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Als unehelicher Sohn einer afrikanischen Sklavin und eines französischen Plantagenbesitzers steigt Bologne in der französischen Gesellschaft zum gefeierten Violinisten, Komponisten und Fechter auf, bis hin zu einer unglücklichen Liebesaffäre und dem Zerwürfnis mit Marie Antoinette und deren Hofstaat.
© TMDB
Regie: Stephen Williams
Drehbuch: Stefani Robinson
Schnitt: John Axelrad
Kamera: Jess Hall
Schauspieler*innen: Kelvin Harrison Jr., Samara Weaving, Lucy Boynton
Produktionsjahr: 2022
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h47min
Genre: Drama, History, Music

Wolfgang Amadeus Mozart (Joseph Prowen) genießt einen Galaempfang in noblen Kreisen. Schließlich ist es als renommiertester Komponist seiner Zeit nur rechtens, dass er in einem Etablissement dieses Karats verkehrt. Wie er es gewohnt ist, darf er das Publikum mit seiner Anwesenheit und dem unvergleichlichen Genie beehren, das er auf musikalischer Ebene mit sich bringt. Jedoch verläuft die Sternstunde nicht wie erdacht, denn während er sich als Violinenvirtuose zum Besten gibt, steigt ein uneingeladener Fremder zu ihm auf die Bühne.

Undenkbar ist die Konfrontation, denn bei besagtem Fremden handelt es sich um einen dunkelhäutigen Jungspund, der allen Ernstes mit einer Forderung daherkommt: ein Duell der Streichinstrumente gegen den einzig wahren Prinzipal des Orchesters. Mozart belächelt das Anliegen des Mannes, freut sich förmlich auf den sicheren Sieg gegenüber einem dahergelaufenen Taugenichts.

Doch das Unmögliche geschieht: Der unscheinbare Herausforderer improvisiert Rhythmen und Melodien, liefert sich einen symphonischen Wettbewerb mit einem als unschlagbar deklarierten Gegner und stampft ihn im Beisein aller in Grund und Boden. Plötzlich gilt der Applaus nicht mehr der geplanten Attraktion des Abends, vielmehr werden die Observateure Kronzeugen eines inoffiziellen Talents — Vorhang auf für Joseph Bologne (Kelvin Harrison Jr.), Chevalier de Saint-Georges.

Inszenatorisches Fortissimo

Chevalier zelebriert die Konfrontation mit Standards, denen man auf dem Papier nicht gewachsen sein sollte. Musik ist schon lange keine Freizeitbeschäftigung mehr, sondern eine intellektuelle Form der Kunst und des Erzählens imaginativer Geschichten. Alle bekannten Namen gingen an der Aufgabe zugrunde, Mozart im musikalischen Kampf zu bezwingen. Wie will man dieser Klasse das Wasser reichen? Vielleicht braucht es zur Abwechslung mal keinen Namen, den jeder kennt. Die Geschichte von Joseph Bologne ist eine Underdog-Story, wie sie im Buche steht.

Als unehelicher Sohn einer afrikanischen Sklavin wird Joseph in klar eingeteilte Verhältnisse geboren. Zu einer Epoche, wo Menschen von dunkler Hautfarbe mit einem ethnischen Nachteil gebrandmarkt sind, ist seine Biographie anhand der gesellschaftlichen Konventionen gemessen bereits geschrieben. Jedoch sieht ihn sein Vater – ein französischer Plantagenbesitzer – zu Höherem bestimmt, ist er doch immer noch der Sohn eines angesehenen, waschechten Franzosen. Schnell kann Joseph sämtliche Persönlichkeiten mit seinen Talenten überzeugen; unter anderem sogar Marie Antoinette (Lucy Boynton), die Königin von Frankreich.

Mit welcher Überzeugung und Leichtfüßigkeit sein Werdegang präsentiert wird, spiegelt sich in jeder Einstellung wider. Der Film wirkt vollkommen aus der Zeit gegriffen, punktet dabei durch die makellose Ausstattung mit strahlender Authentizität und charakterisiert sich als episches Manifest. Wenn der Protagonist zwischen mit feinsten Verzierungen bedeckten Tischen hindurch schreitet, vor denen vergoldete Stühle stehen, spürt man den Aufwand, der in die Bilder geflossen ist. Klatschende, in den teuersten Schmuckstücken und Kleidern steckende Nabobs bestaunen seine Fähigkeiten und gewähren einem das Erhaschen des Echtheitsgefühles, in das der Film einen pausenlos eintauchen lässt.

Innovatives Decrescendo

Als Biopic mit historischen Bezügen und der Vorhersehbarkeit der Ereignisse verläuft das Werk im Gegensatz zu seinen handwerklichen Reizen aber etwas gehetzt und geradlinig. Zwar werden die zum Jahrgang zugehörigen Kontexte oft aufgegriffen und mit Einstellungen von rasenden Menschenmengen visualisiert, die über Unzufriedenheiten klagen und auf offener Straße eine Revolution einleiten, erfahren jedoch kein großes Gewicht. Durchaus zünden die Höhepunkte, das Besondere sucht man dennoch vergebens.

In erster Linie handelt es sich nun mal um das Abbild des Mannes, der auf dem Cover die Violine zückt, allerdings möchte der Film neben seinem Werdegang auch seinen Einfluss auf die geschichtlichen Geschehnisse und folgenden Umstände schildern. Letzteres gelingt durch die stereotype sowie rapide Verwendung von Szenen, in denen aufständische Geistige über die Disparitäten des Sozialwesens debattieren oder die abweisenden Weckrufe des dekadenten Apparates gegenüber Josephs Herkunft illustriert wird, in einem Maß, welches eher einer Notwendigkeit unterliegt.

Hier fehlen individuelle Nuancen, die selbige Momente aus dem breiten Feld der Missstandskritik hervorheben. Durch den Hauptcharakter wird der Film dem Beititel „The Untold Story“ gerecht. Denn es stimmt: Die hier erzählte Geschichte kennt niemand. Den Film dahinter, seine Motivation und die Auseinandersetzung mit den Subjekten, hat man hingegen schon mehrfach gesehen.

Doch auch altbekannte Formeln behalten ihren Wiederverwendungszweck, wenn sie gekonnt umgesetzt sind. Für eine strengere Abstrafung ist die Inszenierung der charismatischen Figuren zu lebensecht, die Darstellungen des Ensembles zu intensiv und das dramaturgische Gespür von Williams Regieführung zu treffsicher. Man kennt Filme wie Chevalier, nichtsdestoweniger versteht er es wie die Titelfigur sehr gut, ein Publikum mitzureißen.

CHEVALIER IST SEIT DEM 16. JUNI 2023 BEI DISNEY+ VERFÜGBAR

7.0
Punkte