Discourtesy is Unspeakably Ugly To Me.
Hannibal Lecter
Die Filmwelt brachte viele ikonische Charaktere aus den unterschiedlichsten Genres hervor. Seien es diabolische Größen wie Darth Vader oder der Joker oder liebenswerte Helden ihrer eigenen Geschichten wie Forrest Gump, Indiana Jones oder Rocky Balboa. Aber gerade im Bereich des Horrors lassen sich einige Namen finden, die ganze Generationen schockierten und sich selbst zu unvergesslichen Legenden eleviert haben. Auch hier wird die Liste potentieller Spitzenkandidaten nicht kürzer. Wer fürchtete sich nicht vor der einschüchternden Präsenz von Michael Myers, der Unberechenbarkeit des albtraumhaften Freddy Krueger oder dem unaufhaltsamen Temperament eines Leatherface? Ein weiterer dieser schweren Namen ist Dr. Hannibal Lecter.
Hannibal Lecter ist vieles, aber wenn er eines nicht mehr ist, dann ist das ein unbeschriebenes Blatt. Im Grunde genommen zeigt sich bei dieser Figur mehr als ein Blatt, welches gefüllt ist mit Eigenschaften. Vornehmer Gentleman, gebildeter Psychiater, blutrünstiger Kannibale, eiskalter Serienmörder. Ein Mann mit vielen Gesichtern. Doch für eines ist er besonders bekannt: Seine gnadenlosen Psychospielchen. Lecter bevorzugt es, in den Verstand anderer einzudringen und den Kampf für sich zu entscheiden, bevor man überhaupt gegen ihn in den Ring gestiegen ist. Seine Wortgefechte mit sämtlichen Mitmenschen seines Werdegangs zählen zu den eindringlichsten und unheimlichsten in der Geschichte. Thomas Harris erschuf in seinen literarischen Werken eine Figur für die Ewigkeit. Allerdings ist Lecters Bekanntheitsgrad nicht allein diesen verschuldet.
In dieser Liste geht es um mein Ranking aller Filme, in der die Figur des Hannibal Lecter vorkommt – an der Zahl 5. Da es hier nur um die Verfilmungen mit dieser Figur geht, findet die populäre Serie mit Mads Mikkelsen in der Hauptrolle in dieser Liste logischerweise keinen Platz. Außerdem richtet sich dieses Ranking nicht nach der Verwendung der Figur – wobei er in allen eine zentrale Rolle spielt – oder die Leistung der Darsteller, sondern lediglich um die Filme selbst. Ohne große Umschweife stürzen wir uns nun ins Getümmel und finden heraus: Welches Terrorspiel mit dem teuflischen Genie in der Mitte war denn nun das beste?
5. Hannibal Rising – Wie alles begann (2007)
Dass Hannibal Rising den letzten Platz der Liste einnimmt, wird wahrscheinlich die wenigsten überraschen. Denn es ist der Teil, der sich im Gegensatz zu allen anderen Filmen dieser Saga nicht so wirklich richtig am Platz anfühlt. Macht ihn diese Tatsache oder der Platz 5 von 5 aber automatisch zu einem schlechten Film? Nicht unbedingt. Er befasst sich mit den Ursprüngen Hannibal Lecters und seiner Entwicklung. Witzigerweise ist er auf dem Zeitraffer somit als neuester Film des Franchises die älteste Geschichte. Es handelt sich gewissermaßen um die Autobiographie Lecters und wie er zu dem Monster geworden ist, was seine Gegenwart tagtäglich von ihm zu spüren bekommt. Dabei trifft man schon auf das erste Problem: Hätte ein Charakter wie Dr. Hannibal Lecter so etwas wie eine Origin-Story gebraucht? Eigentlich nicht. Andererseits war dies ein Zuspruch, den auch Todd Phillips Joker vermehrt über sich hat ergehen lassen müssen. Und in dem Fall sind viele Skeptiker eines besseren belehrt worden. Hannibal Rising lässt sich aber nicht im Ansatz mit der Performance des genannten Beispiels vergleichen. Als von seinem Vermächtnis abgeschirmte Rachestory, denn grob zusammengefasst ist der Film eine Rachestory durch und durch, ist Hannibal Rising grundsolide. Er ist brutal, hat einige spannende Momente auf Lager und verfügt über einzelne, sich mit den anderen Filmen interessant ergänzende Storytelling-Elemente. Zudem liefert Gaspard Ulliel eine lebendige Performance als der junge Lecter, welcher in seinem Metier erst Fuß fassen muss. Und doch zieht dieses merkwürdige Gefühl hinterher, als habe der Film seinen Zweck verwirkt. Es handelt sich um eine intime Entmystifizierung einer sehr mysteriösen Persönlichkeit – und als stereotype Rachestory eine alles in allem leider recht enttäuschende noch dazu. Inspiration oder eine dem Charakter gerecht werdende Studie sucht man hier vergebens. Das macht keinen schlechten Film per se, aber auch lange keinen guten Hannibal Lecter-Film.
4. Hannibal (2001)
Wenn ein Film alle Mittel hat ein Meisterwerk zu werden und seiner Bestimmung zu folgen, sich aber auf merkwürdige Art und Weise dagegen weigert, kann man sich dann beschweren? Hannibal ist ein komisches Ding. Einige Jahre nach ihrem ersten Zusammentreffen kreuzen sich die Wege von Hannibal Lecter und der ehrgeizigen und hochkompetenten FBI-Agentin Clarice Starling erneut: mit verheerenden Folgen, wie man sich denken kann. Hannibal Lecter ist wahrscheinlich der letzte, den man als Verfolger hinter sich haben will. Und so spannend die Ausgangslage auch klingt, ist der Film es perplexerweise nicht. Die erste Hälfte fühlt sich insgesamt hohl und leer an, ohne in der Narrative voranzukommen. Es wirkt, als habe man mehrere Geschichten in einer und wolle diese nun geschickt verknüpfen, was hier allerdings nicht aufgegangen ist. So laufen dieser und jener Handlungsstrang schier hemmungslos nebeneinander her, ohne der Story einen Gefallen zu tun. In diesen Parts lebt Hannibal entschieden zu lange auf der mühsam aufgebauten Beziehung von Starling und Lecter des Vorgängers. Dies ist doch recht schade, wenn man sich die vielversprechende Grundsituation ansieht. Anthony Hopkins repräsentiert Hannibal Lecter in der Art, wie nur er es kann, Julianne Moore leistet ihren Teil als Clarice Starling auf respektable Weise und Ridley Scott sorgt für eine stilsichere, atmosphärische Umsetzung. Aber was bringt das, wenn der Film nicht das hält, was er verspricht? Hannibal ist letztendlich ein nicht zwangsläufig ödes aber geradliniges Katz-und-Maus-Spiel ohne nennenswerte Höhepunkte. Das Finale ist zwar exquisit und für jeden Feinschmecker einen Happen wert, allerdings wirkt das komplette Menü mehr wie die aufgewärmten Reste von gestern.
3. Roter Drache (2002)
Die 2002er-Verfilmung des gleichnamigen Romans, der den Beginn der Legende setzte, lässt wenig Kritik, aber gleichzeitig auch keine riesigen Worte für ihn zu. Der Profiler Will Graham sieht sich gezwungen, einen alten Feind aufzusuchen, mit dessen Hilfe es gilt einen neuen zu fangen. Besagter alter Feind ist der in einem Gefängnis festgehaltene Dr. Hannibal Lecter, welcher sich unter gewissen Voraussetzungen durchaus bereiterklärt, bei der Jagd mitzuwirken, jedoch eher im Interesse des eigenen Vergnügens. Eine sehr düstere Aufmachung, ein toller Edward Norton und ein interessantes Täterprofil sind gegeben, so dass man einen spannenden Thriller erwarten kann und diesen auch bekommt. Anthony Hopkins schlüpft ein weiteres Mal in seine Paraderolle und brilliert mit dem gefährlichen Scharfsinn des seinen Beruf aufgrund der Umstände seiner Gefangenschaft inzwischen nur noch als Hobby auslebenden Psychiaters. Und genau da liegt vielleicht auch der Hund begraben: Es wirkt, als hätte man in Roter Drache in erster Linie eine sich anbietende Möglichkeit gesehen, nochmals von der Beliebtheit Hopkins in dieser Rolle zu profitieren. So amüsant der komplette Fall zu begleiten ist, scheint es nicht so grell wie die Sternstunden des Charakters. Trotzdem kann man darüber hinaus vielmehr nur nach Fehlern suchen, als wirklich welche zu bemängeln. Ralph Fiennes macht sich seine Figur zu eigen und liefert als gesuchter Mörder total ab, es gibt nervenzerreißende und faszinierende Szenen und Konfrontationen und insgesamt könnte ein Krimi nicht kompetenter gemacht sein. Oder vielleicht doch?
2. Das Schweigen der Lämmer (1991)
Eigentlich muss an der Stelle nicht viel erläutert werden, denn Das Schweigen der Lämmer zählt nicht umsonst für einen Großteil des Publikums als das Magnum Opus des Psychothrillers. Um den gesuchten Serienkiller Buffalo Bill ausfindig und von seinen mörderischen Taten dingfest zu machen, holt sich die junge FBI-Agentin Clarice Starling Hilfe zur Erstellung eines Täterprofils. Die Unterstützung holt sie sich vom berüchtigten Dr. Hannibal Lecter, der neben der Ergreifung des gefährlichen Mörders auch noch ganz andere Affinitäten für Agent Starling entwickelt. Hier sind nur Aspekte gegeben, die nicht genug gelobt werden können. Die heftigen Abgründe des menschlichen Verstandes, die vehemente Spannung der Storyline, nackte Gewalt und ein hoch aufspielender Cast, angeführt von der Oscar-ausgezeichneten Performance von Anthony Hopkins. Jedes Wort, das seinen Mund verlässt, ist zitierungswürdig. Der permanente Schlagabtausch zwischen ihm und Clarice Starling, ebenfalls von einer grandiosen Jodie Foster verkörpert, überzeugt ebenso als Thriller, wie auch auf Charakterebene. Der Film bedient sich nicht nur der Auflösung des Falls und widmet sich seinen Figuren und dessen Entfaltung. Wenn man jetzt aber über den Krimi selbst spricht, stockt einem nur der Atem. Mit solch einer psychopathischen Fassung sind die wenigsten Thriller derart phänomenal inszeniert. Eine trostlose Stimmung, ekelhafte Bilder und eine erdrückende Geschichte machen Das Schweigen der Lämmer zu dem zeitlosen Klassiker, der er ist. Dies klingt nun alles nach einem Meisterwerk und dem klaren Platz 1 der Liste, aber Schreck lass nach: Wie kann Das Schweigen der Lämmer nicht Platz 1 sein? Wobei ersterer Teil des vorigen Satzes ohne Widerrede zutrifft, ist zweiteres tatsächlich nicht der Fall. Denn wer gut aufgepasst hat weiß, dass da noch ein anderer, etwas in Vergessenheit geratener Anwärter auf den Thronplatz wartet.
1. Manhunter – Roter Drache (1986)
Wer meine Review zu Manhunter gelesen hat weiß, dass ich große Stücke auf ihn halte. Er hat sich inzwischen sogar zu einem meiner absoluten Favoriten aller Zeiten entwickelt. Da die Plot-Synopsis in dieser Auflistung schon mal dargestellt worden ist, kürze ich es etwas ab: Manhunter war die erste Verfilmung von Harris Romanen und behandelt somit dieselbe Geschichte, wie Roter Drache. Die Darsteller um William Petersen in der Hauptrolle überzeugen und gestalten den Fortgang des Kriminalfalls hautnah. Brian Cox wirkt als eine etwas offenere, humorvollere Version Lecters überaus charmant und kann seiner Rolle ebenfalls die ihr gebührende Ehre erweisen. Auch hier ist die Geschichte wieder fesselnd und im Detail verstörend dargestellt. Aber inwiefern beansprucht er dadurch den ersten Platz der Rangfolge? Das sind Aspekte, welche andere Thriller auf ihre Art ebenso erfüllen. Schon beim ersten Mal schien der Film etwas Ungewöhnliches in mir auszulösen, ich konnte es aber nicht gänzlich erfassen. Nun stehe ich einige Sichtungen weiter und weiß ganz genau, was es ist. Einen Thriller dieser Art habe ich noch nie gesehen. Michael Mann entsagt den üblichen Konventionen, wie man Thriller inszeniert, und mischt Detective-Krimi und Neo-Noir zu einem sogartigen Psychothriller. Manhunter verfügt über eine unbändige Atmosphäre, die einen bei dem kleinsten Fehler wie ein schwarzes Loch aufsaugen kann. Eine ergreifende Farb-, Belichtungs- und Soundarbeit erhöhen die Wirkung dieses einnehmenden Erlebnisses, dem man sich hier hingibt. Die Geschichte ist so niederschmetternd und obsessiv erzählt, wie es nur geht. Und selbst dabei können vorher genannte Aspekte bei aller Großartigkeit zur kompletten Nebensache degradiert werden, wenn ein Film einen fühlen lässt, als sei man in einer kranken, surrealistischen und an Unbehagen kaum zu übertreffenden Welt gefangen. Manhunter kommt allein dadurch wie das Unikum daher, dass ich in ihm sehe, dass es mir schon immer so vorkam, als würde die Atmosphäre hier die Geschichte erzählen und nicht andersrum. Und dadurch hinterlässt er einen besonderen Eindruck, welcher bei mir einen hohen Stellenwert hat: Er fühlt sich einfach real und irreal zugleich an. Und das ist die Art von Thriller, welche mich am meisten ängstigt.