SynopsisCrewDetails
Detroit in naher Zukunft. Die Kriminalitätsrate ist drastisch angestiegen. Eine Lösung bietet das RoboCop-Programm der Firma Omni, die auch die Polizei übernommen hat. Als der Polizist Murphy von Bandenchef Clarence und seinen Männern zusammengeschossen wird, verwandelt man den Körper des Toten in eine stählerne, hochgerüstete Law & Order-Maschine. Obwohl perfekt programmiert, ist seine Erinnerung nicht vollständig ausgelöscht worden. Murphy macht sich auf die Suche nach seinen Mördern und entdeckt, daß der Drahtzieher hinter Clarance’ Verbrechen, Jones, in der Chefetage von Omni sitzt.
© TMDB
Regie: Paul Verhoeven
Drehbuch: Edward Neumeier, Michael Miner
Schnitt: Frank J. Urioste
Kamera: Jost Vacano
Schauspieler*innen: Peter Weller, Nancy Allen, Dan O’Herlihy, Ronny Cox
Produktionsjahr: 1987
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h42min
Genre: Science-Fiction, Action, Thriller

Menschliche Körperstrukturen mögen für den Außeneinsatz gewisse Vorzüge mit sich führen, doch ist so eine fleischliche Hülle ebenso mit ihren Lastern versehen. Kugelresistent ist der Schutzschild aus Haut, Nervenbahnen und Knochen nicht, was insbesondere in der von Verbrechen und Gewalt verseuchten Großstadt selten von Vorteil ist. Alex Murphy (Peter Weller) gilt als Exempel dieser Problematik, da er an seinem ersten Tag im neuen Distrikt kritisch verwundet wird. Bevor sein Körper sich allerdings abschaltet, wird er das Testsubjekt modernster Experimente, als sämtliche Schwachpunkte seiner humanen Erscheinung durch mechanische Teile ersetzt werden. Eine Generalüberholung im perversesten Sinne steht an, um Murphys Kompetenzen zu bewahren und das heißeste Wunderwerk der Technologie sowie die Zukunft der gefährlichen Polizeiarbeit vorzustellen: ein Cyborg, der erschaffen worden ist, das Gesetz zu hüten; hören tut er auf den Namen Robocop.

Harte Schale

Dass es bei einer solchen Prämisse physisch zur Sache geht, wird dabei kaum überraschen. Der metallene Freund und Helfer ist darauf programmiert, sein Ziel diszipliniert und unter Einhaltung der rechtlichen Grundlagen zu verfolgen. Der Weg zu selbigem kann also je nach Einschätzung der Situation frei gestaltet werden, womit gemeint ist, dass auf handgreifliche und munitionierte Mittel zurückgegriffen werden darf. Wenn beispielsweise ein Mann die Besitzer eines Marktes mit gezogener Maschinenpistole bedroht, lädt sich Robocop selbst zur Party ein und gewährt dem Schurken wenige Sekunden, um sich friedlich zu ergeben. Als der Fiesling den Anweisungen aber nicht Folge leisten möchte und seine Mündung auf den bleiernen Offizier richtet, verbiegt jener wortwörtlich im Handumdrehen den Waffenhals und streckt den Angreifer mit einem Schlag nieder.

Konfrontationen werden trocken inszeniert, ohne den Fokus auf unnötige Eleganz oder großes Gerede zu legen. Als Actionfilm hält sich dieses Werk in der Tonalität grimmig und nihilistisch – passende Stilistiken treffen somit das Kalkül des Protagonisten wie eine Blechschicht den Eimer. Hierbei fällt der Hang zum Spektakel dennoch nicht aus, denn darüber hinaus sind die Brutalität wie auch die verkorkste Welt so gnadenlos, wie man es sich nur vorstellen kann. Kriminalität ist das Krebsgeschwür dieser Stadt und man spürt in jeder Einstellung, wie es wuchert. Auf schmierigen Straßen werden schleimige Gefechte ausgetragen, das Detroiter Setting versinkt förmlich in seinem dystopischen Treibhausmief und versprüht ein Klima der dreckigsten Sorte, wenn sich schlammiges Wasser mit aus Arterien austretenden Blutfontänen vermischt. Unter dieser rustikalen Rüstung findet man aber mehr als handwerklichen Bombast, denn die kühle Oberfläche verbirgt eine tragische Geschichte, welche das wahre Herzstück dieses Filmes darstellt.

Weicher Kern

Alex Murphys Transformation unterliegt einer stetigen Ironie, die das Publikum mit der mentalen Rekonstruktion einer fragmentierten Persönlichkeit konfrontiert. Bei der schicksalhaften Operation nimmt die Zuschauerschaft die Perspektive des Hauptcharakters ein und muss mit ihm ertragen, wie in seinem Beisein Entscheidungen von fremden Wissenschaftlern und Unternehmern über seinen Körper gefällt werden. Er befindet sich in einem wachen Bewusstseinszustand und verfügt über keinerlei Mitspracherecht darüber, dass sein intakter Arm entfernt werden soll, weil der Kopf hinter dem Prozess keine Vermenschlichung seines Produktes wünscht. Ähnlich verhält es sich mit dem Gedächtnis von Alex, das ohne weitere Überlegungen auf seine Werkeinstellungen zurückgesetzt wird.

Zwar vergießt der verchromte Cop keine Tränen, allerdings affektiert ihn das Wissen, dass er einst mehr gewesen ist, als eine Marionette der Justiz, die von Schaltkreisen und Algorithmen angetrieben wird. Bezüge zu seiner ursprünglichen Identität lauern um jede Ecke; seien es ehemalige Kollegen, Merkmale in seinem Verhalten oder doch wiederkehrende Erinnerungen, die bei der operativen Umwandlung nicht beseitigt werden konnten. Was als satirisch geleitete Medien- und Modernisierungskritik beginnt, wird mit jeder gewonnenen Erinnerung zu einer bitteren Rachegeschichte. Schon lange steht für Murphy nicht mehr die Verteidigung des unschuldigen Bürgertums im Vordergrund, wenn er wie in Trance durch sein verlassenes Zuhause wandert. Keine Hilfemeldung und kein Anruf haben ihn dorthin geführt, er selbst hat es getan.

Bissig und traurig kreiert Paul Verhoeven mit diesem Klassiker eine tragfähige Balance zwischen massentauglicher Unterhaltung, schwarzhumoriger Karikatur und substanzieller Tiefe. Beeindruckend ist die detaillierte Auseinandersetzung mit dem Zerfall und Wiederaufbau eines Individuums, das zugunsten eines Sozialsystems zweckentfremdet wird, bei dem alle Alarmglocken schrillen. Moralische Dilemmata wie auch private Dämonen werden visualisiert, ohne von vielen Dialogen ihrer erzählerischen Raffinesse beraubt zu werden. Das Drehbuch öffnet ein schier grandioses Konzept und entlockt jenem Potenziale, die einem gerade in dramaturgischer Hinsicht nie in den Sinn kommen würden. Patronen werden zu adäquater Zeit abgefeuert, das Holster in den richtigen Momenten zugeschnallt – RoboCop gibt sich nicht nur geschickt im Umgang mit dem Schießeisen, sondern auch gewissenhaft mit echten Emotionen. Erstaunlich, was diese Innovation nach all den Jahren noch zu leisten vermag.

ROBOCOP IST AKTUELL (STAND: 21. NOVEMBER 2023) BEI AMAZON PRIME VIDEO VERFÜGBAR

9.0
Punkte