SynopsisCrewDetails
In der kleinen Bergstadt Snow Hollow herrschen Angst und Schrecken, als nach jeder Vollmondnacht verstümmelte Leichen auftauchen. Bald machen sich Gerüchte über einen Werwolf breit, der dort sein Unwesen treiben soll. Der örtliche Sheriff John Marshall besteht jedoch darauf, dass es sich um einen menschlichen Serienmörder handelt. Doch seine persönlichen Probleme mit Alkohol, Wutausbrüchen, einer Tochter im Teenageralter und einem kranken Vater erschweren die Ermittlungen.
© TMDB
Regie: Jim Cummings
Drehbuch: Jim Cummings
Schnitt: Patrick Nelson Barnes, R. Brett Thomas
Kamera: Natalie Kingston
Schauspieler*innen: Jim Cummings, Riki Lindhome, Robert Forster
Produktionsjahr: 2020
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 84min
Genre: Horror, Thriller

Im ruhigen Snow Hollow ist das Polizeipräsidium lediglich die verschneite Trostlosigkeit gewohnt. Als Sohn des Sherrifs und Mitglied der hiesigen Gendarmerie hat John Marshall (Jim Cummings) somit viel Zeit, sich seinen privaten Problemen zu widmen. Regulierungsschwierigkeiten und Alkoholismus regieren seinen Alltag und erschweren ihm den Zugang zu seiner Tochter Jenna (Chloe East), welche schon bald ihr Stipendium an einer Universität antritt. Den persönlichen Dämonen muss jedoch Einhalt geboten werden, als bei Vollmond die verstümmelten Überreste einer jungen Frau gefunden werden. Plötzlich sieht sich das stille Örtchen mit einer Brutalität konfrontiert, die ihren Gewohnheiten trotzt. Das überforderte Polizeiteam muss herausfinden, mit wem sie es zu tun haben. Oder ist es weniger eine Frage nach dem Wer und vielmehr nach einem Was?

Auf den Spuren eines Mythos

Nach ein paar Landschaftsaufnahmen von hohen Tannen und weißen Weiten lernen wir ein glückliches Pärchen kennen. Das Klima ist überwiegend positiv, die Ersteindrücke lassen keine Prognose auf kommende Geschehnisse zu. In den ersten Momenten scheint The Wolf of Snow Hollow ein konventioneller Krimi zu werden, dies ändert sich aber schlagartig mit dem bestialischen Mord und dessen mutmaßlichen Übeltäter. Während sich die Stadt größte Mühe gibt, der Paranoia nicht nachzugeben, türmen sich die Leichen. Die Anzeichen sind eindeutig und doch will die Polizei sie nicht als klaren Beweis werten, denn alles an dem zerfetzten Kadaver deutet auf einen Werwolf hin.

Ein Werwolf? Aber so etwas gibt es doch nur in Gruselmärchen! Die Haltung von John ist klar: Wir suchen einen Mörder humaner Natur. Wo andere klare Bissspuren eines hundeartigen Kiefers erkennen, erkennt John nichts als Humbug. Eine Illusion, ein Trick und nichts weiter. Um das Gerücht auszuhebeln, das von Tag zu Tag an Macht und Anhängern gewinnt, wendet sich der Protagonist klassischen Ermittlungsmethoden zu. Allerdings erbringen diese keine klassischen Hinweise, denn im Gegensatz zu ihm sind die Einwohner nach weiteren Morden beinahe einstimmig überzeugt: Wenn es aussieht wie ein Wolf, jault wie ein Wolf und tötet wie ein Wolf, dann ist es wahrscheinlich ein Wolf.

Das Drehbuch schafft mit dieser Ausgangslage einen interessanten Konflikt, der den eigenen Aberglauben auf die Probe stellt. Es wird immer schwerer dem Offensichtlichen entgegenzuwirken, völlig gleich wie absurd jenes auch sein mag. Ein blutiger Pfotenabdruck und Wolfshaare auf einer Leiche sollten Beweis genug sein, um als Tatsache durchzugehen. Sturheit und Wissen wehren sich aber dagegen, lehnen sich förmlich gegen die dominieren wollende Fantasie auf. The Wolf of Snow Hollow zeigt dem Publikum das Geschehen, lässt es selbständig Zeuge werden und versteckt die Wahrheit nicht. Nichtsdestotrotz fragt man sich, ob die Wahrheit nicht doch ein Gerücht ist. Anders gesagt: Man traut seinen eigenen Augen nicht.

Nackt unter Tieren

Unser Hauptcharakter wird von Frustration und Besessenheit konsumiert, da seine Rationalität der Verrücktheit des Falles nicht gewachsen scheint. Also flüchtet er in alte Verhaltensweisen, mischt Alkohol in seinen Kaffee, streitet mit seinem Kollegium über jede Kleinigkeit und verpasst praktisch jede Möglichkeit, seiner Tochter ein zugewandter Vater zu sein. Jim Cummings erzählt eine mehrflächige Geschichte, sodass weder der Fortschritt der Investigation noch das Privatleben seiner Figur zu kurz kommen.

Der Lösung des Falles kann er sich nur schleichend nähern, während die Kluft zur Lösung seiner Probleme immer breiter und klaffender wird. Dies wird in einem Gespräch mit seiner Tochter deutlich, welche selbst kurz davor war ein Opfer der Mordserie zu werden. Anstatt sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen, zieht John es vor, sie zu befragen und den mit Fell überhäuften Angreifer zu verfolgen. Erst nach ihrer emotionalen Reaktion auf seine Ignoranz wacht er aus seiner Rolle als Ermittler auf. Er ist entblößt, will er doch zu spät die Rolle des Vaters einnehmen.

Rein erzählerisch wartet The Wolf of Snow Hollow mit einem effektiven Genre-Mix aus Drama und Horrorthriller auf, wobei die Bedienung beider Seiten gelingt. Wäre die Tonalität des Szenarios etwas einheitlicher, könnte man problemlos von einem der besten Thriller unserer Neuzeit reden. Jedoch streut Jim Cummings mittels trotteliger Musik und Situationskomik Elemente ein, um für einige Lacher zu sorgen.

Dabei bleibt er seiner Arbeit zwar treu, wahrlich in das Konstrukt einfügen will sich sein Humor bei dieser düsteren Storyline und graphischen Gewalt aber kaum. Auch die recht trockene Auflösung des Mysteriums fällt etwas ab, gerade in Anbetracht des subversiven Umgangs mit bekannten Genre-Tropes, welche der Film bis dahin charmant auszukontern wusste. Letztlich sorgt das Spiel mit dem Unmöglichen dafür, dass die Handlung konstant spannend bleibt. Ein Thriller, der einen wirklich an der Nase herumführt, ist inzwischen ein seltener Luxus.

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7.0
Punkte