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Calogero wächst während der 60er in der Bronx auf. Einerseits hat er ein gutes Verhältnis zu seinem Vater, dem ehrlichen Busfahrer Lorenzo, andererseits entwickelt er eine enge Beziehung zum charismatischen Gangsterboss Sonny. Mehr und mehr muss Lorenzo mit ansehen, wie sein Junge unter den schlechten Einfluss Sonnys gerät. Sowohl Lorenzo als auch Sonny prägen Calogero auf seinem Weg vom Kind zum Jugendlichen. Die Durchsetzungsfähigkeit des Mafia-Paten beeindruckt Calogero nachhaltig, der zusammen mit seinen Freunden immer öfter in kriminelle Aktivitäten verwickelt wird. Das Gemisch aus menschlicher Nähe und Gewalt, das sein soziales Umfeld prägt wird zu einer Schule für Calogero. Er muss lernen, dass die Bronx sowohl gefahren als auch Chancen bereit hält.
© TMDB
Regie: Robert De Niro
Drehbuch: Chazz Palminteri
Schnitt: David Ray, Robert Q. Lovett
Kamera: Reynaldo Villalobos
Schauspieler*innen: Robert De Niro, Chazz Palminteri, Lillo Brancato, Francis Capra
Produktionsjahr: 1993
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h01min
Genre: Drama, Crime

Früh am Morgen versammelt sich eine Gruppe von Freunden auf dem Bürgersteig vor ihren Wohnungen, denn es ist wieder Showtime angesagt. Unsere halbstarken Gaffer freuen sich bereits, abermals den Geschehnissen der Straße zu folgen und die Eigenheiten ihrer Nachbarschaft nachzuäffen. Für die meisten ein Spaß, für den neunjährigen Calogero Anello (Francis Capra) ein Akt auf dem Weg der Selbstverwirklichung. Jeden Tag wickelt der Mafioso Sonny LoSpecchio (Chazz Palminteri) vor den Augen aller seine Geschäfte ab, um seine Regentschaft innerhalb des kriminellen Viertels zu kräftigen.

Calogero befindet sich im Zwiespalt, hat er doch zwei Vorbilder, denen er gleichermaßen nachzueifern versucht. Sonnys cooler, dominierender und einschüchternder Charme hat es ihm angetan, was sein Vater Lorenzo (Robert De Niro) gar nicht gutheißen möchte. Letzterer sieht in Sonny nicht viel mehr als einen skrupellosen Gauner, der sein Charisma zum eigenen Profit benutzt und sein Ansehen auf schmutziger und unehrlicher Arbeit errichtet hat. Der heranwachsende Träumer sieht sich mit zwei Ideologien konfrontiert und würde am liebsten beide annehmen. Doch gelingt Calogero die Balance zwischen undankbar belohnter Rechtschaffenheit und verbrecherischer Unsittlichkeit?

Kontroverse Zufriedenheit

In den Straßen der Bronx erzählt die Geschichte, die jeder kennt. Wer nett ist, wird es niemals zu etwas bringen. Wer fies ist, garantiert sich einen hohen Tribut. Dazu gehören Intelligenz und Geschicklichkeit, um auf lange Zeit bestehen zu können. Nur wenn man klug vorgeht, Feinde zu Freunden umfunktioniert oder sie schnell aus dem Verkehr zieht, überlebt man in der harten Realität. Schamlos ausgetragene Konflikte in der Öffentlichkeit, siegessichere Darstellungen von Überlegenheit und die daraus mündende Angst der Umgebung — der Inhalt ist innerhalb des Genres vom Gangstertum altbekannt sowie altbewährt. Der Trick hierbei ist die Perspektive, welche auf besagten Inhalt eingenommen wird.

Robert De Niros Regiedebüt wird aus der Sicht eines Jungen präsentiert, für den diese Welt von klein auf die Normalität widerspiegelt. So wohnt Calogero im Alter von gerade mal neun Jahren einem Mord bei, hält es jedoch für selbstverständlich, den Täter bei der Befragung über die Polizei zu decken; eine Entscheidung, bei der ihn im Nachhinein jede Person aus seinem Umfeld unterstützt. Acht Jahre später ist er in seiner eigenen Rolle als respektierte Autorität etabliert und sorgt mit seinem Freundeskreis für Ordnung im Territorium.

Allerdings sieht sich Calogero stets mit der Vernunft konfrontiert, die sein friedliebender Vater ihn gelehrt hat. Während für seine Kumpanen die logische Reaktion auf die unerwünschte Anwesenheit dunkelhäutiger Bürger in ihrem Viertel Gewalt und Erniedrigung darstellen, hält er sich vehement zurück und pflichtet ihnen bei, dass solch radikale Maßnahmen nicht notwendig sind.

Ständig gerät er zwischen den Ansichten seiner Idole in einen inneren Konflikt, da selbige nicht gegensätzlicher sein könnten, jedoch in ihren einzelnen Aspekten die Gesamtheit von Calogeros Bedürfnissen nicht abzudecken vermögen. Spannend ist die Unsicherheit, unter der sein Charakter Form und Farbe annimmt, um souveräne Satuiertheit zu erlangen. Über sein Profil eines innerhalb dieses gefährlichen Metiers Heranwachsenden gewinnt der Film ein Frischegefühl, das mit der konventionellen Dramaturgie des Genres bricht, da die Unschuld einer kindlichen Beobachtung die Tragik der aufgezeigten Missstände auf ein höheres Level eleviert.

Großes Kino

Weiterführend zur Storyline ist die Inszenierung des Filmes das, was dieses Werk nochmals besonders hervorragen lässt. Basieren tut der Film nämlich auf dem gleichnamigen Theaterstück, welches Chazz Palminteri mithilfe autobiographischer Bezüge selbst geschrieben sowie am Broadway performt hat. Rein von der Machart mimt die Kulisse vor der Kamera eine zum Leben erweckte Bühne. Strahlende Lichter, satte Farb- sowie Bildkompositionen und schwungvoller Jazz definieren eine verträumte Atmosphäre, die jeden Frame durchzieht. Der Film schaut sich wie eine ihre Requisiten von Szene zu Szene wechselnde Aufführung, weil der Realismus des Dramas bodenständig und nahbar offenbart wird.

Interessant ist diese erwirtschaftete Wirkung der Audiovisualität, denn durch die movierende Kameraführung, das einfühlsame Schauspiel und die individuellen Nuancen der Figuren erscheinen die Lokale, Apartmentblocks und der Tumult auf dem Boulevard der Delikte riesig und lebensecht. De Niro beweist in der Hinsicht ein grandioses Gespür dafür, den Bildschirm kommunizieren zu lassen. Beispielsweise ist die Enge des Heims bei einem Streitgespräch von Calogero und seinem Vater am eigenen Leib spürbar, wenn die beiden den Freiraum zwischen Kühlschrank und Essenstisch beinahe komplett ausfüllen.

Somit bietet das erste direktoriale Unternehmen von Robert De Niro als Coming of Age-Erzählung inmitten eines urbanen  Mafiastützpunktes die nötige Mischung aus Melancholie und Ausstrahlung, damit sich das Subjekt über die Konservativität der dargebotenen Stereotype abhebt. In den Straßen der Bronx verbindet ausdrucksstarke Figuren, traumhafte Songs und treffsichere Höhepunkte zu einem Sinnbild des Gangsterdramas, bei dem einzig die überflutende Anhäufung musikalischer Untermalung den Affekt spezifischer Situationen zu gewollt in eine bestimmte Richtung lenken möchte. Nichtsdestotrotz weiß die filmische Adaption von Chazz Palminteris Herzensprojekt in seinen Kernelementen zu faszinieren, mitzureißen und zum Mitfiebern zu motivieren.

IN DEN STRAßEN DER BRONX IST AKTUELL (STAND: 11. MAI 2023) BEI AMAZON PRIME VIDEO VERFÜGBAR

8.0
Punkte