Catch the Killer – Review 

29 Schüsse, 29 Treffer. Inmitten des Lärms von Feuerwerkskörpern und Partys beendet ein Scharfschütze binnen weniger Minuten beinahe 30 Leben unschuldiger Menschen. Unschuldige Menschen, die den Übergang ins neue Jahr entweder gar nicht erst erleben oder lediglich kurz genießen dürfen. Nicht nur die makellose Trefferquote bietet Anlass zur Sorge, auch die zusammenhangslose Opferwahl stellt die hiesige Gendarmerie vor ein riesiges Fragezeichen. Während zahlreiche Polizisten in der Panik untergehen, behält Officer Eleanor Falco (Shailene Woodley) einen kühlen Kopf und veranlasst mehrere Videoaufnahmen, welche die aus dem als Tatort verdächtigten Gebäude strömenden Menschenmassen aufzeichnen. Ein logisch wirkender Akt, der den erfahrenen Agenten Geoffrey Lammark (Ben Mendelsohn) dennoch völlig von ihren Fähigkeiten als Ermittlerin überzeugt. Trotz mangelnder Qualifikationen in Form von Status und Berufserfahrung rekrutiert er Falco für die Suche nach dem Mörder – in seiner Rolle wird nämlich jede Hilfe benötigt, die man kriegen kann.

Frustrierende Stolperfallen

Unsicherheit und Angst machen sich breit, schließlich ist man als Bürger weit davon entfernt, über den aktuellen Stand einer Investigation informiert zu sein. Gelegentlich wird die Möglichkeit gegeben, in einer Zeitung von erfolgreichen Inhaftierungen zu lesen oder im Fernsehen eine Pressemitteilung über eine Verhaftung zu begutachten. Der Weg zu selbiger bleibt jedoch überwiegend schleierhaft. Wie schwer und aufwendig, zeitweise unmöglich zu meistern dieser scheint, will man in dem Moment auch gar nicht wahrhaben. Stattdessen nimmt man sich das Recht her, die Polizei zu verfluchen und als inkompetent zu betiteln. Es ist einfacher, einen Sündenbock an den Pranger zu stellen und ihn zu beschuldigen, dass man nach mehreren Tagen noch immer in Furcht vor dem Monster leben muss, das auf den Straßen sein Unwesen treibt. Man will keine Erklärungen oder Entschuldigungen, man will Ergebnisse.

Undankbar ist die Verantwortung, welche auf dem Ermittlerteam lastet. Zwar sind dies Zustände, mit denen Lammark mehr als vertraut ist, jedoch immer wieder zu einem frustrierenden Verlauf seiner Arbeit beitragen. Das unbekannte Subjekt ist einer von vielen Menschen, die als Verdächtiger infrage kommen. Vorgehensweise wie auch Schauplatz liefern keinerlei brauchbare Hinweise, um das Spektrum einzudämmen. Lammark hechtet einem Phantom hinterher, wobei er sich auf die wenigsten Leute seines Umfeldes verlassen kann. Anstatt dem Anlass einer Ausgangssperre zuzustimmen und Leben zu schützen, nutzt Jesse Capleton (Nick Walker) seine Position als Abgeordneter des Bürgermeisters aus und zwingt ihn zur Unterzeichnung eines Dokumentes, welches das genaue Gegenteil bewirkt.

Wo das erwirtschaftete Profil gewisse Personen bereits ausschließt, ordnet Frank Graber (Richard Zeman) über Lammarks Wissen hinweg einen Zugriff an, bei dem ein psychologisch instabiler, junger Mann von den Behörden in eine Zwickmühle getrieben wird und als Reaktion Chaos anrichtet. Der Job ist auch ohne stetige Interferenzen hart genug, aber wenn sich genau die Instanzen gegen einen richten, die eigentlich als Unterstützung dienen sollten, wirkt jede Mühe umso belangloser. In diesem Aspekt gibt sich das Drehbuch wahnsinnig ambitioniert, da es vom Verlauf durchaus einfach und vorhersehbar wirkt, allerdings auch genauso nah an der Wirklichkeit operiert. Exakt so abgründig und deprimierend muss man sich die Jagd nach einem Mörder vorstellen, wenn politische wie auch soziale Faktoren die investigative Detektivarbeit unaufhörlich ausbremsen.

Erdrückender Realismus

Besagter Realismus äußert sich aber in weiteren Facetten des Filmes. Ebenso trägt die gekonnte Inszenierung von Regisseur Damián Szifron dazu bei, dass dieses Werk höllisch atmosphärisch anzusehen bleibt. Schon innerhalb der ersten Einstellungen des dunklen, nassen Stadtviertels eleviert sich eine pessimistische Stimmung. Obgleich der festlichen Umstände fehlt es an Farbe, fröhlichen Gesichtern oder greifbarer Positivität. Die Inszenatorik bietet einen Vorgeschmack auf kommende Ereignisse – Baltimore ist in ebenjener Nacht ein Ort, der von Gott verlassen wurde.

Neben der Sogwirkung, die von der hypnotischen Kameraführung erzeugt wird, weiß Szifron die Charaktere auf empathische Art zu durchleuchten und den Prozess damit umso menschlicher zu präsentieren. Eleanor sieht sich mit ihren persönlichen Dämonen konfrontiert und stellt auf Basis dessen Theorien und Anhaltspunkte zur Identität des Killers vor, mit denen ein tiefer und ehrlicher Einblick in psychische Gefilde geboten wird – ihre eigenen, wie auch die des fremden Sniper. Interessant hierbei ist, dass der Täter auch bei dessen Verfolgung nie wie eine Bestie dargestellt wird. Niemals finden sich Beleidigungen oder Abstufungen seiner Menschlichkeit im Wortgebrauch der Ermittler, da sie den Fokus auf Ihresgleichen setzen und konsequent beibehalten.

So bleibt man permanent direkt am Geschehen und den Figuren. Wirklich revolutionär ist die Story des Filmes zu keinem Zeitpunkt, aber das muss sie auch nicht sein, wenn man die Gegebenheiten derart effektiv verpackt, wie hier. Wenige Vertreter des Genres vollführen nachvollziehbare Wendungen dermaßen flüssig und konnotieren Problematiken einer Berufung, bei der Problematiken bereits zum täglich Brot gehören, so authentisch. Ein moderner Krimi, der auf jeder erdenklichen Ebene spannend zu verfolgen ist und von Beginn an mit einer enervierenden Razzia aufwartet, Catch the Killer arbeitet sich weit über das Klischee des konstruierten Thrillers hinaus, denn irgendwann glaubt man ihm wirklich alles, was auf der Leinwand passiert.

CATCH THE KILLER LÄUFT SEIT DEM 05. OKTOBER 2023 IN DEN DEUTSCHEN KINOS