Howard Ratner (Adam Sandler) ist Inhaber eines Juweliergeschäfts in der 47th Street im Diamantenviertel von New York City, ganz in der Nähe des Times Square. In seinem Geschäft gibt es eine Reihe von Verkaufsständen und privaten Showrooms, in denen Spezialisten den Großteil der Edelsteinverkäufe der Stadt abwickeln. Jeder in dieser traditionell jüdischen Enklave scheint den allseits beliebten Howie zu kennen. Im Jahr 2012 erwartet Howard die Lieferung eines großen, schwarzen Opals aus Äthiopien, von dem er glaubt, dass er mindestens eine Million Dollar wert ist. Als er diesen nach der Lieferung Kevin Garnett zeigt, einem Basketball-Spieler der Boston Celtics, der von dem Makler Demany (Keith Stanfield) in sein Geschäft geführt wird, würde der diesen am liebsten kaufen, in der Hoffnung, bei seinem nächsten Spiel wieder etwas mehr Glück zu haben, wäre er im Besitz dieses Steins. Howard möchte den Opal nicht verkaufen, sondern bei einer Auktion am folgenden Montag versteigern, erlaubt Garnett jedoch, diesen über Nacht mit nach Hause zu nehmen…

Manche von euch haben vielleicht letzte Woche meine Meinung zu 1917 gelesen. Mein größter Kritikpunkt an dem Film war, dass er dem Prinzip Form follows Function nicht gefolgt ist, die Inszenierung war nicht dazu da, um die Erzählung des Films zu unterstützen, sondern andersherum. Nicht mal eine Woche später erscheint Uncut Gems, der Originaltitel von Der schwarze Diamant, in Deutschland auf Netflix und zeigt in genau diesem Punkt, wie man es richtig macht. In Uncut Gems folgt man dem Juwelier Howard Ratner, ein Mann, der in völligem Stress lebt, laut, cholerisch, hektisch, hinterlistig und ängstlich ist sein Leben. Er hetzt durch seinen Alltag, verliert ständig seine Fassung, schreit, flucht und stolpert ständig über selbst zu verantwortende Missgeschicke. Genau nach den Eigenschaften und dem Leben ihres Protagonisten inszenieren die Safdie-Brüder ihren Film. Ständig schreien Menschen durcheinander, ständig durchbricht etwas die Eigenständigkeit der Szene, ständig verwickeln sich die einzelnen Erzähl-Stränge auf unglaublich anstrengende Weise. Der Zuschauer bekommt keine Pausen, wird ständig von Szene zu Szene gehetzt und fühlt sich am Ende der zwei Stunden erschöpft und erleichtert. Es ist geradezu anstrengend, sich Uncut Gems anzuschauen, was bei den meisten anderen Filmen ein Todesurteil wäre. Hier ist es jedoch die große Meisterleistung der Regisseure. Denn Howard Ratner steckt wirklich in jeder Pore dieses Films, man spürt das Chaos seines Lebens, das Aufbrausen seines Gemüts überall. Die Bilder, die Kameraschwenks, das Sound Design. Alles dient dazu, dass sich Uncut Gems anfühlt, als würde man für einen Tag selbst in die Haut von Howard gesteckt werden. Wir stecken fest in seinen Synapsen, erleben alles mit und freuen uns, wenn wir am Ende wieder wir selbst sind.

©Netflix Inc.

Dadurch schafft man das Kunststück, einem eigentlich ziemlich unausstehlichen Charakter die Daumen zu drücken. Sandler spielt einen Choleriker, einen Mann, dem der Stress ins Blut übergegangen ist, einen Mann, der in seiner Gier versinkt. Er nutzt alles, was ihm in seiner verzerrten Wahrnehmung sinnvoll erscheint, um möglichst schnell an Geld zu kommen. Geld, Gold, Edelsteine und wie man dran kommt. Um mehr dreht sich Howards Kopf nicht. Ob er dafür Minenarbeiter in Nigeria um wertvolle Opale betrügt oder absurde Sportwetten eingeht, wenn er ein gutes Geschäft riecht – er macht es. Dummerweise gehen lange nicht alle davon gut. Um genau zu sein, stolpert Howard von Missgeschick zu Missgeschick, von Schuldenfalle zu Schuldenfalle. Und genau da tritt die inszenatorische Finesse der beiden Regisseure auf den Plan. Dadurch, dass wir über die Laufzeit hinweg im Prinzip selbst Howard Ratner sind, hoffen wir trotzdem immer und immer wieder, dass er sich irgendwie aus den immer schlimmer miteinander verworrenen Sackgassen, in die er sich verläuft, herauswinden kann. Ständig drückt man ihm die Daumen, obwohl man ihn eigentlich kaum ausstehen kann.

Das liegt aber nicht nur an der Inszenierung, sondern auch an Adam Sandler. Dass Sandler was drauf hat und weit mehr Dimensionen zu zeigen hat als billige Netflix-Romcoms ist den meisten Filmliebhabern mittlerweile bekannt. Die Genialität an Sandlers Schauspiel liegt in Uncut Gems dabei, dass er es schafft, seinem Charakter immer wieder dieses gewisse Stückchen Menschlichkeit zu geben, die man sehen muss, um wirklich Sympathie für ihn empfinden zu können. Egal, wie sehr Adam Sandler uns auf die Nüsse geht, wenn er wieder Menschen anschreit oder während eines Gesprächs gefühlt drei Telefonate gleichzeitig führt, am Ende fühlt man durch eben diese menschliche Aura, die er ausstrahlt, mit ihm mit, wenn wieder irgendetwas schief geht.

Ein weiteres Kunststück, dass Josh und Benny Safdie gelungen ist, ist es, die zahlreichen Plotlines, die das chaotische Leben Ratners bestimmen, zu einem komplexen, aber doch übersichtlichen Spinnennetz zu spinnen, aus denen er sich einfach nicht loslösen kann, weil sie eben so komplex und verworren sind. Alles arbeitet einfach wie geölt zusammen, ohne dabei seinen Fokus zu verlieren. Der Opal, dessen Existenz alle Geschichten in Uncut Gems durchdringt, stellt die Hauptthematik des Films in einer Metapher perfekt dar. Der Edelstein findet immer seinen Weg, jede Geschichte mit den Themen des Films zu durchdringen. Schwierig, eine Schwäche in diesem unglaublich gut durchdachten Drehbuch zu finden.

©Netflix Inc.

Uncut Gems ist ein Meisterstück. Durch seine auf den Punkt gebrachte Inszenierung, das starke Schauspiel und das komplexe Drehbuch setzt sich hier ein extrem spannendes, beklemmendes, stressendes, fast schon klaustrophobisches Werk zusammen, das eine einzige Erfahrung ist. Uncut Gems strahlt eine unglaublich Energie aus, ein nicht zu verkennender Spirit, dabei folgt jede Sekunde des Films einer perfekt durchgezogenen Vision. Es ist ein Film, über den man stundenlang reden könnte und das ist das wohl größte Kompliment, was man in diesem Medium machen kann.