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Drehbuch: Jean-Luc Godard, Geneviève Cluny
Schnitt: Agnès Guillemot, Lila Herman
Kamera: Raoul Coutard
Schauspieler*innen: Anna Karina, Jean-Claude Brialy, Jean-Paul Belmondo
Land: Frankreich
Sprache: Französisch
Länge: 1h23min
Genre: Drama, Comedy
Cinemascope in ausgeklügelten Farben
Totales Chaos herrscht im Haushalt von Angela und Émile. Angela, eine Strip-Teaserin, hat beschlossen, dass sie in den nächsten 24 Stunden schwanger werden möchte. Émile ist etwas genervt und argumentiert, die beiden hätten noch reichlich Zeit. Doch darum geht es Angela nicht. Schließlich weiß sie durch ein Horoskop, dass sie gerade fruchtbar ist. Darum fordert sie die Schwangerschaft. Jetzt. Wenn Émile nicht bereit dazu ist, sucht sie sich eben jemand anderen.
Alfred kommt ins Bild, ein Freund Émiles, insgeheim ebenfalls verliebt in Angela. Die folgenden Stunden im Film vermixen “Wir-reden-nicht-mehr-miteinander-Streiks”, das El Clásico zwischen Real Madrid und FC Barcelona, Musik, Filmreferenzen und vor allem: Liebe.
Eine Frau ist eine Frau ist Jean-Luc Godards – einer der bekanntesten Regisseure Frankreichs und das Vorzeige-Gesicht der Nouvelle Vague – erster Farbfilm und das sieht man. Nachdem Godard ein Jahr zuvor mit seinem Spielfilmdebüt Außer Atem auf sich aufmerksam machte, dieser jedoch noch in Schwarzweiß die Leinwände füllte, merkt man hier, wie viel Spaß Godard wohl an der Farbsetzung hatte. Blau, weiß und rot sind bezeichnend für die Farbpalette des Filmes. Kein Wunder, so bilden sie schließlich auch die Flagge Frankreichs.
Frankreichs aufgebrochene Rollenbilder
Generell geht es sehr um Godards Heimatland. Spezifischer gesagt um das dortige Frauenbild. Dennoch kommt eine Verarbeitung der Verhaltensweisen von Männern und der Interaktionen zwischen Frau und Mann ebenfalls nicht zu kurz. Das alles in unter 85 Minuten. Godard beweist, dass er ein Meister darin ist, viel Inhalt in wenig Zeit zu verpacken. So ist Eine Frau ist eine Frau eine Komödie, die immer so wirkt, als sei sie zu gern ein Musical (Angela spricht dies sogar selbst aus), denn wohin man den Blick auch wendet, strotzt es nur so vor Energie.
Auch inhaltlich ist der Film keinesfalls träge und meistert den schmalen Grat aus Emotionalität und Spaß. Doch eigentlich sollte es kein schmaler Grat sein. Eine Frau ist eine Frau kombiniert die beiden Unterhaltungsfaktoren so federleicht, es wirkt, als wäre es das einfachste der Welt. Ist es aber nicht, oder? Warum scheitern so viele Komödien sonst an etwas, das 1961 schon nahezu perfektioniert wurde?
Eine Antwort darauf habe ich nicht. Doch kann ich versuchen zu beschreiben, was Eine Frau ist eine Frau in diesem Fall so besonders macht: Anfangen kann man vermutlich mit den Dialogen. Anscheinend hat Godard diese mit seinen HauptdarstellerInnen gemeinsam geschrieben, denn die Dialoge wirken exakt auf die Charaktere zugeschnitten, die Anna Karina, Jean-Claude Brialy und Jean-Paul Belmondo verkörpern. Das Leben, welches den Figuren eingehaucht wird, stammt von dem perfekten Kombinationsspiel aus Schauspiel und Dialog. Dies ist der erste Grund warum Eine Frau ist eine Frau so mühelos grandios wirkt. Als müsste man sich gar keine Mühe geben, um tolle Filme zu kreieren.
Dem ist natürlich nicht so. Ein Film funktioniert selten, wenn keine Liebe, keine Anstrengung, keine Leidenschaft für den Schaffensprozess in ihm steckt. All das steckt in in diesem Film. Liebe nicht nur in den Beziehungen der Charaktere untereinander, sondern auch Liebe zum Detail, Liebe zum Verspielt sein, Liebe für das Medium Film. Vor und hinter der Kamera.
Das Schauspiel-Trio, angeführt von einer zauberhaft charismatischen und großartig aufspielenden Anna Karina – die nicht nur außerordentlich liebenswert sondern auch witzig ist – vermittelt die Charaktere als naiv-schusselige und gleichzeitig hochinteressante Personen. Ein weiterer Grund, warum Godards Film so einwandfrei funktioniert. Charaktere sind sehr viel witziger, wenn sie wie Menschen wirken, nicht wie programmierte Sprüche-Maschinen.
Ein nicht klar in Genres einzuordnendes Meisterwerk
Begleitend zu Dialogen und Charakteren, die gleichzeitig überspitzt und geerdet wirken, ist die Musik – welche stets abrupt anfängt und endet – perfekt abgestimmt. Seien es die ausgewählten Songs, der Score, oder das Stück, in welchem Angela darüber singt, wie unwiderstehlich sie ist und das jeder Mann etwas mit ihr haben wollen würde, nur um anschließend, zuhause angekommen, von ihrem Freund abgewiesen zu werden, wenn es um die Frage eines Kindes geht.
Alles Ausgewählte addiert sich zu einer ungewöhnlich leichten Atmosphäre, die dennoch nicht in “Gehirn-Abschaltung Sequenzen” abdriftet. Auch die Kostüme tragen tadellos zum Gefühl eines Filmes bei, der es schlicht verstanden hat, wie man Botschaften übermittelt und dabei Spaß hat. Wie bereits angesprochen, nutzt Godard das Farbspektrum zuhauf. Man muss sich nur das Cover der Criterion Ausgabe des Filmes anschauen, um einen Ausblick darauf zu erhalten, was farbtechnisch auf einen zukommt.
Doch kein Film ist perfekt, oder? Darüber lässt sich debattieren. Für mich ist Eine Frau ist eine Frau ein nahezu makelloses “Drama”, welches witzig, charmant, emotional und verdammt unterhaltsam ist, auch wenn es zwischendurch einen kleinen – beim Betrachten des Gesamtwerkes in den Hintergrund rückenden – Hänger beinhaltet. Jedoch ist der Film kein klassisches Drama. Wie es sich dieses teils selbst referenzierende Stück Kunst schon selber fragt: “Is this a tragedy or a comedy?”. Diese Frage muss schlussendlich jede/r für sich selbst beantworten. Ich kann dem Rest des Zitats abschließend jedoch zu 100 Prozent zustimmen: “Either way it’s a masterpiece.”.