mehr Themen aufgebaut, wäre Caveat ein meisterlicher Film – aber auch so ist es ein bemerkenswertes Regiedebüt.

Caveat war im Rahmen der Fantasy Filmfest Nights XL zu sehen.

7.0
Punkte