Als Destiny (Constance Wu) ihren neuen Job als Stripperin beginnt, nimmt die erfahrene Ramona Vega (Jennifer Lopez) sie unter ihre Fittiche. Die beiden werden beste Freunde. Als während der Finanzkrise die Kundschaft ausbleibt, drehen sie den Spieß um und beklauen die reichen Wall-Street-Spekulanten. Gemeinsam mit ihren verführerischen Kolleginnen (Keke Palmer, Lili Reinhart) betäuben sie ihre Opfer mit Drogen. Danach räumen sie ihnen im Stripclub das Bankkonto leer.

Wo sich The Wolf of Wallstreet im Jahr 2013 noch um die gierige Welt der weißen, männlichen Börsenmakler kümmerte, die mit ihren Intrigen einfache, naive Leute ausnehmen, dreht Lorene Scafaria den Spieß jetzt um und lenkt mit Hustlers den Fokus auf die andere Seite der Medaille. Sie erzählt von einer Bande Stripperinnen, die jetzt eben Menschen wie Jordan Belfort und Danny Porush mit zwar unterschiedlichen Methoden, aber dem gleichen Ziel vor Augen, betrügen. In vielerlei Hinsicht handelt es sich bei Hustlers tatsächlich um eine Art Neukonzipierung des Scorsese-Epos, nur eben mit antonymen Gegenständen. Dass der Vergleich nicht weit hergeholt ist, wird allein daran deutlich, dass der Regie-Großmeister eigentlich für die Direktion von Hustlers angedacht war. Er hatte allerdings abgesagt, um sein eigenes Projekt zu drehen. Am Ende war es die bisher verhältnismäßig unbekannte Lorene Scafaria, die sich auf dem Regiestuhl niedergelassen hat und letztendlich für das verantwortlich ist, was wir jetzt geliefert bekommen haben. Aber ist das auch gut geworden?

Jein. Denn so feministisch und zumindest zeitweise inszenatorisch geschickt Teile von Hustlers auch sind, so schwächelt er an mindestens genau so vielen Seiten. Da wäre zum Beispiel die im Mittelpunkt stehende Crew der vier Stripperinnen, verkörpert von Jennifer Lopez, Constance Wu, Lili Reinhart und Keke Palmer, bei der die ersten beiden Damen die klare Hauptrolle übernehmen. Lili Reinhart und Keke Palmer dagegen verkommen zu lahmen Figuren, die stets nach der Ein-Satz-Charakterisierung abgehandelt werden. Beide von ihnen bekommen viel zu wenig Screen Time, um irgendwie über das Dasein der etwas debil wirkenden Stripperinnen hinaus zu wachsen – und ist das nicht eigentlich der Zweck dieses Films? Es ist verständlich, wenn man sich auf zwei Protagonisten beschränken möchte, aber dann suggeriert mir als Zuschauer doch nicht, dass ich mich auf zwei ebenso interessante Charaktere einstellen soll, wie die der Destiny und der Ramona. Schade also, dass man zum Beispiel eine Lili Reinhart, die nach meiner Ansicht übrigens ziemlich steif und unpassend in ihrer Rolle wirkt, da nur als opportunistisches, katzen-besitzendes Blondchen kennenlernt. Und wenn dann noch die in der ersten Hälfte des Films lästig prominent auftretende Cardi B ihr Stimme auf den Zuschauer ablässt, dann hat man jegliche Hoffnung in die Nebencharaktere von Hustlers verloren. Ich zumindest.

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Einiges retten tun da Jennifer Lopez und Constance Wu, die vom Skript wirklich gut geschriebene Persönlichkeiten spendiert bekommen, und die dann auch noch viel besser performen, als man denken würde. Gerade Lopez ist großartig als selbstbewusste Strippenzieherin und entzieht mit ihrer matriarchalischen, verruchten, erotischen Präsenz jedem anderen Darsteller die Aufmerksamkeit. Dazu bekommt sie noch einen der besten Character-Entrances des Jahres spendiert. Lopez und Wu sind definitiv die beiden wichtigsten Gründe, warum man sich Scafarias Film anschauen kann. Auch positiv zu erwähnen ist, dass Hustlers eine Handvoll fantastischer Szenen aufzuweisen hat, die vor allem davon profitieren, dass sich offensichtlich sehr viel Mühe mit der Wahl des Soundtracks gegeben wurde. Die Songs wirken, als wären sie für die Szenen selbst geschrieben und erweitern das Schau-Vergnügen immens. Es wirkt szenenweise, als würde man sich ein Musikvideo anschauen. Auch Kostüme, Sets und Farbgebung zeigen, wie viel Liebe hier reingeflossen ist.

Während die ersten dreißig Minuten von Hustlers so vor sich hinplätschern und nicht wirklich etwas erzählen (aber trotzdem ziemlich viel Spaß machen), nimmt die Erzählung mit dem Ankommen der Finanzkrise, die Destiny den finanziellen Boden unter den Füßen wegzieht, an Fahrt auf und versucht, in die Fußstapfen des eingangs erwähnten The Wolf of Wallstreet zu treten. Dessen sind aber leider deutlich größer als die Füße von Hustlers. Denn die Grandeur des Vorbilds erreicht dieser Film zu keiner Zeit. Dafür ist Hustlers nicht nur nicht mutig genug – warum wird die Tätigkeit der Stripperin trotz der eigentlich feministisch versuchten Message am Ende des Tages doch wieder als etwas zu Entkommendes dargestellt? – er bejaht und feiert sich selbst auch einfach viel zu viel. Was Scorsese mit seinem Broker-Drama richtig gemacht hat, ist die ekstatische Gier, in der sich seine Figuren ständig befanden, am Ende wieder crashen zu lassen. So eine Reflektion traut sich Scafaria offensichtlich nicht zu. Denn was die vier Frauen in Hustlers abziehen – wohlhabende Männer verführen, mit Drogen betäuben und dann auszurauben – wird zu keiner Zeit kritisiert oder in Frage gestellt. Dass Gleiches mit Gleichem bekämpft werden sollte und ein Unrecht dadurch gerechtfertigt wird, dass es jemandem, der selbst ein Unrecht begangen hat, angetan wird, sind Moralvorstellungen, die einfach schwierig sind. Und andere Aussagen trifft Hustlers eben nicht wirklich.

Viel mehr konzentriert man sich auf die Beziehung unserer beiden Hauptfiguren. Trotzdem bin ich auch damit nicht so wirklich zufrieden. Nicht nur ist der Einstieg in die Freundschaft von Ramona und Destiny ziemlich überhastet und dadurch nur bedingt glaubwürdig, der Klimax der Beziehung, der in der ersten Hälfte ein heftiges Foreshadowing bekommt und damit ziemlich aufgehypet wird, erreicht auch lange nicht die emotionale Intensität, die die Macher wahrscheinlich gerne hätten. Schade.

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Diese Rezension liest sich sehr viel negativer als sie wahrscheinlich sein müsste. Denn Hustlers macht Spaß, wird wohl die wenigsten langweilen, hat zwei tolle Protagonistinnen und ist ein sehr viel besserer feministischer Film als es noch Nieten wie Ocean’s 8 oder Ghostbusters (2016) waren. Ich persönlich finde aber, dass Hustlers dem ganzen Hype, den er im Vorfeld durch die Stimmen aus Amerika bekommen hat, nicht annähernd gerecht wird. Dafür ist er sich zu schade, wirklich mutig zu sein, dafür ist er moralisch zu fragwürdig, dafür hat er zu viele Probleme mit seinen eigenen Charakteren. Nein, mehr als ein solider Film ist Hustlers für mich leider nicht.

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