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Der geisteskranke Serienkiller Carl Stargher hat es auf junge Frauen abgesehen. Doch FBI-Agent Peter Novak kommt ihm sehr schnell auf die Spur. Bevor Stargher verraten könnte, wo er sein letztes Opfer gefangen hält, fällt er in eine Art Koma. Novak ist unter Zeitdruck: Sollte er innerhalb der nächsten 40 Stunden die junge Frau nicht finden, wird sie in einer hermetischen Zelle, die über eine Zeitautomatik mit Wasser volläuft, qualvoll ertrinken. Als letzten Ausweg wendet Novak sich an die Psychotherapeutin Catherine Deane. Mit Hilfe einer neuen Methode soll sie in die Gedankenwelt des Killers eintauchen, um dort nach Hinweisen auf das Versteck zu suchen. Catherine gerät dabei jedoch in eine Alptraumwelt von so monströsen Ausmaßen, dass sie bald selbst nicht mehr zwischen virtueller und tatsächlicher Wirklichkeit unterscheiden kann. Und schließlich stellt sie fest, dass Stargher sie in seiner kranken Phantasie bereits längst erwartet hat.
© TMDB
Regie: Tarsem Singh
Drehbuch: Mark Protosevich
Schnitt: Paul Rubell, Robert Duffy
Kamera: Paul Laufer
Schauspieler*innen: Jennifer Lopez, Vince Vaughn, Vincent D’Onofrio
Produktionsjahr: 2000
Land: Deutschland, USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h47min
Genre: Sci-Fi, Thriller, Horror, Mystery

Fußstapfen auf Dünen, hinterlassen von einer Frau, die voll und ganz in Weiß gekleidet ist. Zentrum der Wüstenlandschaft bildet ein hohler Baumstamm, in dem ein kleiner Junge – wahrscheinlich Schutz suchend – kauert. Sie schreitet den steilen Pfad innerhalb einer Wüste ohne Namen hinunter, an dessen Ende besagter Junge aufgeregt auf ihre Ankunft wartet. Dort wechseln die beiden ein paar kurze Worte miteinander, offensichtlich scheint den Jungen etwas zu stören, gar zu ängstigen. Kurzerhand findet die Frau das Spielzeugmodell eines Segelbootes und lädt den verunsicherten Sprössling zum gemeinsamen Segeln ein. Direkt verneint er die Einladung und verwandelt sich in ein kreischendes, deformiertes Reptil, woraufhin er spurlos verschwindet.

Mit dieser Szene beginnt The Cell so abstrus, wie er fortgeführt wird. Bei der Frau handelt es sich nämlich um die Kinderpsychologin Catherine Deane (Jennifer Lopez), welche mittels einer technologischen Apparatur in das Bewusstsein eines an Schizophrenie leidenden Patienten gereist ist. Als Polizist Peter Novak (Vince Vaughn) von der als Therapiemethode angedachten Maschine hört, sieht er die Chance zur Lösung eines unlösbar wirkenden Falles: Serienmörder Carl Stargher (Vincent D’Onofrio) liegt nach einer Art Schlaganfall im Koma. Das Ableben mehrerer Frauen geht auf sein Konto, allerdings befindet sich eine weitere noch in Gefangenschaft und muss unter Zeitdruck ausfindig gemacht werden. Deswegen wird Catherine mit dem Auftrag belastet, tief in den Verstand des Killers einzutauchen und nach Hinweisen bezüglich seines die Überlebende beherbergenden Verstecks zu suchen, bevor es zu spät ist.

Alptraumhafte Visionen

Tarsem Singhs Regiedebüt fundiert auf einer haarsträubend innovativen Prämisse mit einer Menge Potenzial. Als Psychologin wohnt Catherine jeden Tag geistigen Erkrankungen bei, deren Heilung zu einem nicht zu missachtenden Teil von ihrer Fachexpertise abhängt. Eine große Verantwortung, der nicht jeder gewachsen wäre. Wie immens muss dann der Druck sein, wenn sie auf ihrer Odyssee durch einen fremden Verstand nach einer vermissten Person ermitteln muss? Insbesondere dann, wenn das Unterbewusstsein, durch das sie sich bewegt, derart grauenerregende Bilder projiziert.

Carl Starghers Psyche wird als gruseliger und irrationaler Ort dargestellt, in dem bizarre Kreaturen ihr Unwesen treiben und eine Obskurität die nächste jagt. Ein gigantischer Thronsaal, regiert von einem gehörnten Dämon, ein spartanisch beleuchtetes Schlafzimmer mit Seidenbezügen und ein farbloser Strand ohne Wasser, an dem die gleiche Gestalt in dreifacher Erscheinung haust, sind nur einige der mühevoll designten Bühnen, die der Film präsentiert. The Cell reizt die Grenzenlosigkeit seines Konzeptes aus und präsentiert Kunstwerke, wie man sie selten sieht.

Er verfügt über audiovisuelle Innovationen, die sich mit den besten messen können. Als Science-Fiction-Konstrukt wird kein Aufwand gescheut, die Unberechenbarkeit der zerebralen Vorstellungskraft zu symbolisieren. Dadurch wird eine erdrückende Spannung dafür etabliert, auf welche abgefahrenen Images man sich noch vorbereiten muss. Singhs Uhrwerk der Kuriositäten hat eine befremdliche Atmosphäre, die an ihrer Distanz zum Greifbaren zehrt. Mit der Bildgewalt seiner wahnsinnigen Traumwelt veranschaulicht das Werk Surrealismus in seiner realistischsten Fasson.

Kreativität versus Kontext

So gibt sich The Cell als handwerklich unsagbar ambitioniert und aufregend, geht dabei aber einen fast fatalen Kompromiss ein. Erzählerisch wird den Bildern keinerlei wahrliche Bedeutung zugetraut und die mentalen Diskrepanzen der Figuren in den Hintergrund gestellt, wobei diese im Sinne der Prämisse so viel spannender sein könnten. Carl Starghers Charakter erfährt kaum Profil bei all den großartig visualisierten Hirngespinsten und bricht unter der Optik als tragfähiges Subjekt hinweg. Als Investigationskrimi mit psychologischen Elementen zerfällt die Erzählung in dem Moment, wo Singh sich dazu entscheidet, Gedanken und Gefühle des im Kern komplexen Mannes als adrenalingeladenen Horrortrip abzuspielen.

Zur Folge hat dies, dass die tollen Ideen prätentiös scheinen und auf Dauer mehr und mehr ernüchtern. Hier fehlt ein individueller Bezug zwischen Ursache und Wirkung — sei es nur ein kleiner Impuls. Durchaus lässt sich an der Stelle argumentieren, dass Träume in der Realität ebenfalls nicht immer einen Sinn in dem erkennen lassen, was sie abbilden und somit keine Verpflichtung seitens des Filmes existiert, dieses Nichtwissen aufzuheben. Problematisch ist dahingehend, dass mit der Exposition der Technologie alle Wahrnehmungsmöglichkeiten offen liegen, aber keine wirklich benutzt wird. So kann Catherine mit den Organismen in der Welt interagieren, sie riechen, berühren oder sogar mit ihnen sprechen. Mächtig soll diese Methode zur Erforschung menschlicher Verstände sein. Wenn dem so ist, wieso wird diese Macht praktisch komplett ignoriert?

Ganz einfach: Stilistik wird gegenüber der Substanz präferiert. Auch Catherines schwere Herausforderung erfährt auf Charakterebene keine merkliche Gewichtung, ist sie doch lediglich als Repräsentantin des Konzeptes in Aktion. Sämtliche Figuren bleiben hauchdünn und das fügt der Narration mehr Schmerzen zu, als sie in der Retrospektive zugeben möchte. Als hingebungsvoll gestalteter und unheimlich kreativer Abstieg in den Irrsinn taugt der Film allemal. Angesichts des verschwendeten Potenzials auf psychoanalytischem Terrain birgt The Cell als Thriller jedoch ein enttäuschendes Ausweichmanöver, das mit der hochtrabenden Perspektive mehr unnötige Mysterien verschlüsselt als enthüllt.

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6.0
Punkte