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Drehbuch: Todd Phillips, Scott Silver
Schnitt: Jeff Groth
Kamera: Lawrence Sher
Schauspieler*innen: Joaquin Phoenix, Lady Gaga, Brendan Gleeson, Catherine Keener, Zazie Beetz
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h18min
Genre: Thriller, Crime, Drama
Fünf Jahre ist es nun her, dass Joker in die Kinos kam und für Furore sorgte. Zwar waren die zahlreichen Lobeshymnen etwas übertrieben, jedoch muss man den Film dennoch vor den zahlreichen, teils konservativen Stimmen in Schutz nehmen, die behaupteten, Joker sei eine Gefahr für die Gesellschaft. Die negative Kritik ging weit über bloße Kunstfeindlichkeit hinaus und zeigte, wie viele Menschen in unserer Gesellschaft amoralisches Verhalten und Gewalt in der Kunst nicht richtig einordnen oder zumindest differenzierter an solche Themen herantreten können. Diese Erkenntnis ist ebenso erschreckend wie faszinierend.
So kann man Joker zwar einiges vorwerfen, doch allein schon, um den gesellschaftlichen Diskurs dahinter zu beobachten, hat der Film seine Daseinsberechtigung. Wenn Todd Phillips also eines erreicht hat, dann ist es, eine Comicfigur neu zu hinterfragen und einen Hybrid zu erschaffen, der sich zwar stark an einige Scorsese-Klassiker anlehnt, die Provokation dieser Vorlagen aber gut in die Gegenwart projiziert.
(K)ein Musical…?
Wie bei erfolgreichen Filmen üblich – und Joker hat damals ja wirklich jegliche Erwartungen übertroffen – kommt nun nach fünf Jahren eine Fortsetzung. Heiß wurde darüber diskutiert: Ist es nun ein Musical oder nicht? Das Studio sagt dies, die Macher sagen das. Die Trailer ließen höchstens durch die pompösen Kulissen auf ein Musical schließen, waren inhaltlich jedoch recht vage.
Klar ist: Joker: Folie à Deux ist ein Musical, allerdings kein gelungenes. Die Musikeinlagen treiben die Geschichte nicht voran, sondern verlängern den ohnehin schon sehr langen Film nur unnötig. Es gibt vielleicht ein oder zwei gute Momente seitens Lady Gaga, die ja wirklich singen kann, doch Joaquin Phoenix, beeindruckend in seinem Method Acting – wenn er mit verbogenen Gelenken durch die Szenerie schlurft – ist eben kein Sänger und das ist gut hörbar.
Doch wäre das nur das einzige Problem. Phillips schafft es nicht nur, die Idee eines Musicals gegen die Wand zu fahren, sondern er reagiert auch auf seinen ersten Teil äußerst unehrlich. Als hätte er entweder seinen eigenen Film falsch verstanden oder sei von der konservativen Kritik so eingeschüchtert, dass er sich dazu entschieden hat, alles zu revidieren, was er damals erschaffen hatte.
Ein großes „Was bisher geschah…“
Was erzählt uns Phillips hier? Arthur Fleck sitzt nach den Taten des Vorgängers im Arkham Asylum und wartet auf seinen Prozess. Dort bekommt er die Möglichkeit, bei einem Chor mitzumachen – was angesichts des Musicalaspekts ohnehin schon absurd wirkt – und trifft auf Lady Gaga in der Rolle der Lee Quinzel. Er verliebt sich, beginnt darüber zu singen und das Einzige, was dann noch hinzukommt, ist die Anhörung, die die komplette zweite Hälfte des Films dominiert.
Inhaltlich ist das allerhöchstens ein Rückblick auf Vergangenes, bei dem wir ein paar Figuren aus dem ersten Teil wiedersehen, die einem das Geschehene einfach noch einmal rezitieren. Was damit ausgedrückt werden soll, bleibt unklar. Noch absurder wird der Gedanke, dass es Previews in Form eines Double Features gab und manche armen Zuschauer nach zwei Stunden Laufzeit auf den zweiten Teil gewartet haben, nur um dann nochmal die gleiche Geschichte zu erleben.
Fragen, die sich keiner gestellt hat
Das i-Tüpfelchen ist, dass Phillips offenbar eingeknickt ist oder gar keine Lust hatte, seine Figur aus dem ersten Teil ernst zu nehmen. Ja, zumindest versucht er hier etwas, auch wenn dieses Etwas eher ein Irgendwas bleibt, das auf Unverständnis stößt. Er scheint aus dem Joker eine zweite Persönlichkeit machen zu wollen, die in Arthur lebt, oder möchte sich diese Option zumindest offenlassen. Arthur wird so zu einem armen Opfer der Gesellschaft, das nicht verkraftet, was ihm widerfahren ist und auf seine andere Persönlichkeit zugreifen muss. Aber gab es diesbezüglich überhaupt Fragen, die es sich lohnen beantwortet zu werden? Wenn das die Daseinsberechtigung für diesen zweiten Teil gewesen sein sollte, ist der Film nichts weiter als ein Armutszeugnis.
Joker: Folie à Deux ist ein mutiger Film, insofern Phillips es schafft, einige Zuschauer erneut zu verärgern, aber auch in vielerlei Hinsicht sehr feige und unehrlich zu sich selbst. Mehr ein Hirngespinst, eine Art Fanfiction als alles andere. Vermutlich ist dies der wahrhaftige gescheiterte Film des Jahres und ein faszinierendes Beispiel für ein klassisches „Naja, immerhin haben sie etwas versucht“.
JOKER: FOLIE Á DEUX LÄUFT SEIT DEM 3. OKTOBER 2024 IN DEN DEUTSCHEN KINOS
4.0 Punkte
Joker: Folie à Deux - Review
David
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.