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Im Jahre 10191 entbrennt ein gigantischer Machtkampf um die Vorherrschaft über das Galaktische Imperium der Menschheit: Aus diesem Grunde schickt der kosmische Imperator Shaddam IV. Fürst Leto auf den unwirtlichen Wüstenplaneten Arrakis, wo monströse Sandwürmer leben, die eine mentale Droge – das Spice – produzieren. Doch Letos Sohn Paul wird mit Hilfe der Droge zum Erlöser und Befreier der unterdrückten Wüstenplaneten-Bewohner im Kampf gegen Shaddams Truppen.
Regie: David Lynch
Drehbuch: David Lynch, Frank Herbert (Vorlage)
Schnitt: Antony Gibbs
Kamera: Freddie Francis
Darsteller*innen: Kyle MacLachlan, Francesca Annis, Patrick Stewart
Produktionsjahr: 1984
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h17min
Genre: Science Fiction

Seit drei Tagen bin ich nun nicht nur mit den Worten am Ringen, um meine Gedanken zu diesem Werk zu ordnen und dieses Erlebnis am besten wiederzugeben. Vielmehr stellt sich die allgemeine Frage, ob folgender Text überhaupt jemals das Licht der Welt erblicken soll, da er wahrscheinlich sehr leicht die Grenze von zumutbaren Formulierungen überschreiten könnte. Von daher sei von vornherein die Warnung ausgesprochen: Dieser Beitrag könnte Spuren von Gemeinheiten enthalten!

Da der Ton damit schon gesetzt ist, machen wir kein unnötiges Tohuwabohu aus der Angelegenheit und nennen es beim Namen – David Lynchs Dune – Der Wüstenplanet ist ein furchtbarer Film. Genau genommen ist er sogar so furchtbar, dass ich mich als jemand, der Frank Herberts brillanten Roman über die letzten Wochen verschlungen hat, persönlich beleidigt gefühlt habe. In dem Sinne ist die eigene Meinung des Regisseurs zum eigenen Film nicht mehr als eine schmerzhafte Bestätigung dessen.

Selten wird man einen Regisseur finden, der seine eigene Machart derart lebt, wie David Lynch. Ich halte nach Filmen wie Mulholland Drive, Lost Highway und Eraserhead große Stücke auf den Mann und die Kombination aus ihm und dem Tonus der Story klingt wie eine Traumehe. Lynch mit voller Freiheit inmitten einer ominösen, unerforschten Welt? Ein gefundenes Fressen für ihn, seine Signatur walten zu lassen und somit den Spagat zwischen Originaltreue und Individualität zu meistern? Falsch, denn das Produktionsstudio und jegliche Vertriebe sowie Sponsoren unterbanden quasi jeden Einfall, den Lynch zur Realisierung seines Filmes hatte. Diese Kontrollübernahme erreichte irgendwann eine Intensität, von der man eigentlich schon gar nicht mehr von einem Film von David Lynch reden kann, weswegen er sich dazu entschied, aus dem Projekt auszusteigen.

Letzten Endes ist es diese Tatsache, durch die sich beim Prozess der eingeschränkten Bewegungsfreiheit ein tragender Muskel gezerrt zu haben scheint, unter dem die Haltung komplett kollabiert ist. Lynchs Händchen für das Surreale ist vollkommen in der Zeile verrutscht und über das Blatt hinausgeschossen. Irreparable Fotomontagen von unerklärlichen Visionen, zusammenhangloses Foreshadowing und eine viel zu direkte Narrative zweckentfremden die Persönlichkeit, mit der das Buch besticht. Ein Konzept regiert in Herberts Welt: Understanding by progress. Darauf wird hier fachmännisch gepfiffen. Im Film wird alles anhand von kontraproduktiven Off-Monologen an den Elektrozaun gedrückt. Gedanken und Gefühle werden offenbart, deren Transparenz der Film nicht anders zu bewerkstelligen wusste. Jeder, der auch nur ein Praktikum bei einem Filmdreh absolviert hat, sollte wissen, dass man das so nicht macht.

Wo knüpfe ich an der Stelle nur an? Wahrscheinlich am ausschlaggebenden Punkt, der die Quintessenz des Filmes ausmacht und seinen Ursprung auf die möglichst blöde Weise entmystifiziert. Es gibt zwei Szenarien, die für das endgültige Resultat infrage kommen. 1.: Das Produktionsteam hinter dem Film hat sein Quellenmaterial schlichtweg nicht verstanden oder 2.: Man hat alles, was es ausmacht, durchaus verstanden, aber bewusst ignoriert. Filmadaptionen von Büchern sind kein leichtes Unterfangen. Es muss ein bestimmtes Mittelmaß gefunden werden, welches einerseits durch eine inhaltliche sowie spirituelle Treue die Bedürfnisse von Liebhabern der Novelle stillt und andererseits durch eigeninitiativ eingebrachte Ideen mehr als eine reine, faule Kopie repräsentiert. Eine Gewichtung, die in dieser Verfilmung komplett misslingt, in den einzelnen aus diesem Bruch entstandenen Fragmenten aber genauso scheitert.

Vom Einstieg bis zum Passus der ersten halben Stunde wirkt das Ganze aber noch aus beidseitiger Perspektive enorm ansprechend. Natürlich lassen literarische Arbeiten wesentlich mehr Raum für die Entfaltung von Emotionen, Charakteren und World-Building, allerdings schafft Lynch einen stilistisch gelungenen Erstkontakt mit der Fiktion, die gleichzeitig den individuellen Vibe seines Originals versprühen kann. Wie von Zauberhand erhob sich die Hoffnung, dass hier trotz vorsätzlicher Skepsis eine Menge richtig gemacht worden ist. Besagte Hoffnung gerät jedoch ins Wanken, als die Feststellung obsiegt, dass man sich in dieser ersten halben von insgesamt zwei ganzen und einer Viertelstunde lediglich auf das erste Kapitel des Buches fokussiert hat und dies nach hinten heraus zum gewaltigen Problem werden wird. Und das ist keine Vermutung, es ist ein Spoiler.

Plötzlich werden komplette Kapitel übersprungen und Schlüsselszenen des Buches hintereinander abgespielt, die im Kontext des Filmes aber keinerlei Relevanz tragen und somit gleichzeitig den eigentlichen Effekt jener Momente verwirken. Irgendwo inmitten des Handlungsverlaufes wurde der Cut für eine Fortsetzung verpasst, denn ich glaube nicht, dass eine Verfilmung von Dune ohne die Aussicht auf eine Fortsetzung funktionieren kann. Dafür ist es zu reichhaltig.

Darunter leiden auch die Figuren vehement. Nehmen wir als Beispiel den Protagonisten der Geschichte, Paul Atreides. Er erfüllt das sagenumwobene Klischee des “Auserwählten”. Im Buch zeigt Herbert, wie genial so ein Klischee jedoch ausgereizt werden kann. Pauls Definierung grenzt an Perfektion. Er trägt spannende Konflikte in sich, wächst einem ans Herz, ist charismatisch und ausdrucksstark und hat eine riesige dramatische Fallhöhe. Paul Atreides im Film von 1984? Ein attraktiver Spund, der irgendwie auch ganz gut kämpfen kann. Mehr steckt da nicht hinter. So verkommen die fein geschliffenen Namen zu hauchdünnen Schablonen. Zwar ist das Schauspiel keinesfalls als Problem anzukreiden, den Maßstäben der verteilten Rollen aber nicht mal im Ansatz würdig. Letzteres hat aber eine positive und eine negative Kehrseite. Die positive ist, dass das Negative der positiven Kehrseite aufgrund des unterirdischen Hindernisses der negativen Kehrseite beinahe schon zu verschmerzen ist. Auf jener ist nämlich der skrupellose Zerfall einer adaptierten Geschichte zu lesen.

Frank Herberts Roman ist ein vielschichtiger, verworrener und spannender Politthriller mit einem exquisiten Setting, das mittels einer wundersamen Methodik aufblüht. Herbert konzentriert sich ohne weitläufige Exposition beziehungsweise Exploration der Welt auf seine Geschichte und seine Charaktere. Dadurch birgt die Erzählung tonnenweise Faszination in ihrem Rahmen, weil stets in den richtigen Momenten zwischen Story und World-Building gewechselt oder beide Aspekte gekonnt vermischt werden. Herbert erkannte wie bis dato vielleicht niemand in dieser Klasse, dass eine interessante Welt zum Selbstläufer werden kann. Was kreiert man bei der filmischen Umsetzung aus dieser Gabe? Inkohärenten Sci-Fi-Trash.

Mit jeder Erklärung zieht das Drehbuch sich mehr und mehr in sich zurück, während sich der Plot in gnadenloser Geschwindigkeit einen Vorsprung sichert. Die wenigsten von denen, die das Buch und somit die Geschichte nicht kennen, werden ab einem gewissen Punkt noch verstehen, was in dieser Story überhaupt passiert. Es verhält sich mit dem Handlungsverlauf wie mit einer Maulsperre. Regt sich der Kiefer nachdem sie eingetreten ist, werden die Schmerzen schlimmer. Der Input ist immens, der Bezug non-existent. Währenddessen ist das Geschehen für Fans der Vorlage das filmische Äquivalent dazu, als würde jemand einem mit voller Kraft in den Rachen spucken. Inwiefern im Zuge einer Fehlentscheidung sämtliche Intentionen atemberaubender Momente begraben werden, ist mit dem Ausdruck einer bodenlosen Frechheit noch längst nicht erfasst.

Dadurch, dass dieses reelle Abbild einer vorher visuell unverwirklichten Fiktion bereits inhaltlich dermaßen verstümmelt wird, ist die technische Performance der totalen Gleichgültigkeit ausgeliefert. Bei manchen Set-Pieces hat man sich sichtlich Mühe gegeben und das schätze ich, aber mal davon abgesehen, dass der Film nicht unbedingt gut gealtert ist, sind der allgemeine Look und das Design der Welt schlicht und ergreifend pottenhässlich. Einige praktische Errungenschaften sind bemerkenswert, allerdings stellt sich die grobmotorische Plastizität gegen die flüssige Beschaffenheit des titelgebenden Planeten. Die Optik ist reizlos, matt und anorganisch.

Als Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen beiden medialen Umsetzungen derselben Geschichte relativ komplex, letztendlich doch zielführend zu einer recht simplen Pointe: Dune (1984) ist die leibhaftige Verkörperung des Vorlagenschändens. In dieser Rubrik reiht er sich problemlos neben M. Night Shyamalans Die Legende von Aang oder die Twilight-Saga ein. Für jeden, der sich auf Denis Villeneuves hoffentlich noch dieses Jahr erscheinende Version des legendären Epos freut, ist dieser Film also keine empfehlenswerte Vorbereitung. Höchstens kann er als unangenehmer Testlauf eine Weisheit vermitteln: Hier wurde gezeigt, wie es nicht geht. Dabei sei aber dazu geraten, dass die Durchwahl 110 schon mal vorgewählt wird und für die Sichtung griffbereit daneben liegt, sollte man dem Drang anarchistischer Randale nicht widerstehen können.

2.0
Punkte