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Drehbuch: Bong Joon-ho
Schnitt: Yang Jin-mo
Kamera: Darius Khondji
Schauspieler*innen: Robert Pattinson, Naomi Ackie, Steven Yeun, Mark Ruffalo
Land: USA, England
Sprache: Englisch
Länge: 2h17min
Genre: Comedy, Adventure, Science-Fiction
Für den Fortbestand der menschlichen Art ist kaum wer wertvoller, als Mickey Barnes (Robert Pattinson)… da niemand entbehrlicher ist. Auf intergalaktischer Suche nach einem für die Menschheit bewohnbaren Planeten, wird Mickey als Versuchskaninchen vorausgeschickt, um das Terrain auf unbekannte Gefahren zu überprüfen. Wie übersteht er das unbeschadet? Letzten Endes gar nicht.
Tatsächlich findet Mickey sogar schnell den Tod und unterliegt einer viralen Infektion, die seine Organe liquidiert und zu allen Körperöffnungen ausscheidet. Sein großes Glück ist es, dass er den Prozess am nächsten Tag direkt wiederholen darf, denn Mickey ist ein “Expendable”. Mittels modernster Technologie lassen sich weitere Versionen einer Person samt Erinnerungen einfach reproduzieren. Weniger von Mickeys Aufopferung für die Menschheit begeistert, ist sein Umfeld aber besonders von dieser einen Frage fasziniert: Wie fühlt sterben sich an?
Doppeldeutiges Vergnügen
Mickey bereut schon früh, nicht alles aus dem Kleingedruckten gelesen zu haben. Mehr Leben als eine Katze zu haben, nimmt einem zwar etwas die Angst vor ultimativen Konsequenzen, die Schmerzen der diversen Todesumstände sind aber jedes Mal so real wie vorher. Er erinnert sich an jeden gebrochenen Knochen, jede Platzwunde und jede radioaktive Verstrahlung, der er ausgesetzt gewesen ist. Natürlich ist es für alle um ihn herum einfach zu sagen, es sei am Ende nicht schlimm, gar irrelevant, was mit ihm passiert, da er unzählige Anläufe hat. Diese stecken aber nicht in Mickeys perfekt gedruckter Haut und fühlen tagtäglich, was er fühlt.
In seiner Rolle bildet der Protagonist den absoluten Prügelknaben ab und steckt alles ein, was man einstecken kann, bevor der Körper kollabiert — Wertschätzung oder Anerkennung folgt darauf aber nicht. Begegnet wird dieser undankbaren Aufgabe mit reichlich schwarzem Humor, der mit dem Leiden von Mickey regelrecht spielt. Eine Montage mehrerer Verendungen wird binnen weniger Minuten dargestellt, welche durch die banale Gleichgültigkeit der Hauptfigur herrlich anzusehen bleiben. Als Mickey beispielsweise nach einem Vorfall kurz vor der Entsorgung in einem Lavabecken als noch lebendig erklärt wird, beschwichtigt er das Gewissen der Arbeiter und sagt, dass sie ihn ruhig abwerfen können.
Kreativ ist der Umgang mit der Ausgangslage und arbeitet Stationen von einer Existenz ab, deren Schicksal in Betrachtung der vereinzelten Leben, welche selten länger als 24 Stunden dauern, ebenso tragisch wie amoralisch bleibt. Ist Mickeys Leben wirklich weniger wert, weil seine Neustarts aus einer Quelle geschöpft werden, die niemals austrocknen wird? Zumindest ist es das für die meisten Menschen an Bord des Raumschiffes, die Hingabe des fleischlichen Boxsacks wird als selbstverständlich aufgefasst. Im Gegensatz zu sämtlichen physischen Wunden, heilen die mentalen nämlich nicht. Deswegen ist die Antwort auf die unsensible Frage immer wieder unbefriedigend: Selbst beim x-ten Mal, hasst Mickey es zu sterben.
Quantitative Qualitäten mit multiplen Abstrichen
Bong Joon-ho ist bekannt dafür, den sonderbaren Humor seiner Werke gegen ernstzunehmend dramatisierte Thematiken aufzuwiegen. In jedem Witz auf Kosten des Protagonisten steckt ein Fünkchen der bitteren Wahrheit, die für andere nicht sichtbar oder interessant zu sein scheint. Von Befürchtungen, als wortwörtlich einer von vielen in Vergessenheit zu geraten bis hin zum metaphysischen Ansatz, ob das Sein durch die Möglichkeit unendlicher Versionen seiner Selbst überhaupt als gleichwertig gesehen werden kann, durchlebt der Hauptcharakter die Summe aller denkbaren Existenzkrisen in vorprogrammierter Konstanz.
Bedauerlicherweise spiegelt die Konstanz des Drehbuchs sich nicht darin wider, diese Thematiken komplett auszuerzählen, denn viele Ansätze unterliegen dem Unterhaltungsfaktor. Neben dem eben benannten Subjekt der Charakterstudie nimmt sich die Handlung auch vor, die imaginäre Überlegenheit des Menschen, Kolonialismuskritik und die ökonomische Aneignung planetarer Ressourcen darzustellen. All dies wird mit einer Rasanz behandelt, sodass die Gewichtung aus den Fugen gerät. Ereignisse des politischen Größenwahns überschlagen sich mit denen der ethischen Kehrseite des wissenschaftlichen Fortschritts, wenn in einer Szene gleichermaßen über Macht- und Selbstdarstellungsstrategien, die Redundanz einer Vergiftung von künstlichen Steaks und der idealen Zubereitung von Soßen philosophiert wird.
Das Entertainment hält das Zepter permanent in der Hand und dies ist bei der innovativen Abfolge skurriler Szenarien ebenso erfrischend wie stimmig. Durch die inkohärente Illustration zu vieler Thematiken, die das Skript aufgreifen soll, lassen sich einige Ideen allerdings nur als netter Bonus und weniger als einschlägig-tiefgründiges Fundament weiterdenken. Auch wenn der quantitative Anspruch Bong Joon-hos dem Produkt zu Kopf gestiegen ist, lässt die qualitative Ambition dennoch zu viel Lob zu, um Mickey 17 in ein dunkleres Licht zu rücken. Während das Ensemble seinen schrulligen Charakteren ein ansehnliches Profil gibt und visuelle wie auch futuristische Eindrücke von Witz erfüllt werden, stellt sich der Protagonist der Antithese seines Daseins gegenüber: Gerade aufgrund seiner erzwungenen Austauschbarkeit, sind er und seine Reise unersetzlich.
MICKEY 17 LÄUFT SEIT DEM 06. MÄRZ 2025 IN DEN DEUTSCHEN KINOS
7.0 Punkte
Mickey 17 - Review
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.