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Als die Welt untergeht, wird die junge Furiosa vom Grünen Ort der vielen Mütter entführt und fällt in die Hände einer großen Bikerhorde unter der Führung des Warlords Dementus. Bei ihrem Streifzug durch das Ödland stoßen sie auf die Zitadelle, die vom Immortan Joe beherrscht wird. Während die beiden Tyrannen um die Vorherrschaft kämpfen, muss Furiosa viele Prüfungen überstehen, während sie die Mittel zusammenstellt, um ihren Weg nach Hause zu finden.
©TMDB
Regie: George Miller
Drehbuch: George Miller, Nico Lathouris
Kamera: Simon Duggan
Schauspieler*innen: Anya Taylor-Joy, Chris Hemsworth, Tom Burke
Produktionsjahr: 2024
Land: Australien, USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h29min
Genre: Science Fiction, Action

Erst eingeführt in Mad Max: Fury Road als rebellierende Handlangerin des Patriarchen Immortan Joe, bekommt die früher von Charlize Theron, nun von Anya Taylor-Joy gespielte Furiosa ihren eigenen Film samt Hintergrundgeschichte. Miller nutzt dies zum Ausbau seiner Endzeitwelt voller Sand und Fahrzeuge – aber auch zur Rückbesinnung auf heute selten erlebte Erzählweisen. Furiosa: A Mad Max Saga lädt dazu ein, zurückzuschauen.

Biblische Bildersage

War Max Rockatansky bereits eine Figur, die zunehmend als Sage inszeniert wurde, zieht sich das Prinzip bei Furiosa nicht nur im Filmtitel fort. Die Heldin vergreift sich als kleines Kind (hier noch besetzt von Jungdarstellerin Alyla Browne) gierig an einem hochhängenden Pfirsich und wird daraufhin von Anhängern des charismatischen wie irren Dr. Dementus (Chris Hemsworth) verschleppt, der als eine Art Reisekönig mit seiner Motorradkolonne durch das Ödland böllert.

Das Ziel der kleinen Furiosa: Eines Tages ins Idyll heimzukehren. Zweieinhalb Stunden wird sie diesem Ziel nacheifern, in einer Welt, welche Gnade nicht kennt. Miller prägt den Wahnsinn in seinem Endzeitszenario weiter aus durch das Zeigen von Orten wie der Bulletfarm oder Gastown, die im Vorgänger nur aus der Ferne zu betrachten waren. Das sorgt auch dafür, dass die Figuren mehr Fleisch auf die Knochen bekommen.

Die Verweise auf Sagen und Legenden sind kaum zu übersehen. Furiosa pflückt die Frucht im farbgesättigten Garten Eden – zum ersten Mal sehen wir in der Postapokalypse frisches Obst und ein intaktes Biosystem – und muss dafür büßen. Möchte man meinen. Gegessen wird der Pfirsich schließlich von Dementus‘ Schergen. Um sie zu bestrafen, entpuppt sich die Gefangene aus dem Paradies als kluge Opportunistin und schließlich Racheengel, bis hin zum Mythos „der fünften Reiterin der Apokalypse“, wie es später heißt.

Sinn ergibt das Wiederaufgreifen der bis in die 60er häufiger genutzte Fünf-Akt-Struktur. Sie kann mehr Wendepunkte, sprich mehr Spannungsspitzen, bereithalten als die seit Star Wars für gewöhnlich rasanteren drei Akte. Der Weg der Rache an Dementus ist steinig. Besonders dann, wenn das nur durch das Ausnutzen des Patriarchen Immortan Joe herbeigeführt werden kann, gegen den sich Dementus auflehnt.

Rache auf furiosen Rädern

Bis an die Perfektion grenzende Choreografie von Actionszenen hält Miller für seine Rachegeschichte bereit. Für fünfzehn Minuten zusammenhängender Action drehte das Filmteam allein 78 Tage. Details finden sich demnach überall, im Set Design der Fahrzeuge, in geringsten Kameraschwenks, aber auch in pointierten Schnitten und den Aktionen der Figuren. Wie Zahnräder eines dramaturgischen Szenenaufbaus kommen sie daher, sind dazu imstande, Höhepunkte anzukündigen, zu fokussieren oder weiterzuführen.

Mad Max: Fury Road war in dieser Hinsicht kein Glücksfall. Furiosa: A Mad Max Saga ist die Vergewisserung, schlittert jedoch haarscharf an der Repetition älterer Actionszenen der Filmreihe vorbei. Wegen der Prequel-Geschichte ist der Film auch in seinen Momenten des Bombasts zum Zurückschauen gezwungen. Wenngleich sie nicht weniger beeindrucken, werden bekannte Fahrzeugdesigns, ähnliche Strecken und Kämpfe eingefangen.

Was ernüchtert, sind Geschehnisse, die über eine Ankündigung nicht hinausgehen. Innerhalb weniger Auf- und Abblenden werden Kriegsschauplätze eingefangen – jedoch erst, nachdem die Autoschlachten vorüber sind. Aus der gewollten Epik einer Sage schöpft der Film deshalb in ruhigen Momenten, wenn Furiosas bitterböser Blick ihre Peiniger mit Stummheit straft. Paradoxerweise für einen Film in der Welt des verrückten Maxen kommt die Rache weniger großspurig daher, zeichnet sich mehr durch Dialog, Handlungssprünge und weniger andauernde Action aus.

Künstlichkeit der Ödnis

Der neuste Streifen im Ödland sieht deutlich digitaler aus als noch der vorherige. Ins Gewicht fällt dies, wenn beim wummernden Sounddesign ein paar Bildelemente weniger greifbar daherkommen als noch zuvor. Das kann aus der Immersion herausreißen. Andererseits fügt sich diese Abkapselung der Realität in die passende Ästhetik einer nacherzählten Legende ein. Als wäre es vom Film selbst erwünscht, die Handlung und das Abspiel der Tathergänge in ihrer Fantastik zu hinterfragen.

Dank dieses Looks schlägt Furiosas Einzelfilm noch weiter als sein Vorgänger die Brücke zur Märchenästhetik für Erwachsene. In ihr bereisen wahnsinnig gewordene Personen auf den ihnen übriggebliebenen Maschinen die Weite Australiens, auf der Suche nach Macht, Erlösung und Hoffnung. Was poetisch klingt, wird in posterdruckfertigen Supertotalen oder monumentalen Großaufnahmen von Figuren festgehalten. Wenn Miller eines beweist, dann, dass in der Apokalypse der Sinn für Legenden und die Kunst der Malerei nicht verlorengehen – selbst beim Zurückschauen.

8.0
Punkte