Ein Theaterregisseur (Adam Driver) und seine Frau (Scarlett Johansson), die er meist für seine eigenen Stücke als Darstellerin engagiert, tragen nach langer Ehe eine Scheidung aus, von der einen Küste der USA zur anderen. Beide Partner werden in diesem Prozess bis zu ihren persönlichen und emotionalen Grenzen geblieben und müssen versuchen, ihren Sohn aus der Sache herauszuhalten.

Marriage Story startet damit, dass sich die beiden Protagonisten während einer Paartherapie einen Text vorlesen sollen, was sie an ihrem Partner mögen, weshalb sie ihn geheiratet haben. Nicole weigert sich zwar, ihren Text preis zu geben, weil sie nicht zufrieden damit ist, wir Zuschauer bekommen aber sowohl ihren als auch Charlies zu Ohren. In dem Schnelldurchlauf der positiven Seiten der bisherigen Ehe und der Persönlichkeiten der beiden, die wir dafür zu sehen bekommen, wird uns klar gemacht, in welche Richtung Regisseur Noah Baumbach mit Marriage Story gehen möchte. Wir bekommen Dinge erzählt, die so weit ins Detail gehen, dass sie uns zu Beginn fast schon trivial erscheinen. Während Nicole sich zu schnell von Menschen auf der Straße bequatschen lässt und es nicht schafft, die Kommoden wieder zu schließen, isst Charlie wie ein Truck und freut sich an Dingen, die andere Väter hassen würden, wie das ständige nächtliche Geweckt werden durch den Sohn, der wieder einmal schlecht geträumt hat. Aber diese Spezifität, die Baumbach an den Tag legt, ist einer der Punkte, der Marriage Story so persönlich und nahbar macht. Er hat nicht die Ambition, einen groß angelegten Kommentar über verloren gegangene Ehen und das Scheidungsrecht der USA abzulegen, stattdessen möchte er einfach die Geschichte des Endes der Beziehung von Nicole und Charlie verfilmen.

Das äußert sich dann in einem Werk, das an Stellen herzzerreißend und niederschmetternd ist, an anderen Stellen herzerwärmend und erwachsen. Marriage Story hat gleichzeitig aber auch eine überraschend große humoristische Seite an sich. Wenn beispielsweise Nicole, ihre Schwester und ihre Mutter panisch und nervös darüber diskutieren, nach welchen Schritten sie Charlie die Scheidungspapiere überreichen sollen oder wenn an anderer Stelle ganz trocken darüber gescherzt wird, wie der Prozess der Scheidung einen Menschen zum Ruin treiben kann, dann fällt das zwar aus dem sonst so intimen Stil, ist am Ende aber eine gelungene Auflockerung der sehr schweren Thematik. Trotzdem, im Kern ist Marriage Story natürlich unübersehbar ein Drama durch und durch.

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Und zwar eines, das funktioniert. Durch die Empathie und die Detailverliebtheit zu seinen Figuren, die Noah Baumbach, der auch das Drehbuch geschrieben hat, an den Tag legt, bleiben wir als Zuschauer emotional so nah an der Geschichte dran, das wir uns dem Schmerz, der Wut und der Verzweiflung der beiden kaum entziehen können – selbst wenn man wie ich noch nie auch nur annähernd an einer Situation dran war wie es die beiden sind. Einige Szenen wirken dann auch dadurch so herzzerreißend, dass Tränen auch bei mir die völlig natürliche Reaktion sind. Wenn Scarlett Johansson zur Seite gedreht in ihrem Bett die Tränen über die Wange laufen, während ihr Noch-Ehemann ihrem gemeinsamen Sohn eine Gute-Nacht-Geschichte vorliest. Wenn die beiden in einer dringend notwendigen Aussprache über ihre Grenzen geraten und sich Dinge an den Kopf werfen, die sie über Jahre in sich versteckt hielten, weil sie sie in der Anwesenheit ihres Sohnes immer zurückgehalten haben. Großartige und grausame Szenen, von denen viele wahrscheinlich zu den Szenen des Jahres gehören werden. Während andere “Break-Up-Movies” dabei häufig schwarzweiß malen, gelingt es hier, beide Protagonisten so grau zu lackieren, dass man sich nie wirklich auf eine Seite schlägt. Stattdessen wechselt man teilweise von Szene zu Szene das Lager, drückt mal ihm die Daumen, mal ihr. Sowohl Charlie als auch Nicole haben keine weiße Weste, was die ganze Geschichte aber um so intensiver macht.

Wo Baumbachs empathische Regie und emotionales Skript also die eine Hälfte des künstlerischen Erfolgs von Marriage Story ist, ist die andere Hälfte ganz ohne Frage der Cast. Die meisten von euch werden schon davon gehört haben und ich kann es nur bestätigen. Driver und Johansson habe ich wahrscheinlich beide noch nicht besser gesehen. Ich kann nicht viel dazu sagen, außer, dass beide einen unfassbaren Job abliefern. Gerade Adam Driver spielt sein subtiles Schauspiel auf einer ganz anderen Ebene. Vor allem am gegen Ende legt er einige Sequenzen hin, die mich als Driver-Fan dahinschmelzen lassen…

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Ich kann nicht wirklich etwas negatives über Marriage Story sagen. Obwohl ich verdammt nochmal 22 bin und damit so weit entfernt davon bin, solch eine Situation wirklich nachvollziehen zu können, wie man nur sein kann, schmerzt der Film. Wie Nicole und Charlie ständig versuchen, ihre überbordenden Gefühle vor ihrem Sohn zu verstecken. Wie die beiden sich gegenübersitzen, während ihre Anwälte stellvertretend für sie über sie streiten, obwohl sie ausgemacht hatten, ebensolche Anwälte nicht mit einzubeziehen. Wie die Situation der beiden immer mehr entgleist und sie verzweifeln lässt. Wie man an zahlreichen kleinen Gesten aber dennoch merkt, wie wichtig die beiden sich trotz der Trennung eigentlich noch sind. Wie es am Ende keinen wirklichen Gewinner gibt. Es ist so schön, einen solchen Film zu sehen, der so gut geschrieben ist, so empathisch, authentisch und erwachsen ist.