England, 15. Jahrhundert. Hal (Timothée Chalamet) ist als des Königs ältester Sohn wenig an der kriegstreibenden Politik seines Vaters interessiert. Stattdessen kümmert er sich lieber um das Trinken mit seinem Freund John Falstaff (Joel Edgerton) und das Anbändeln mit hübschen Mädchen. Dazu kommt noch, dass Hals jüngerem Bruder statt ihm das Königserbe zugestanden werden soll. Bis eben dieser Bruder dann aber in der Schlacht stirbt und Hal unverhofft doch zu Henry V. gekrönt wird, als der Vater seiner Krankheit erliegt. Nun sieht sich Hal vor einem von Rebellionen gebeutelten Königreich und muss versuchen, den Frieden wiederherzustellen.

Dass gerade die englische Historie immer wieder spannende Geschichten hervorgebracht hat, ist spätestens seit dem riesigen Erfolg von Game of Thrones, dessen wohl wichtigster Handlungsstrang vom Krieg der Rosen inspiriert ist, klar. Und wenn Shakespeare eine ebensolche Geschichte zu einem Drama adaptiert, dann spricht auch das nur für sie. Es geht um Hal, der sein Leben immer in vollen Zügen genießen konnte. Auf einmal bekommt er aber einen dicken Haufen Verantwortung namens Königreich England zugeschaufelt, und wird dabei nach seinem anfänglichen reformistischen Eifer schnell mit der Realität konfrontiert. Timothée Chalamet, ein Publikumsliebling spätestens nach seiner Hauptrolle in dem Meisterstück Call Me by your Name, steigt hier in eine Figur ein, die seinen bisherigen Rollen auf den ersten Blick alles andere als ähnelt. Seine bisherigen Verkörperungen waren häufig die eines fragilen, emotionalen Jungen (Call Me by your Name, Beautiful Boy). In The King hingegen spielt er die schnelle Wandlung eines rebellischen jungen Mannes zum möglichst rechtschaffenen König.

Die Tatsache, dass Chalamet auch diese Aufgabe problemlos meistert, gehört zu den größten Punkten, die für David Michôds Historien-Drama sprechen. Das liegt auch daran, dass er eben doch auch Teile aus seinen anderen Rollen hier mit einarbeiten kann. Denn Henry ist zwar ein König, aber allen voran eben das, was er vor seiner Krönung war: Ein Junge. Hinter jeder überbordender Schlachtesrede und hinter jeder hitzigen Diskussion mit seinen säuselnden Beratern steckt dieser Junge, der sich sein altes Bett, seine alten Freunde und sein altes Leben zurückwünscht. Vermitteln kann das wahrscheinlich kaum jemand so gut wie der 23-jährige. Schon allein sein Körper, seine Statur, steht für genau das. Wenn der junge König in seiner Kettenrüstung in den Kampf rennt, wirkt es unbeholfen, wirkt sein Körper zu klein für die Rüstung – für die Verantwortung.

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Genau darum geht es in The King. Ein guter Mensch wird zum König und versucht ein guter Mensch zu bleiben. Dass ein guter Mensch König werden kann, schön und gut, aber kann ein König ein guter Mensch sein? Regentschaft als Bürde, unmögliche Entscheidungen treffen zu müssen. Henry startet als selbstbewusster, indolenter, aber friedliebender Jungspund und verkommt in kürzester Zeit zur Schachfigur seines Hofes, der nur eines Balles wegen einen Krieg beginnt.

Nach Hals Krönung beginnt ebenjener Abschnitt des Films, der genau das deutlich macht und kommentiert. Gleichzeitig ist es aber auch die Phase der 130 Minuten, indem man als Zuschauer am meisten Schwierigkeiten hat. Denn nach einem ziemlich flotten Start verliert The King dann abrupt an Geschwindigkeit. Der Krönung folgen vor allem Gespräche mit Beratern, teilweise nur szenenweise eingestreute immer mehr werdende Charaktere und sich stets ähnelnde Kulissen. Filme wie Der Pate schaffen es auch, letztendlich Dialoge aneinanderzureihen, ohne dass es ermüdend wird. The King fehlt es da an einem kohärenten Fluss in eben dieser politischen Phase der Handlung. So gut die Geschichte auch konstruiert sein mag, nimmt sie eben sehr sehr lange Anlauf und testet hier eure Geduld. Letztendlich ist man doch froh, wenn sie sich ab der Hälfte in den cinematographisch deutlich eindrucksvolleren Teil begibt.

Nahezu jede Szene in Frankreich ist nämlich absolut umwerfend aufgenommen. Man kann sich zwar über den Einsatz von Lense Flares in einem Historien-Film streiten, aber das Lichtspiel und die Kulissen erzeugen teils atemberaubende Szenen. Die schönen Bilder setzen sich dann fort im Höhepunkt des Films. Die Schlacht, für die Henry V. so bekannt ist, erinnert vor allem an die Schlacht der Bastarde aus oben schon angesprochener Fantasy-Serie. An ihre Brillanz kommt Michôd mitnichten heran, aber die Klaustrophobie der chaotischen Kämpfe, in denen man Mitstreiter und Feind nicht unterscheiden kann, in denen man gut und gerne mal tot getrampelt werden kann, wirkt dennoch. Hat man aber nun mal auch schon besser gesehen. Hervorheben muss man aber die historische Akkuratesse, mit der man sich hier bewegt, nicht nur von der Ausstattung gesprochen, auch von Kulissen, die überraschend größtenteils entsprechend der historischen Gegebenheiten gewählt wurden.

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Wo man bisher von einem düsteren, nachdenklichen und manchmal zu trockenen Film spricht, kommt dann übrigens auch noch Robert Pattinsons Verkörperung des Sohns des französischen Königs ins Spiel. So schrullig seine Rolle auch sein mag und so völlig überzogen er sie auch spielt, bringt sie einfach so viel Leben in die Bude. Da kommt man vom bedrückenden Philosophieren über das König sein und die Sinnlosigkeiten des Krieges zu einem Mann, der sich mit künstlichem französischen Akzent über Timothées Penisgröße lustig macht. Im ersten Moment unfassbar unpassend, im zweiten sieht man ihn als Mit-Highlight des ganzen Films. Schade, wie wenig Screentime Pattinson gewährt wurde.

Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass The King eines der Netflix-Originals-Highlights 2019 ist. Zugegeben, die Qualität der anderen Produktionen war dieses Jahr nicht unendlich hoch, aber trotzdem sprechen wir hier von einem absolut gelungenen Film, der zwar Schwierigkeiten mit einem konstanten Pacing hat, aber von einem richtig starken Cast und tollen Aufnahmen profitiert. Die Antikriegs-Botschaft, die gerade am Ende dann vielleicht etwas zu dick aufträgt, funktioniert grundlegend genauso wie der Kommentar auf Machtgier und das Gut sein. Mit Sicherheit wird man in Zukunft, wenn man sich über The King unterhält, aber vor allen von Timothée Chalamet und Robert Pattinson sprechen.

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