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Drehbuch: Lawrence D. Cohen
Schnitt: Paul Hirsch
Kamera: Mario Tosi
Schauspieler*innen: Sissy Spacek, Piper Laurie, Amy Irving, William Katt
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h38min
Genre: Horror, Thriller
Carrie White (Sissy Spacek) durchlebt das Schicksal, welches den meisten Frauen in ihrem jungen Alter widerfährt: Sie bekommt ihre Periode. Dies wäre trotz ihrer panischen Reaktion vielleicht nur halb so wild, würde es nicht ausgerechnet vor ihren Mitschülerinnen in der Dusche passieren. Jene haben Carrie ohnehin schon auf dem Kieker, tragischerweise füllt sie das Klischee des unbeliebten – weil introvertierten – Prügelknaben aus, der täglich den Frust der Klasse auf sich zieht. Nach diesem Ereignis sucht sie Beistand bei ihrer Mutter Margaret (Piper Laurie), doch anstatt ihre Tochter wie eine empathische Beschützerin zu trösten, sperrt sie selbige lieber in einer kleinen Kammer ein. Dort soll sie über ihre Sünden nachdenken und zu Gott beten; ein Appell ihrer streng frommen Schöpferin, dem sie nachgiebig gehorcht – auf Dauer jedoch mit teuflischen Folgen.
Zwei Körper bangen um eine Seele
Angst und Zweifel machen sich im Alltag der Protagonistin breit. Das Drehbuch präsentiert die Paranoia der Hauptcharakterin gegenüber der eigenen Peergroup, denn weder auf emotionaler noch sozialer Ebene vertraut Carrie ihren gleichaltrigen Artgenossen. Zu oft wurde sie durch ihre Hänseleien physisch wie auch mental gequält und hat als Konsequenz einen Schutzwall um sich errichtet, der sie von ihrer Lebenswelt abschirmt. In einer Szene fragt ein Mitschüler, ob sie ihn als sein Date zum Abschlussball begleiten wolle. Wenige Sekunden in der Konversation flüchtet sie vor ihm, da sie abermals von einem gezielten Angriff ausgeht. Auch außerhalb des inhaltlichen Kontextes der Storyline offenbart dieser Moment ganz eindeutig, wie weit das psychosoziale Trauma Carries bereits vorangeschritten ist. Kaum ein Wort kann sie mit einem Menschen ihrer Altersgruppe wechseln, bevor der Instinkt ihr zu Distanz rät.
Allerdings äußern sich die Sorgen um Carrie nicht einzig und allein über ihre Perspektive. Auch ihre Mutter hat das eskalative Potenzial von den Schikanen lange erkannt, denen ihre Tochter ausgesetzt wird. Trotz der schwierigen Beziehung der beiden wird dem Publikum ein intimerer Blick gestattet, der den häuslichen Umgang in ein doppelkegliges Licht rückt. Zwar beobachten wir einen klaren Fall von Kindesmissbrauch, wenn Margaret ihr eigen Fleisch und Blut ohrfeigt und zum Abkühlen in einen Raum einsperrt, aber die Motivation dahinter ist wesentlich komplexer als ihre Taten. Nicht etwa nur die schmerzhaften Scherze und Sticheleien gegen Carrie wühlen sie auf, sondern auch die Angst davor, dass ihr Kind eines Tages erwachsen wird und auf dem Weg dorthin die falschen Entscheidungen trifft. Beispielsweise redet Margaret ihr kurz vor dem Ball ein, dass jede Person als Feind agiert, damit sie keinesfalls das Haus verlässt. Hier will sie sich wie auch Carrie schützen, weil ihre Sicherheit von der Aktualität des Verhältnisses bestimmt wird – Orientierung zu geben und dadurch selbst Orientierung zu gewinnen.
Eine alte Rivalität
Inmitten des High-School-Wahnsinns erzählt die filmische Adaption von Stephen Kings erstem Romanden Alptraum eines jeden Heranwachsenden und inszeniert das Mobbing der anfänglich noch wehrlosen Figur als einen höllischen Folterparkour. Penetrante Close-ups zeigen auf schadenfrohe Fratzen, ausströmend ein hasserfülltes und missgünstiges Gelächter, während mit jedem Frame mehr und mehr am Lautstärkepegel gedreht wird. Wahre Furcht muss nicht ausschließlich auf Gespenster und Dämonen bezogen werden, denn hiertragen die Monster menschliche Gesichter und jagen es einem dabei eiskalt den Rücken runter. Wer bei Brian De Palmas Kultklassiker also eine Ansammlung genretypischer Tropen erwartet, soll überrascht werden, denn bei Carrie – Des Satans jüngste Tochter handelt es sich vielmehr um ein Charakterdrama, welches seine Horrorelemente als thematischen Unterbau benutzt.
Diskrepanzen zwischen Gott und Satan werden aneinander gewetzt und in einem radikalen Finale vollkommen demontiert. Dies wirkt nicht besonders schaurig oder erfolgt subtil, hat in seinem diabolischen Pay-off aber den nötigen Biss, sodass man sich anhand des Szenarios weiterhin mit den in der Geschichte dargelegten Parteien beschäftigen kann und Ironien entblößt. Zwischen Engeln und Teufeln lässt sich zu keinem Zeitpunkt differenzieren, denn jedermanns Sünden wiegen in dieser Erzählung schwer. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto weniger fehlerfrei wirken selbst die sympathischeren Charaktere und am Ende wird eine relativ alte Maxime zum Leitmotiv des Klimax: Am Ende des Tages bekommt ein jeder, was er verdient – inwiefern sich dieses Verdiente zeigt, liegt aber praktisch immer bei wem anders.
8.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.