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Irgendwo in der Wüste des weiten amerikanischen Westens versammelt sich eine Gruppe Menschen mit Ferngläsern, um Zeuge eines außergewöhnlichen (Natur?-)Schauspiels zu werden. Und tatsächlich erwacht alsbald irgendwo zwischen den Sträuchern ein unscheinbarer alter Autoreifen zum Leben, rollt beinahe unentschlossen mal hierhin und mal dahin, folgt schließlich einer hübschen jungen Autofahrerin und bringt unterwegs alles um, was sich ihm in den Weg stellt oder seine Erscheinung nicht mit dem nötigen Respekt quittiert.
© TMDB
Regie: Quentin Dupieux
Drehbuch: Quentin Dupieux
Schnitt: Quentin Dupieux
Kamera: Quentin Dupieux
Schauspieler*innen: Thomas F. Duffy, David Bowe, Stephen Spinella, Roxane Mesquida
Produktionsjahr: 2010
Land: Frankreich
Sprache: Französisch
Länge: 1h22min
Genre: Horror, Comedy, Mystery

Tagtäglich werden wir Zeuge von Phänomenen, die sich in der Regel jedoch auf Basis von Wissen und beziehungsweise oder Logik erklären lassen. Stößt man sich das Schienbein, taucht wie durch Zauberhand ein bläulicher Fleck auf der Haut auf. An und für sich eine wundersame Reaktion in Form eines biochemischen Prozesses, für uns allerdings in ihrer Entstehung so selbstverständlich wie die alphabetische Reihenfolge. Wirkungen unterliegen einer Ursache, Handlungen folgen auf eine Motivation. Nichts passiert grundlos — richtig? Wenn sich diese Frage nicht wie aus der Kanone geschossen und mit vollster Überzeugung bejahen lässt, gibt es nur einen Ort, an dem man sich aufhalten kann: im Verstand von Quentin Dupieux.

In der Welt von Rubber sieht das Ganze nämlich anders aus. Aus dem Kofferraum eines Fahrzeuges, dessen Fahrer mit totaler Absicht chaotisch aufgestellte Stühle in einer Wüste umfährt und daraufhin das Auto zum Stehen bringt, steigt Lieutenant Chad (Stephen Spinella), um durch die Kamera direkt zum Publikum zu sprechen. Kurzerhand zählt er eine bunte Mischung an Filmen auf und zerlegt einzelne Szenen in ihrer Sinnhaftigkeit. Relativ zügig zeichnet sich ein Muster um sein Plädoyer, denn er stellt den auf seine Worte folgenden Film als eine Hommage an die berüchtigtste Struktur des Seins dar. Häufig ist die Begründung hinter einem Geschehen, dass es überhaupt keine gibt. Ein Statement, welches für das Erlebnis dieses Werkes von enormer Bedeutung ist, denn nur durch die Berücksichtigung dieser Aussage ergibt Rubber Sinn.

Legendäre Ereignisse

Wie bereits aus anderen Filmen Dupieuxs bekannt, wird die “No reason”-Philosophie bereits konzeptionell auf ungeahnte Höhen eleviert. Handeln tut die Geschichte von einem mörderischen Autoreifen namens Robert, der durch die Prärie streift, Beute sucht und seine telekinetischen Fähigkeiten optimiert. Ja, einen solchen Satz muss man mehrmals lesen, um ihn zu glauben, doch er spricht Tatsachen. Ein ledriges und kreisförmiges Rad auf Abwegen hat es sich zur Aufgabe gemacht, sämtliches Leben auszuradieren, das seinen Pfad kreuzt. Ein Warum würde der Film als Fangfrage interpretieren, denn wer das Szenario allen Ernstes nach einer Kausalität ergründet, beweist damit lediglich, dass er oder sie nicht aufgepasst hat.

Während die Mobilität des autonomen Reifens keine Grenzen zu kennen scheint und er ein Todesopfer nach dem anderen fordert, sammeln sich auch ohne die Präsenz des auf dem Cover posenden Bösewichts genug Situationen, die zum Kichern, Staunen oder Kopfschütteln animieren. Obskuritäten zelebrieren die Kunst des Nonsens und zeigen Schaulustige, die das Geschehen mit Feldstechern auf Distanz beobachten und kommentieren oder Polizeibeamte mit Plüschtieren im Arm, welche über die Irrealität ihrer Lage debattieren. Anstatt seine komödiantischen Aspekte auf die Prämisse zu beschränken, feuert der Film mit unberechenbarem Blödsinn um sich, wodurch sich selbige weniger abnutzt.

Riskante Bremsspuren

Trotz des idiotensicheren Alibis, das der Film mittels seiner Gesinnung der Grundlosigkeit aufbaut, funktioniert nicht alles Gesehene auf Spielfilmlänge. Zwar bietet der Gegenspieler interessante Verhaltensmuster und Vorgehensweisen, tritt als Serientäter aber äußerst repetitiv auf. Hierbei werden kompetent gewerkelte Gore-Effekte präsentiert, der Unterhaltungsfaktor des sagenhaft dämlichen Modus Operandi flacht im Gegensatz zur Absurdität der Idee aber ab. Ähnliches lässt sich vom stümperhaften Verhalten der Figuren berichten, die in ihrer trockenen Art zu interagieren etwas ermüden können. Frei von Fehlern ist diese verrückte, selbstreferenzielle Grundlosigkeit also nicht, obgleich das fixe Pacing und die kreativen Konfrontationen auf Metaebene von vorne bis hinten Spaß bringen.

Letzterer Punkt ist aber derjenige, der überwiegt und Rubber als satirische Horror-Komödie abrundet. Wie kann man beispielsweise das Bild eines zur Entspannung vor dem Fernseher sitzenden Autoreifens nicht amüsant finden, der sich Fitness- und Rennsportsendungen anschaut? Wenn einem die Vorstellung bereits ein Grinsen abverlangt, sollte man den Moment in seiner Gänze erleben. Mit seinem simplen Antrieb und der provokativen Anforderung, keinerlei Anforderungen an das Publikum zu stellen, ist der Film gleichzeitig intelligent beschichtet und strunzdumm vorgetragen. Viele Regisseure würden bei dieser Herangehensweise untergehen, Quentin Dupieux hingegen verbucht einen weiteren Zusatz für seine Filmographie, die aus Unikaten besteht. Warum hat er damit so viel Erfolg? Der Grund dafür ist leicht, denn er existiert nicht. Inspirierender kann die Grenzenlosigkeit des Mediums nicht ausgereizt werden.

7.0
Punkte