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Ein Fotojournalist sucht verzweifelt nach der Wahrheit über die Erstbesteigung des Mount Everest, bei der ein geschätzter Bergsteiger spurlos verschwand.
© TMDB
Regie: Patrick Imbert
Drehbuch: Baku Yumemakura, Jirô Taniguchi, Patrick Imbert, Magali Pouzol
Schnitt: Camille-Elvis Thery
Art-Direktion: David Coquard-Dassault
Schauspieler*innen: Éric Herson-Macarel, Damien Boisseau, Elisabeth Ventura
Produktionsjahr: 2021
Land: Frankreich, Luxemburg
Sprache: Französisch
Länge: 1h35min
Genre: Abenteuer, Animation

Zum höchsten Punkt der Erde

Sobald man bei einem Hobby von einer Leidenschaft sprechen kann, ist dieses es wert, nachempfunden zu werden. Woraus schöpft man den Antrieb, einer Begeisterung nachzueifern und sich ihr bedingungslos hinzugeben? Besonders bei einer Aktivität wie der des Bergsteigens. Unerreichbar wirkende Höhen, nicht abwendbare Ermüdung des eigenen Körpers, die stetige Gefahr des Fallens — hohes Risiko, kein Profit. Thematisch hat sich Gipfel der Götter – im Originaltitel auch als Le Sommet des dieux bekannt – hiermit eine der eigensinnigsten und intensivsten Sportarten als zentrales Handlungselement ausgesucht.

Der gefürchtete Mt. Everest soll erklommen werden — der höchste Berg der gesamten Welt. Es ist mehr als bloßer Wettkampfgeist, wenn man sich der Eroberung seiner gigantischen Größe verschrieben hat. Letztlich mag man möglicherweise nicht mehr zwischen Sollen und Wollen unterscheiden können, wenn ein Prozess mehr Obsession als Aufgabe darstellt. Diese ist eine der Fragen, mit denen sich Gipfel der Götter auseinandersetzt: Warum setzt man sich solchen Fährnissen aus? Das Urteil des bloßen Auges ist deutlich: Man hat nichts zu gewinnen und alles zu verlieren. Gerade deshalb bleibt die inszenatorische Mystik dieser Aktivität im Film relativ lange auch unheimlich spannend.

Zahlreiche, den Adrenalinpegel ankurbelnde Höhepunkte reihen sich aneinander. Der Eispickel sitzt nicht tief genug und schon verliert man seinen überlebenswichtigen Halt. Dreht man die Eisschraube nicht richtig rein, lässt sich der Karabinerhaken nicht schnell genug befestigen. Eine konstante Präsenz des nahen Todes wird vermittelt und durch eine Handvoll an äußerst konsequenten Szenen auch eindrucksvoll visualisiert. Gipfel der Götter sorgt für schonungslosen Nervenkitzel und Respekt seitens des Publikums gegenüber dem Terrain, in welchem es sich beim Schauen befindet.

Fehlender Sinn

Mit atemberaubenden Bildern und epischer Musik weiß der französischsprachige Animationsfilm, welcher von der gleichnamigen Manga-Serie von Jiro Taniguchi – welche wiederum auf dem Roman von Baku Yumemakura basiert – adaptiert wurde, einen einnehmenden und beklemmenden Effekt auszuüben. Einschüchternd sind die Panoramen über das verschneite Ödland, einfühlsam sind die poetischen Einstellungen der Kamera. Deswegen ist es bedauerlich, dass die Narrative die hochgegriffenen Intentionen der Thematik nicht ähnlich erfassen kann.

Trotz permanenten Interesses am Geschehen, wird der Konflikt nicht ausdrucksstark genug transportiert. Um die Gedanken und Emotionen der Figuren in Bezug auf das innere Dilemma und die aufgezeigten Grenztests deuten zu können, fehlt es an greifbaren Metaphern oder Symboliken. Eine trübe Mimik seitens der Charaktere reicht da nicht. Man will die gestellten Fragen entschlüsseln und sich dem Kern hinter der geballten Pracht nähern — das Nachempfinden einer Leidenschaft oder des Größenwahns.

Deshalb fühlt sich das Erlebnis hinter dem wahnsinnig faszinierenden Subtext bei aller Bildgewalt erstaunlich leer an. Erst zum Ende hin entscheidet sich Gipfel der Götter dazu, ein bisschen – und leider auch nur ein bisschen – auf den Akt der einen verschlingenden Passion einzugehen. So ist die Pointe definitiv smart, zeitgleich aber auch arg ernüchternd. Davor bewegt man sich erzählerisch zwischen nichtssagenden Rückblenden und verbalen Berichten des Vorhabens. Haften bleiben tut es also an einem selbst, ob die wunderbare Audiovisualität und der harte Spannungsgrad genügen, um sich in der Story orientieren zu können. Der eine wird die Intentionen von Gipfel der Götter auf Anhieb erkennen und als Konsequenz mitgerissen und bewegt werden. Der andere hingegen sucht auch nach dem Abspann über den philosophischen Ansatz hinaus nach der Antwort, ob es das alles wert war.

“Wandern. Bergsteigen. Mehr Bergsteigen. Immer höher. Und wofür?”

GIPFEL DER GÖTTER IST SEIT DEM 30. NOVEMBER 2021 AUF NETFLIX VERFÜGBAR

6.0
Punkte