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Die Schlacht der Rohirrim spielt etwa 183 Jahre vor den Ereignissen von “Der Herr der Ringe” und erzählt die Geschichte von Helm Hammerhand, einem legendären König von Rohan, der sich gegen ein Heer von Dunlendingen verteidigen muss. Er wird zum Namensgeber für die Festung Helms Klamm.
© TMDB
Regie: Kenji Kamiyama
Drehbuch: Arty Papageorgiou, Phoebe Gittins, Jeffrey Addiss, Will Matthews
Schnitt: Tsuyoshi Sadamatsu
Schauspieler*innen: Gaia Wise, Brian Cox, Luke Pasqualino
Produktionsjahr: 2024
Land: Japan, Neuseeland, USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h14min
Genre: Animation, Fantasy

Da ein royaler Thronsaal nicht gerade zum Boxring taugt, fordert Helm Hammerhand (Brian Cox) seinen liebsten Feind vor dessen Türen zum Faustkampf heraus. Eigentlich als Kongress des Zusammenhalts vorgesehen, reichen von beiden Parteien wenige Worte aus, um die Entscheidung des temperamentvollen Königs einvernehmlich zu gestalten. Doch etwas Ungewolltes geschieht, als ein Kinnhaken des muskulösen Herrschers von Rohan genügt, um sein Gegenüber permanent zum Schweigen zu bringen. Als Konsequenz des von einem König an einem anderen König ausgeübten Totschlages entwickelt sich aber kein politischer Interessenkonflikt, sondern etwas ungemein Persönliches.

Aus einem Elefanten eine Mücke machen

Nachdem er den Leichnam in den Armen hält, schwört Wulf (Luke Pasqualino), der Sohn des soeben verstorbenen Königs, dass Helm diese Tat mit seinem Leben bezahlen wird. Umso bitterer ist diese Androhung, da die hasserfüllten Worte ausgerechnet von dem Mann ausgepresst werden, welcher der engste Kindheitsfreund von Héra (Gaia Wise) ist, der Tochter Helms. Wenn negative Empfindungen aus einst positiven Beziehungen folgen, entbrennt die entstehende Wut oftmals doppelt so stark. Gefährlich ist die Mischung aus Verzweiflung und Trauer, welche Wulf als Waffe der Vergeltung einsetzt.

Auf dem innerweltlichen Hintergrund bedeutet dieser eine Hieb, der einen König ins Jenseits befördert hat, praktisch alles. Der Schmetterlingseffekt misst in enormen Einheiten und löst eine Welle der Gewalt, Angst und Hungersnot aus. Komplotte unter- sowie gegeneinander, zerrissene Allianzen und vorausschauendes Manipulieren treiben in einer Nation ihr Unwesen, die vorher zwar weit davon entfernt gewesen ist, perfekt zu sein, am Ende des Tages aber doch für Sicherheit im Volk gesorgt hat. All diese Kontexte, Motivationen und Umbrüche in den dargestellten Instanzen werden bedauerlicherweise auf das Nötigste reduziert, weswegen sich die Erzählung von Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim anfühlt, als wäre eine kleine Geschichte in einer riesengroßen Welt verloren gegangen.

Vielen Charakteren wohnt eine Distanz inne, sodass ihre Taten von einer Unnahbarkeit durchzogen sind, die kompromisslos akzeptiert werden muss. Wieso König Hammerhand dickköpfig und impulsiv wie er ist in einem Fingerschnipp einen seiner wichtigsten und zuverlässigsten Heerführer unehrenhaft entlässt, ohne sich die Perspektive von ihm oder seiner Tochter anzuhören, ist lediglich auf eine Kurzschlussreaktion zurückzuführen, die das Publikum zu akzeptieren hat. Weshalb Wulf nach zahlreichen Siegen auf dem Schlachtfeld dem Duell mit dem Mörder seines Vaters ausweicht, wobei all seine Mühen der letzten Jahreszeiten auf exakt diesen Moment hinarbeiten, kann als spontane Furcht interpretiert werden, die akzeptiert werden muss.

Einiges bleibt dünn oder überhaupt nicht vorgetragen. Außer der sympathischen Protagonistin lockt keine Figur eine Reaktion hervor, die ein tieferes Investment in die Story zulässt, geschweige denn ein tieferes Verständnis für die Sachverhalte. Dadurch erlangt der Film zwar ein passables Tempo und man merkt ihm seine Länge von über zwei Stunden selten an, doch steckt in der Geschichte viel mehr Potenzial als das letztendliche Material, das an die Oberfläche getreten ist. Von der Emanzipation eines patriarchalischen Regimes, welches aus einer Zwangsheirat einen militärischen Vorteil zieht, bis hin zu auf Krieg konditionierte Blutlinien gibt es interessante Flächen, auf denen eine Thematik ihr Fundament bauen könnte. Das Drehbuch jagt dennoch regelrecht durch all diese Aspekte, das Narrativ macht aus einem Elefanten eine Mücke.

Schöne Panoramen, leere Felder

Dass diese Erzählung innerhalb J. R. R. Tolkiens Welt voller Fantasiewesen spielt, ist nicht wirklich zu merken, was jedoch weder besonders zu loben noch kritisieren ist. Nicht dauerhaft von penetranten Anspielungen oder derartigem überströmt zu werden, ist zuweilen auch mal ganz angenehm. Eher ist die Tatsache etwas ärgerlich, dass sich das präsentierte Universum wenig in seinen fantastischen Konturen zeigt und ein relativ stereotypes Bildnis von mittelalterlichen Kulissen in Form von Dörfern, Zeltlagern oder Festungen zeichnet. Eine Szene, in der ein im Herzen eines Waldes lebendes Ungeheuer einen tobsüchtigen Elefanten in einen Sumpf zerrt und verschlingt, ist ein Setting, welches man später beim Anblick kahler Mauern oder hohen Türmen vermisst.

Hiermit ist nicht gemeint, dass die Welt sich zu einem Spektakel des Fantastischen zwingen sollte, sondern sich einfach von mehr als nur einer Seite zeigen dürfte. Auch wenn der Animationsstil in seiner Kombination von zweidimensionalen Bewegungen auf teilweise dreidimensionalen Hintergründen etwas Eingewöhnung erfordert, hat er ein paar tolle optische Szenerien parat. Wenn ein Anime dann doch kaum etwas von der Landschaft zeigt, von der man bereits weiß, dass sie existiert, bleibt auch die Visualität etwas hinter ihren Möglichkeiten zurück. Logischerweise liegt der Fokus auf den Aspekten der Zwischenmenschlichkeit, welche nach ihrem Versagen eine komplette Bevölkerung ins Unglück stürzt, balanciert das Endprodukt aber nicht genug auf der Wippe an Elementen, die ihm zur Verfügung stünden.

Schick anzusehen bleibt das Ambiente immer noch und in der zweiten Hälfte kommen die Charaktere ein klein wenig mehr aus sich heraus, nichtsdestoweniger sind diese hellen Minuten Momentaufnahmen im Gegensatz zu dem, was die Story bereits versäumt hat. Als actionreicher und an den richtigen Stellen konsequenter Animationsfilm bietet er eine Rasanz und Zielstrebigkeit, welche einen nicht das Interesse an den Schachzügen der illustrierten Fehde verlieren lässt. Unabhängig von sämtlichen Erwartungen, die man an einen neuen Film stellt, der sich einen Namen mit Peter Jacksons populären Eroberungen des Fantasy-Kinos teilt, ist Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim inhaltlich allerdings bei weitem nicht so gehaltvoll, wie seine Flora und Fauna.

DER HERR DER RINGE: DIE SCHLACHT DER ROHIRRIM LÄUFT AB DEM 12. DEZEMBER 2024 IN DEN DEUTSCHEN KINOS

6.0
Punkte