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Drehbuch: Ti West
Schnitt: Ti West
Kamera: Eliot Rockett
Schauspieler*innen: Mia Goth, Elizabeth Debicki, Bobby Cannavale, Michelle Monaghan
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h45min
Genre: Horror, Crime, Mystery
Die Buchstaben des Hollywood Signs thronen am Horizont von Los Angeles über allem. Im bürgerschaftlichen Leben symbolisiert das Logo den Olymp, dessen Erreichen so etwas wie göttliche Intervention verlangt. Für Maxine Minx (Mia Goth) soll besagter Olymp das Limit sein, in ihren Augen reichen harte Arbeit und ein gewisses Talent, um an der heiligen Tafelrunde des Schauspielbusiness seinen eigenen Sitzplatz einzufordern.
Nach all den tragischen Ereignissen in der Vergangenheit steht ihr laut eigener Aussage nicht weniger zu – etwas, das sie als Kind schon zu sagen pflegte. Doch das Schicksal hat andere Pläne, als der sagenumwobene „Night Stalker“ – ein noch profilloser Serienkiller – seine Aufmerksamkeit auf Maxine gelenkt zu haben scheint. Obwohl wesentlich mehr auf dem Spiel steht, ist sie in erster Linie um ihre Karriere besorgt, weswegen sie alles Nötige tut, um als hellster Stern am Himmel aufzuklaren.
Eine Killerstimmung…
Nicht nur ist die Geschichte auf dem Zeitstrahl der Filmepoche in den 80er-Jahren angesiedelt, Ti West gewährleistet, dass das Publikum regelrecht mietfrei in ihnen unterkommt. Als Mann für große Bilder hat sich der eingefleischte Horrorenthusiast schon längst bewiesen, nicht viel weniger zelebriert er als Fan des Genres sämtliche Szenarien und kocht nostalgische Schauplätze zu einer nahrhaften Brühe auf. Autogase und Kanalisationsdämpfe füllen die Lungen der Passanten, heiße Nässe läuft in die Gassen und Kleider machen Leute, die auf einem Kostümball nicht weniger gut aufgehoben wären.
Inszenatorisch feuert West eine Authentizität ab, durch die sich die schwitzige Atmosphäre beinahe vollkommen autonom einpendelt. Ein körniger Filter auf jeder Einstellung setzt dem Ganzen noch die Krone auf: MaXXXine atmet Meilensteine des Slashers, verbildlicht sich als Blaupause der Nische und elementarisiert die präsentierte Stadt als pulsierendes Herz. Als Beispiel genügt die Videothek eines Freundes der Protagonistin, in dem zahlreiche VHS-Kasetten die Regale schmücken. Von B-Movie-Perlen bis hin zu pornographischen Inhalten ist alles vertreten und versprüht den Zeitgeist wie ein penetrantes Deodorant, das dennoch zu wohltuend riecht, um es nicht aufzutragen.
Inmitten dieses unschlagbaren Vibes treibt eine Bedrohung ihr Unwesen, die ebenso mysteriös wie unheilvoll daherkommt. Man erfährt nicht viel vom maskierten Unbekannten, der seinen Opfern in Lederjacke, Lederhandschuhen und Fedorahut nachstellt. Wenn er die Hauptcharakterin aber durch eine einseitige Glasscheibe beobachtet von seinen Trieben und Empfindungen dermaßen übermann wird, dass er ein Holzbrett aus seiner Verankerung reißt, schindet das eine spezifische Intensität. Ständig im Schatten eines mörderischen Psychopathen zu stehen, ist wirkungsvoll und genauso wird die Ambition des Genres hier verkörpert. Leider wickeln sich mit dem Verlauf der Handlung die Intentionen der Erzählung auf, denn von der Optik abgesehen sind die Ambitionen in der Theorie höher, als in der Umsetzung.
…und der Stimmungskiller
Wie vorher erwähnt, hat der Regisseur einfach das Händchen für Bilder, die einem im Geiste des Horrros im Kopf bleiben wollen. Nachdem er in Pearl bewiesen hat, dass er seinen Stil auch zugunsten einer psychologischen Tiefe verwenden kann, bricht dieses Werk ähnlich wie X nach hinten raus mehr und mehr wie ein alterndes Schneckenhaus auf. Illustrationen von freizügigen Arbeiten, Diskussionen über mediale Reichweite und Aussagekraft sowie Demonstrationen von religiösen Gruppen gegen satanistische Skripte mischen sich zu einer Vielzahl an Thematiken, die die damalige Realität aufschütteln, bis es überschäumt.
Wenn der Schaum das Wasser jedoch verlässt, verblasst der reinigende Effekt. Deswegen bleiben die eben benannten Aspekte lediglich Ansätze, die im Raum stehen gelassen werden und verpuffen. So ist der Monolog der im Film als Regisseurin tätigen Exzentrikerin durchaus interessant, wenn sie über die missachteten Potenziale von Horror als metaphorisches Werkzeug und Kunstform spricht. Ihren Worten wird aber nur geringfügig Bedeutung gegeben, wenn Maxine kurz darauf in eine recht generische Verfolgungsjagd gerät.
Als Hommage auf den Giallo kann sich MaXXXine dementsprechend nicht von den klassischen Kritikpunkten freikaufen, wenn das Pacing so rasant angezogen ist, dass die vielversprechenden Ambitionen letztendlich auf die Visualität zu beschränken sind. Insbesondere dem ist es auch zu verschulden, dass die nicht gerade unvorhersehbare Storyline einen Klimax erfährt, der im Finale an seiner Kurzweiligkeit zerschellt. Ti West lädt zwar dazu ein, im Drehbuch zwischen den Zeilen zu lesen, allerdings sind alle Geheimnisse im Fettgedruckten der ersten Seiten groß präsentiert. Das Dünngedruckte hat hier den besonderen Reiz, dies scheint aber exklusiv für das Filmteam zu sein.
MAXXXINE LÄUFT SEIT DEM 04. JULI 2024 IN DEN DEUTSCHEN KINOS
6.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.