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Drehbuch: Paul Schrader
Schnitt: Ben Rodriguez Jr.
Kamera: Alexander Dynan
Schauspieler*innen: Oscar Isaac, Tiffany Haddish, Tye Sheridan
Sprache: Englisch
Jahr: 2021
Länge: 1h51min
Genre: Thriller, Drama
Kartenzählen als Routine
Spielautomaten, Kartendecks, Jetons – und inmitten all dessen: ein von seiner Vergangenheit schwer gezeichneter Mann. William Tell (Oscar Isaac) hält sich damit über Wasser, Karten in Casinos zu zählen. Durch die Tatsache, dass er nur kleinen Profit in unter anderem Black Jack abwirft, so erklärt er, vermeidet er es, Hausverbote zu bekommen. Trotz seines Könnens möchte er sich nicht auf eine große Karriere als Spieler, bei der er viel Geld verdienen könnte, einlassen. Dies ändert sich schlagartig, als William den auf die falsche Spur geratenen Cirk (Tye Sheridan) unter seine Fittiche nimmt.
Seine Funktion als Drehbuchautor für Regisseure wie Martin Scorsese (Taxi Driver) stellte die bald 45 Jahre andauernde Regiearbeit Paul Schraders (Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln) unberechtigterweise in den Schatten. Mit First Reformed bewies er vor wenigen Jahren, dass er mit seiner Arbeit als Regisseur noch längst nicht abgeschlossen und sogar zu alter Stärke zurückgefunden hat. Genau das tut auch The Card Counter, ein Psycho-Drama, welches sich seine Zeit zum Atmen nimmt und seinen Figuren gerade genug Raum gibt, um uns Zuschauer*innen einzelne Fragmente, aber bei weitem kein ganzes Bild zu offenbaren.
Welche Ziele William, Cirk oder auch die bald in die Handlung eingreifende Poker-Agentin La Linda (Tiffany Haddish) verfolgen, erschließt man erst mit der Zeit. Schrader schafft es so konstant, aber auf ganz unterschiedliche Weisen, die Spannung aufrechtzuerhalten und Mysterium um Mysterium offenzulegen, ohne dabei seinem Publikum alle Arbeit abzunehmen.
Intime Reise statt typischer Erfolgsstory
In der Regel hält die Kamera dabei lange auf seine Figuren, besonders William und dessen bedächtigen, im wahrsten Sinne des Wortes berechnenden Blick. In anderen Sequenzen – vorwiegend solchen mit Rückblicken – erlaubt sich Kameramann Alexander Dynan, welcher bereits zuvor zweimal mit Paul Schrader zusammengearbeitet hat, etwas kreativer und extravaganter zu werden, wenn auf den Gängen einer Strafanstalt auf eine Fischaugenoptik Verwendung findet. Erzählt aus der Perspektive eines Aufsehers wird so das Gefühl der ständigen Bedrohung und dem Wunsch, alles Mögliche stets im Blick zu haben, verstärkt.
Besonders auffällig ist auch das häufige Zusammenspiel der Bilder mit der von Giancarlo Vulcano und Robert Levon Been gestellten Musik. Die extra für The Card Counter geschaffenen Songs fungieren neben der reinen Szenenuntermalung auch als Vehikel, welches uns etwas über die Figuren und ihre Beziehung zueinander erzählt. Nein sonderlich subtil ist das nicht, wenn am Pokertisch die Worte „we can see each other now“ gesungen werden, doch die elegante Ausführung weiß ihre Wirkung zu entfalten, indem sie die Handlung auch auf musikalischer Ebene sprechen lässt.
Auch im Finale wählt Schrader einen weniger konventionellen Weg, wodurch sich der Eindruck bestätigt, einen Film zu sehen, der Minute um Minute mit den Erwartungen seines Publikums spielt und diese bricht. Das hier ist keine typische Erfolgsstory um einen Mann, der sich an die Spitze der Welt des Pokers spielt – sondern eine intime Reise in das Innere einer gebrochenen Figur, die auf der Suche nach Erlösung ist. Große Höhepunkte bleiben ebenso sehr aus wie eine gewisse Kaltschnäuzigkeit durch unseren Protagonisten im Stile eines Han Solo.
Viel lieber erzählt uns The Card Counter die mitunter sehr schmerzhafte Realität von Anfang bis Ende, die zwar mit einigen Lichtblicken versehen und auf einer bittersüßen Note beendet wird, jedoch im Endeffekt kein bisschen weniger weh tut als ein Schlag in die Magengrube. Paul Schraders neuester Streich pflanzt sich, seine Figuren, Bilder und Töne in die Köpfe des Publikums. Und das alles ohne die Absicht, in naher Zukunft diesen Ort zu verlassen.
THE CARD COUNTER STARTET AM 03. März 2022 IN DEN DEUTSCHEN KINOS