©Universal Pictures
Drehbuch: David Cronenberg
Schnitt: Ronald Sanders
Kamera: Mark Irwin
Darsteller*innen: James Woods, Sonja Smits
Land: Kanada
Sprache: Englisch
Länge: 1h28min
Genre: Science Fiction, Horror
Bei der Erwähnung eines Sub-Genres im Horrorbereich, dessen hauptsächliches Charakteristikum sich auf die animalische Demontur bis zur totalen Verstümmelung des menschlichen Körpers stützt, fällt einem zuerst der Name des Mannes ein, der diese Nische geprägt hat, wie kein anderer. David Cronenbergs klassische Blut- und Fleischorgien haben innerhalb der Filmwelt triefende Spuren hinterlassen, denen seit jeher eine gesellige und gefüllte Gefolgschaft an den Fersen heftet. Lächzend nach dem, womit der Regisseur seinen Kultstatus erlangt hat: Body-Horror. Aus seiner verspielten Schlemmerei um perverse Mutationen und krankhaften Blutfluss entsprangen schmierige Schillerperlen wie Die Fliege oder Scanners, die für ihre graphischen Körperanomalien bekannt sind. Ein weiteres Werk, welches zwischen diesen Perlen umherrollt, ist Videodrome.
Eine fast schon dystopische, im Genre der Science-Fiction angesiedelte Prämisse inmitten eines konfusen Plots mit ekelerregenden Body-Horror-Elementen. Sucht man nach spritziger aber seichter Unterhaltung ohne hohe Ansprüche, hat man bei Videodrome nach der falschen Kassette gegriffen. Es handelt sich um wesentlich mehr, als einen kurzweiligen Trip durch die verschiedenfarbigen Lagen des Fleisches. Hier trifft ein spannend inszenierter Abstieg in den Wahnsinn auf knallharte und bissige Konsum- und Medienkritik.
Nicht gerade auf subtile oder sachliche Weise wird den ZuschauerInnen in ihrer Rolle als Observateur der Spiegel vorgehalten. Cronenbergs Aussagen gegenüber des lüsternen Suchtverhaltens der Bevölkerung nach dem nächsten Schocker sind klar und deutlich formuliert. Das Leid anderer wird zur Genugtuung seines Gegenüber und der breiten Riege an dritten Beteiligten. Ob die Druckerschwärze seines verteilten Kopfgeldzettels zu dick und großzügig aufgetragen worden ist, liegt im Auge des Betrachters. Dass Videodrome dadurch aber wahrlich Stimme und Charakter hat, ist ihm nicht abzusprechen.
Die Storyline um den Betreiber eines Fernsehsenders, Max Renn, welcher von einem unglaublich charismatischen James Woods gemimt wird, verfehlt die Zielscheibe als rapider und höchst stimmiger TV-Terror mit kaum einem Wurf. Zwar verkommt der anfangs stark drapierte Protagonist mit dem Fortlauf seines Werdegangs zum ausdrucklosen Nachtschatten, dies geschieht aber mehr und mehr zu Gunsten der Geschichte und ihrer Intentionen. Hierbei sind es insbesondere die Momente, in denen Renns Menschlichkeit in wachsenden Dichten schwindet, die wahrlich unter die Haut gehen. Bis hin zum bitterbösen Finale befindet man sich auf keinem frisch sanierten Pfad, sondern auf einem aufgebrochenen und scharfkantigen Steilpass.
Die stickige Atmosphäre erfolgt in Form minimalistischer Raumstrukturen und der gefassten und grauen Cinematographie. Weniger speziell als das eingefangene Konzept, vermag auch seine audiovisuelle Vermarktung durch ein robotisches Temperament die sterile Verstörtheit des Gezeigten zu transportieren. Dabei ist natürlich auch das, wie es sich für Cronenberg gehört, praktische Handwerk in der abstrakten Umstrukturierung von Extremitäten und sonstigen körperlichen Bestandteilen ein fader Genuss, der nicht unerwähnt bleiben darf.
Videodrome ist kurz, schmerzhaft und dabei wahnsinnig effektiv. Die Botschaft bleibt zeitgemäß und der grobmotorische Umgang seiner unheimlichen Prämisse und den aus ihr mündenden Ereignissen macht aus dem Film gleichzeitig interessante, zum Nachdenken anregende Science-Fiction und brutalen und gruseligen Horror. Bei einem solchen Talent ist es nur ein Glücksfall, dass sein ebenfalls als Regisseur tätiger Sohn, Brandon Cronenberg, die blutigen Gepflogenheiten seines Vaters übernommen hat und uns auch sein nicht gerade bescheidenes Händchen mit Filmen wie Antiviral und Possessor unter Beweis stellen konnte.
9.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.