SynopsisCrewDetails
Kurz nach dem Einzug in die neue Eigentumswohnung wird Familienvater Sang-Hoon nachts Zeuge eines bestialischen Mordes: Ein skrupelloser Killer erschlägt eine junge Frau mit einem Hammer – direkt unter dem Fenster der neuen Wohnung! Sang-Hoon ist starr vor Angst, denn der Täter hat ihn ebenfalls gesehen. Als die Polizei die Ermittlungen aufnimmt, stößt sie auf wenig Kooperation, denn in dem anonymen Wohnblock will niemand Ärger riskieren. Auch Sang-Hoon sieht sich in einem bedrohlichen Dilemma: Um seine Familie vor der Rache des Killers zu beschützen, will er verschweigen, was er gesehen hat. Diese Entscheidung hat allerdings bittere Konsequenzen, denn die Mordserie geht weiter und der mysteriöse Täter kommt Song-Hoon immer näher.
© TMDB
Regie: Cho Kyu-jang
Drehbuch: Lee Young-jong, Cho Kyu-jang
Schnitt: Kim Sun-min
Kamera: Yu Eok, Kim Jung-woo
Schauspieler*innen: Lee Sung-min, Kim Sang-ho, Jin Kyung, Kwak Si-yang
Produktionsjahr: 2018
Land: Südkorea
Sprache: Koreanisch
Länge: 1h51min
Genre: Thriller, Crime

Nass sind die Straßen in einer pechschwarzen Nacht, lediglich der Scheinwerfer eines fahrenden Autos durchbricht die Dunkelheit. Die Perspektive steht auf dem Kopf, ist somit verkehrt herum; selbiges lässt sich in einem pessimistischen Atemzug über unsere Welt auch sagen. Menschen tun Artgenossen abscheuliches an, Mord ist das beste Beispiel. Manche tun es aus Verzweiflung, manche aus Hass, manche sogar aus Liebe. Am grausigsten ist aber die Erkenntnis, dass so manch einer es aus purem Vergnügen tut.

Schuldzuweisungen denjenigen zuzuschieben, die per aktivem Handeln ein Verbrechen begehen, ist sehr leicht. Was ist jedoch mit denjenigen, die durch aktives Nichthandeln die Verbrechen anderer begünstigen? Diese Frage stellt The Witness in den Vordergrund, als ein Mann den brutalen Mord einer jungen Frau mit eigenen Augen sieht, danach allerdings vor Feigheit und Sorge um sich und seine Familie bis zur Untätigkeit gelähmt bleibt. Vom thematischen Ansatz her zeigt der Film ein realistisches Dilemma, das zum Mitdenken sowie Mitfiebern anregen soll, in seiner letztendlichen Ausführung aber ausschließlich Aggressionen provoziert – aus den falschen Gründen.

Das Teufelchen auf der Schulter

Dabei ist der Konflikt zu Beginn der Geschichte noch wirklich spannend und auch ohne weitere Auseinandersetzungen mit einer Rechtfertigung nachvollziehbar. Sang-hoon (Lee Sung-min) wird Zeuge eines Gewaltverbrechens. Schockiert zückt er sein Handy und wählt den Notruf, doch in exakt diesem entscheidenden Moment betritt seine nichtsahnende Frau Soo-jin (Jin Kyung) das Zimmer und schaltet das Licht an. Die aufblitzende Helligkeit lenkt den Blick des Täters direkt in Sang-hoons Richtung, woraufhin er aus Panik den Anruf beendet und zum Lichtschalter eilt, um wieder Flucht in der Finsternis zu suchen. Der Killer macht jedoch mehr als deutlich, dass er ihn gesehen hat und ermahnt ihn ebenso deutlich zur Vorsicht.

Ständig ertappt sich der Protagonist dabei, wie er das Richtige tun, es regelrecht zu allen Seiten herausbrüllen möchte. Er kommt vor Einschüchterung aber nicht einmal auf die Idee, die Antenne auszufahren. Selbst während einer Befragung vom leitenden Ermittler Jae-yeop (Kim Sang-ho), der ihm und seiner Familie Sicherheit gewährleisten könnte, fließt keine Silbe aus seinem Mund. Auch wenn es darum geht, potenziell weitere Leben vor einer Bestie in menschlicher Form zu retten, verleitet ihn die innere Stimme zum Schweigen. Bis zu einem gewissen Punkt ist die Inszenierung dieser Angst empathisch und schlüssig. Doch nach besagtem Punkt wird die Prämisse über das Vorgehen der Figuren derart überreizt, dass der moralische Konflikt ad absurdum geführt wird.

Gestörtes Gefahrenbewusstsein

Zuerst fällt auf, mit welch eklatantem Vorgehen der Mörder vor aller Augen immer wieder mit seinen Schandtaten davonkommt. Zwar ist die mangelnde Hilfs- sowie Äußerungsbereitschaft der Menschen eine intendierte Pointe, die das Drehbuch treffen will, es vergisst hierbei aber die Relation der Geschehnisse zur Glaubwürdigkeit der Charaktere. Selten stellt der Film den Mörder als clever oder vorsichtig dar. In einer Szene begibt er sich zu einer Frau in den Fahrstuhl, die von seinen Taten zu wissen scheint. Furchtbare Angst überkommt sie, während die beiden auf engstem Raum die Etagen durchqueren. Danach steigt sie aus, er aber nicht. Eine Minute später taucht er plötzlich wieder auf, um sie dann mitten im Flur zu ihrer Wohnung zu attackieren.

Er geht im Wohnblock ein und aus, wie es ihm passt. Denkt er über mögliche Konsequenzen nach? Schwer zu sagen, aber viel irrationaler als seine Aktionen sind die des Hauptcharakters selbst. Was vorher als emotional verständliche Folgereaktion auf die Gefahrenquelle begonnen hat, entwickelt sich insbesondere durch das Einschalten der Polizei zu einer anstrengenden Blockade. Beispielsweise wird Sang-hoon in einer Situation vom Killer angegriffen und rennt zu einem naheliegenden Telefon. Er erreicht dieses, als seine Frau und Tochter eintreffen; nur wenige Meter hinter ihnen lauert der Angreifer sichtbar in der Eingangstür.

Dass er hier zögert, ist durchaus dadurch zu erklären, dass deren beider Leben in diesem Moment von Sang-hoons nächstem Schritt abhängen. Fix legt er den Hörer weg, hetzt zu ihnen und zerrt sie aus seiner Reichweite. Kurz darauf kreuzt Jae-yeop auf und erkundigt sich über die stressige Lage. Der Mörder steht noch immer hinter allen, ganz ohne eine verheißungsvolle Fluchtmöglichkeit. Abermals schweigt der Protagonist, obwohl er dem Spuk hier ein für allemal den Garaus hätte machen können.

Bei allem Respekt zum solide spielenden Cast und der stimmig aufgebauten Atmosphäre: Dieser Knackpunkt ist mit nichts zu begründen – und der Film ist voll von solchen Gelegenheiten. Es wird mit der Schweigsamkeit übertrieben, sodass man die Vorkommnisse des Filmes nicht mehr als kredibil verkaufen kann. Man mag die Verwendung dieses Wortes in Bezug zum Medium infrage stellen und dem damit einher kommenden Disput entgegentreten, ob jede Handlung Logik benötigt, aber dieses Werk ist in der Aufwicklung der Story genau das: unlogisch. Die gesellschaftskritische Botschaft verliert ihren Stich, das Schicksal der Menschen in ihr das Gefühl. Nicht jede Handlung benötigt Logik bis in die kleinste Pore, im Fall von The Witness sind es aber keine Poren, sondern klaffende Löcher.

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4.0
Punkte