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Auf den Great Plains im Jahr 1719 macht sich Naru, eine wilde und hochqualifizierte Comanche-Kriegerin, auf den Weg, um ihr Volk zu beschützen, als eine unbekannte Gefahr auf sie zukommt. Doch die Beute, die sie verfolgt, entpuppt sich als hochentwickeltes außerirdisches Raubtier mit einem technisch hochentwickelten Waffenarsenal.
©TMDB
Regie: Dan Trachtenberg
Drehbuch: Patrick Aison
Schnitt: Claudia Castello, Angela M. Catanzaro
Kamera: Jeff Cutter
Schauspieler*innen: Amber Midthunder, Dakota Beavers, Michelle Thrush
Produktionsjahr: 2022
Land: USA
Sprache: Englisch, Französisch
Länge: 1h40min
Genre: Science-Fiction, Action

Wann wird ein Jäger zum Gejagten? Nahrungsketten in verschiedenen Biotopen haben eine klare Hierarchie. Wird diese aufgebrochen, weil zum Beispiel Tiere fremdes Terrain betreten, kann dies zu Chaos führen. Das Biotop wird instabil. In Prey passiert genau das. Amerikanische Ureinwohner in Zeiten der Besiedelung Nordamerikas sehen sich einem Jäger aus dem All gegenüber, der mit hochentwickelten Waffen die Ordnung der Great Plains auf den Kopf stellt.

Von Jägern und Sammlern

Doch zu Beginn fehlt von der außerirdischen Bedrohung, abgesehen vom ankündigenden Voice-Over der Protagonistin, jede Spur. Landschaftsaufnahmen starten Prey, um mit Gräserrascheln und Vogelgezwitscher eine Idylle zu präsentieren. Wenige Einstellungen später streift unser Blick über ein Zelt amerikanischer Ureinwohner. Die Message ist eindeutig: Vor der Besiedelung des Kontinents konnten Mensch und Natur in Einklang leben. Oder?

So einfach macht es sich der neuste Ableger der Predator-Filme nicht, denn die erste menschliche Interaktion ist ein Tritt. So wird Naru (Amber Midthunder) täglich geweckt. Herzlich ist anders. Die amerikanische Ureinwohnerin ist zum Sammeln verdonnert, darf trotz ihrer stetigen Bitten die Männer nicht begleiten. Sie ist eine Frau, die in den sozialen Gefügen ihres Stammes gefangen ist. Schließlich wird die Welt schon damals nicht nach Können, sondern nach Geschlecht geordnet. Jagen ist des Mannes Aufgabe, das Sammeln wird Frauen überlassen.

Doch das hindert Naru nicht am Aufbegehren. Nicht sonderlich treffsicher mit Axt und Bogen, dafür aber mit einer sehr ausgeprägten Beobachtungsgabe und Kreativität, erschleicht sie sich doch einen Jagdausflug und realisiert als Erste, dass die zu tötende Raubkatze im Wald nicht ihr Hauptaugenmerk darstellen sollte. Nicht zuzuordnende Fußabdrücke und ausgeweidete Tiere lassen sie vermuten, dass etwas Gefährlicheres unterwegs ist. Die Männer ignorieren ihre Warnungen natürlich.

Ein Konzeptfilm auf mehreren Ebenen

Danach entwickelt sich die Handlung zu einem Überlebenskampf. Blutbesudelte Gräser verfärben die Szenerie und mit zerstückelten Leichen wird das Chaos spürbar. Die Nahrungskette wurde aufgebrochen. Ob Raubtier, Stamm oder französische Pelzjäger, sie alle finden auf die hochentwickelten Waffen des Predators keine Antwort, da der Außerirdische unsichtbar auf Baumwipfeln wartet und mit Laserpointer zielgenau Stahlbolzen verschießt, darüber hinaus unmenschliche Stärke besitzt, gar Bären verdrischt. Musketen oder Tomahawks sind da nicht effektiv.

Prey nutzt jedoch nicht ausschließlich das Konzept der Umkehrung von Jäger und Gejagtem, sondern expandiert den Gedanken zudem auf die unterschiedlichen Lebensstile, die mit der Jagd einhergehen. Muss Narus Stamm Tiere erlegen, um zu überleben und das Gleichgewicht in der Natur zu wahren, tötet der Predator mehr aus Spaß an der Sache und der Ehre willen. Es geht also nicht nur um die titelgebende „Beute“, sondern vor allem darum, wofür sie steht und als was sie betrachtet wird.

Der Vergleich zwischen dem Außerirdischen und einer metaphorischen Repräsentation der Kolonisten Nordamerikas ist da sehr naheliegend. Schließlich eroberten die Übersiedler wie der Predator Grund und Pelze mit überlegenerem Arsenal. Dementsprechend rau wird die anfänglich idyllische Atmosphäre, nachdem Naru auf den Predator und Kolonisten gleichermaßen trifft. Fragt man sich zu Beginn noch, warum Narus Kleidung zu sauber aussieht, hilft später ein unfreiwilliges Bad im Sumpf nach, auch wenn nur für kurze Zeit. Später kriechen Kolonisten unter verbrannter Erde hervor, um den Predator in einen Hinterhalt laufen zu lassen.

Kein Status quo

Tatsächlich wird in diesem Film nicht der Status quo, also der Beginn, die Ordnung vor der Gefahr wiederhergestellt. Wenn die Credits rollen, ist die anfängliche Hierarchie nicht mehr vorhanden, denn die Geschlechterrollen sind aufgelöst. Naru geht aus der Jagd mehrfach als Siegerin hervor. Einerseits als Verteidigerin der Natur, andererseits als Revolutionärin, die das feste Jäger-und-Sammler-Prinzip durch das entstandene Chaos umformen konnte.

Prey zeigt damit ein Idealbild, eine Chance, die aus den Irritationen eines Systems entspringen kann. Es gilt eben nicht, eine Ordnung per se aufzulösen, sondern sie zum Besseren zu formieren, zu optimieren. Dass der Predator-Teil in eine solche Tiefe vordringt, dieses mit dem Konzept der Filmreihe bestens mehrschichtig zu verbinden weiß und durch die Atmosphäre und Inszenierung am Ende aussagekräftig hervorgeht, ist eine beneidenswerte Leistung.

Man muss den Film schon wahrlich aus Prinzip hassen, um lediglich Schlechtes darüber zu berichten. Selbst die Erstveröffentlichung auf Disney+ spielt dem Film teils in die Karten. Durch die miese Bitrate werden kinoreife Einstellungen zwar in Mitleidenschaft gezogen, dafür aber die unrealistischen CGI-Bildelemente zunehmend in ihrer mauen Beschaffenheit kaschiert.

Und ganz ehrlich, wer hätte gedacht, dass der fünfte Film über einen morbiden Außerirdischen – diesmal abgesetzt in der Zeit des Kolonialismus und gegen eine amerikanische Ureinwohnerin kämpfend – derart reich an Qualität sein könnte? Ausnahmen bestätigen ja wie bekannt die Regel. Gut, dass es Filme wie Prey gibt, der die Ausnahme bestätigt.

8.0
Punkte