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In seinem zweiten Jahr der Verbrechensbekämpfung deckt Batman Korruption in Gotham City auf, die mit seiner eigenen Familie in Verbindung steht, während er einem Serienmörder, der als Riddler bekannt ist, gegenübersteht.
©TMDB
Regie: Matt Reeves
Drehbuch: Matt Reeves, Peter Craig
Schnitt: William Hoy, Tyler Nelson
Kamera: Greig Fraser
Schauspieler*innen: Robert Pattinson, Zoë Kravitz, Paul Dano
Produktionsjahr: 2022
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h56min
Genre: Krimi, Action

Ein Held auf Rätseljagd

Immerwährende Nässe, stickige Luft und Zwielicht – das sind die Merkmale der Metropole Gotham City. So auch in The Batman. Trostlos muss das Noir-Territorium des Rächers im Fledermausanzug sein. Schließlich ist der Schauplatz in der Comicwelt ein Synonym für Jahrhunderte andauerndes Elend, beispiellose Korruption und tödliche Sackgassen. Ein Ort, an dem der Zweck die Mittel heiligt und es einen rechtschaffenen Wächter außerhalb des Gesetzes dringend braucht: den Milliardär Bruce Wayne, Batman.

Allein Greig Frasers Bilder in den ersten Szenen gestalten eine düstere Atmosphäre, die über die gesamte Laufzeit ihren Sog beibehält. Batmans Territorium ist eine Stadt, in der das Verbrechen niemals schläft. Wenn das Batsignal die rabenschwarze Nacht erhellt, ist es daher kein Leuchtfeuer, sondern eine Warnung.

Eine Mordserie rüttelt das Rechtswesen Gothams auf. Am Tatort werden direkt an Batman adressierte Rätsel hinterlassen. Nun gilt es, dem selbsternannten Riddler das Handwerk zu legen, der Bruce dazu zwingt, sich mit seiner eigenen Vergangenheit und der Korruption innerhalb der Stadt auseinanderzusetzen. Rätsel müssen geknackt und Informationen in Verbrecherkreisen gesammelt werden. Aber egal, wie schnell Batman auch die Rätsel entschlüsselt, der Riddler scheint ihm immer mehrere Schritte voraus zu sein.

Comicgetreuer Film noir

Erst die TV-Serie mit Adam West, dann die Filme von Tim Burton, Joel Schumacher, Christopher Nolan, Zack Snyder – nun Matt Reeves. Die Historie der Verfilmungen rund um Batman ist lang. Trotzdem stellt The Batman unter den Werken eine Rarität dar. Aus der Perspektive eines leidenschaftlichen Comiclesers haben vorherige Regisseure die Figur eher stiefmütterlich studiert. Ihre Inspirationen stammen aus den „besten“ Batmancomics, einer Handvoll Werken. Um eine Figur tiefgreifend zu verstehen und dann auch abzubilden, bedarf es mehr.

Reeves blätterte länger in den Seiten, las abseits der Klassiker und konnte daher comicgetreuer die Quintessenz der Figuren in seine Version integrieren. The Batman zeigt ausführlich den dunklen Ritter als Detektiv und seinen inneren Kampf in einer moralisch verseuchten Großstadt. Eine Kerneigenschaft Batmans, die noch nie in dieser reinen Form ins Kino fand. Dem Regisseur gelingt damit die erste adäquate Bewegtbildumsetzung, die dem Comicverlag gerecht wird: The Batman ist die Verfilmung eines modernen Detective Comics.

Dafür tunkte man die Geschichte tief in die Ästhetik eines Neo-Noirs, sodass Dunkelheit die Einstellungen beherrscht und die Einwohner Gothams zu verschlingen droht – Se7en oder Zodiac, aber auch The Long Halloween lassen grüßen. Batman rahmt per Voice-Over zu Beginn und zum Ende die Kriminalfilm-Handlung, durch deren Einstellungen zwielichtige Gangster wie Colin Farrells porträtierter Pinguin oder John Turturros Carmine Falcone wandern. Allen voran fasziniert Zoë Kravitz’ Version der Selina Kyle, die bei flammenrotem Sonnenauf- oder -untergang oder in Tanzklubs ihre Femme-Fatale-Fähigkeiten ausspielt, als Catwoman verletzlich und verführerisch zugleich sein darf. Nicht nur die Ästhetik gleicht somit der schwarzen Serie, sondern auch die Erzählweise und Charaktere.

Findungsphase in der Finsternis

Die Frontlichter von Catwomans oder Batmans Motorrädern scheinen bei gemeinsamen Touren nur wenige Meter voraus. Sie fahren nicht auf Sicht, sondern in die Finsternis. Jede Szene ist ein neuer Kampf im Schatten, die der dunkle Ritter zu seinem Vorteil nutzt, mit den Rätseln an düsterste Orte gelangt. Seine innere Zerrissenheit wird auf die Probe gestellt. Will Bruce für Menschen einstehen oder erliegt er seiner persönlichen Vendetta der Vergeltung? Unter der Maske und in seinen Taten ist der Hang zu letzterem nur für wenige Momente unterbrochen. Unter anderem dann, wenn Batman dem Sohn eines Mordopfers in die Augen schaut und nur ein Blick reicht, um Mitgefühl deutlich zu machen. Die animalischen Fähigkeiten, die der Held selbst anspricht, weichen kurz der Menschlichkeit. Bruce muss seine Taten hinterfragen, eine Bestimmung finden.

Denn der dunkle Ritter, der nun die Leinwand betritt, hat sich zur Zeit der Handlung zwar etabliert. Aber noch nicht gefunden. Er ist stur und schnippisch – besteht im Polizeirevier darauf, drei Polizisten angegriffen zu haben und nicht nur einen, wirft mit kühler Stimme vor versammeltem Polizeirevier dem Polizeichef Korruption vor. Bruce ist egal, was mit ihm geschieht. Kein Wunder, dass er in den Actionszenen Schläge in Kauf nimmt, nicht mal ausweicht. Dass er für Hoffnung in einer hoffnungslosen Stadt sorgen könnte, erkennt er noch nicht.

Vieles erinnert an die Eigenschaften der vor zehn Jahren erschienenen New 52-Batmancomics, deren Storyline Zero Year definitiv hier Einzug hält. Darin ist Batman noch provisorisch auf dem Motorrad unterwegs, im Film entschied sich Reeves oftmals für selbiges. Zudem unterstreicht das furiose Batmobil – hier ein Muscle-Car, eben kein taktischer Panzer wie in früheren Filmen und den Comics – den Rebellen. Und wie in Zero Year kann Batman zu dem Zeitpunkt seine Wut noch nicht im Zaum halten, schadet eher, als dass er hilft. Wir begleiten demnach den Helden bei seiner dreistündigen Sinnsuche.

Ein Leuchtfeuer für Comicverfilmungen

Ist Nolans Ansatz noch ein hyperrealistischer gewesen, versucht sich Reeves lediglich an einem geerdeten. Dadurch erlangt der Schauplatz Wiedererkennungswert, ist nicht mehr nur eine Großstadt von vielen wie in Nolans Trilogie. Die Charaktereigenschaften können so treuer übernommen werden, der Rest wird dem Zeitgeist entsprechend angepasst. Schrullige Schurken in kunterbunten Kostümen gehören abermals der Vergangenheit an. Stattdessen schickt man sich ein weiteres Mal an, alte Bösewichte zu rehabilitieren.

War der von Jim Carrey dargestellte Riddler durch Batman Forever zur Lachnummer geworden, ist er hier in der irren Verkörperung von Paul Dano eine ernstzunehmende Bedrohung, wenn er im Armeeanzug wie Darth Vader in seinen Handyaufnahmen keucht, auch diabolisch schreit und lacht. Das ist nicht der ulkig aussehende Riddler aus den Comics, aber es bleiben die psychopathischen Merkmale unter der Maske. Diese konsequente Vereinigung zwischen den Figureneigenschaften aus den Vorlagen und der Erdung, die im Medium Film notwendig ist, hebt diese Batman-Version über die bisherigen. 

Reeves nimmt für die DC-Verfilmung in Kauf, Zuschauer*innen drei Stunden Sitzfleisch für eine Neo-Noir-Geschichte abzuverlangen, in der der pessimistische Held für lange Zeit buchstäblich im Dunkeln tappt und kinetische Energie seltener, dafür umso brachialer umgesetzt wird. The Batman zieht seine Stärke aus der Ruhe der kontrastreichen Bilder, aus der Charakterisierung des Schauplatzes und der gepeinigten Mimik Pattinsons für eine eskalierende Geschichte über den „World’s Greatest Detective“.

Wenn das Batsignal am Ende des Films endlich doch die Hoffnung der Bürger symbolisiert und Batmans Wandlung vom Vergelter zum Ritter vollzogen ist, strahlt der ganze Film als neue Hoffnung aus dem Einheitsbrei aktueller Comicverfilmungen wie ein Leuchtfeuer empor, das Film- und Comicgenre ästhetisch und thematisch einwandfrei vermählt. Eine Kreation, die nach so vielen Adaptionen immer unwahrscheinlicher wurde. Die erste wahre Detective-Comics-Verfilmung lohnt sich.

9.0
Punkte