Die Familie Gardner zieht auf einen abgelegenen Bauernhof im ländlichen New England, um der Hektik des 21. Jahrhunderts zu entfliehen. Sie sind gerade dabei, sich an ihr neues Leben anzupassen, als ein Meteorit in ihren Vorgarten kracht. Das mysteriöse Ding, ein Aerolith, scheint mit der Erde zu verschmelzen und das Land und die Eigenschaften der Raum-Zeit mit einer seltsamen, jenseitigen Farbe zu infizieren. Zu ihrem Entsetzen entdeckt die Familie Gardner, dass diese fremde Kraft allmählich jede Lebensform mutiert, die sie berührt, einschließlich sie.

Lovecraft-Adaptionen sind trotz der Popularität der Kurzgeschichten eher eine Seltenheit. Zwar gibt es einige bekannte Filme, die von Werken des amerikanischen Horror-Autoren inspiriert sind (The Thing, The Void), direkte Adaptionen sind aber nicht nur sehr selten, sondern laufen auch nahezu immer völlig unter dem Radar der Szene (Dagon) oder sind eher experimenteller Natur (The Call of Cthulhu). Dabei stellen die zahlreichen kreativen Ergüsse des menschlich ziemlich verachtenswerten H.P. Lovecraft eigentlich ein perfektes Grundgerüst für endlos viele Verfilmungen dar. Regisseur Richard Stanley erhörte scheinbar meinen Ruf nach angemessenen direkten Adaptionen und drehte mit dem (zumindest bei mir) berühmt-berüchtigten Nicholas Cage den ersten Teil von drei Lovecraft-Exkursionen, die er geplant hat. Die erste Freiheit, die sich Stanley aber herausnimmt, ist gleich mal eine enorm markante: Er versetzt die Handlung von 1882 in unser 2019. Mit der Verlegung der Geschichte in die Moderne lässt er nicht nur die große Chance liegen, die im Genre bisher kaum genutzte Atmosphäre, die diese Zeitperiode bieten kann, auszunutzen, er erschafft sich damit auch selbst so einige Probleme, die er nur mit allseits bekannten und nervenden Horror-stereotypischen Drehbuch-Reparaturen lösen kann. Stanley entscheidet sich dafür, statt auf einen einzigartigen Genre-Ausflug in nur wenig erforschte Gefilde aufzubrechen, den ganzen Tag zu Hause in bekanntem Terrain zu bleiben, mit Telefon-Gesprächen mit rauschenden Stimmen, Internet-Routern, die nicht funktionieren und die Charaktere damit isoliert zurück lassen, mit zig tausend mal durchgekauten Abziehbildern von Charakteren und generischem 08/15-Horror-Aufbau. Statt etwas wirklich Einzigartigem bekommen wir also plakative Genre-Kost, der man in jeder Sekunde die verspielten Chancen anmerkt.

Dabei hat Stanley die zu Grunde liegende Geschichte entweder nicht wirklich verstanden oder er war nicht wirklich im Stande, sie umzusetzen. Denn das Besondere an Color Out of Space ist eigentlich der langsame, schleichende Verfall der Familie Gardner und ihres Grundstücks in den völligen Wahnsinn. Solche langsamen Abstiege haben eine wichtige Voraussetzung, dass sie wirken: Atmosphäre. Wenn nicht die richtige Stimmung aufgebaut wird, wenn der Zuschauer nicht eingesogen wird in die Abwärts-Spirale, dann bewertet man den letzten Schritt in den Wahnsinn als unglaubwürdig und im schlimmsten Fall sogar als amüsant. Richard Stanley teaset mit der allerersten zweiminütigen Sequenz seines Films eine atmosphärische Wucht an, nur um im eigentlichen Film dann genau den Fehler zu machen, den ich erwähnt habe. Statt auf dichte, befangene, wundersame Atmosphäre setzt er auf einzelne aufgedrehte Spannungsspitzen, die für ihn scheinbar der einzige wichtige Punkt waren. Dazwischen verkettet er die einzelnen Spitzen einfach irgendwie mit einem mehr als holprigen, konventionellen Drehbuch, das von mittelmäßigen Schauspielern (inklusive Nic Cage) heruntergespielt wird. Nochmal zur Erklärung: In der Kurzgeschichte Colour Out of Space geht es nicht um die Eskalation am Ende, es geht um den Abstieg in den Wahnsinn gepaart mit der absurden Unerklärbarkeit der den Wahnsinn verursachenden Dinge – um den Weg dahin also. Im Film ist genau das Gegenteil der Fall.

Immerhin funktionieren die besagten Höhepunkte mit nur wenigen Ausnahmen recht gut. Im letzten Drittel dreht Stanley völlig auf und liefert ein sehr intensives Finale mit bestechender Visualität und Höhepunkten des Grauens. Dabei erreicht er lange nicht die visuelle Gravität eines The Thing oder The Void und greift trotz des ziemlich niedrigen Budgets von 15-20 Millionen Dollar großzügig auf CGI zurück, letztendlich macht er aber hierbei ziemlich viel aus seinen Möglichkeiten. Außerhalb des für meine Begriffe recht gelungenen Endes verliert Color Out of Space etwas von dem Eindruck der verfehlten Möglichkeiten, wenn man akzeptiert, dass es sich hierbei genauso wenig um eine stilechte, direkte Adaption der Geschichte handelt wie um einen anspruchsvollen Genre-Beitrag. Dann kann man sich nämlich der Verrücktheit der Charaktere und der völligen Treulosigkeit zur Vorlage hingeben und Spaß damit haben, wie beispielsweise Nic Cage Alpakas melkt oder seine Tochter auf einem Pferd durch das moderne Amerika reitet, um sich an dämonischen Ritualen zu versuchen. Das alles ist so merkwürdig und absurd, dass es zeigt, dass es sich hierbei mehr um einen Film handelt, den man sich gemeinsam mit Kumpels und Kumpelinen auf der Couch bei einem Horrorfilm-Abend anschaut. Als seichte Horror-Unterhaltung funktioniert Color Out of Space dann überraschend gut, wenn auch nicht als die von mir erhoffte stilgetreue Adaption.

Alles in allem ist es mir noch immer ein wenig unverständlich, was so schwer daran sein soll, Lovecraft so auf den Bildschirm zu bringen, dass sich auch Fans der Kurzgeschichten wirklich zufrieden damit geben können. Es verlangt eigentlich gar nicht viel. Vielleicht braucht es mal ein Kaliber wie Robert Eggers, der sich an so ein Projekt herantraut. Am Ende des Tages bin ich also auf persönlicher Ebene enttäuscht von Color Out of Space, meinen Spaß hatte ich aber dennoch.

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