Jim Jarmusch zählt zu den größten Köpfen des Indie-Kinos der vergangenen 50 Jahre und er hat es wohl geprägt wie kaum ein zweiter. Nur wenige Autorenfilmer haben einen so einprägsamen, einzigartigen und konsequent abgewandten Stil wie der bald 68 Jahre alte US-Amerikaner aus Ohio. Da sollte man doch meinen, dass bei solch einem Image viele bekannte Schauspieler eher abgeschreckt würden, richtig? Scheinbar ist dem nicht so, denn nahezu jeder Film von Jim Jarmusch hat einen oder mehrere (Hollywood-)Berühmtheiten in seinem Cast und auch die Crew seiner Filme kann sich quasi durchgehend wirklich sehen lassen.
Dabei fallen Namen wie Tom Waits, Roberto Benigni, Steve Buscemi, Rosie Perez, Iggy Pop, Bill Murray, Tilda Swinton und Adam Driver. Und da hört es nicht auf, denn auch DarstellerInnen wie Johnny Depp, Robert Mitchum, John Hurt, Winona Ryder, Forest Whitaker, Cate Blanchett, Sharon Stone, Jeffrey Wright, Chloe Sevigny, Caleb Landry Jones, Selena Gomez und Danny Glover haben mit Jarmusch zusammengearbeitet. Spannend ist das auch deshalb, weil Jarmusch bekannt dafür ist, viele seiner Plots um die Darsteller herumzubauen. Dabei hat er immer sein Stammensemble mit dem er gemeinsam an seinen Filmen arbeitete – auch wenn sich das im Laufe der Jahrzehnte natürlich gewandelt hat.
Auch bei Crew-Mitgliedern lassen sich größere Namen wie Jay Rabinowitz, Robby Müller, Frederick Elmes und Neil Young finden, welche neben Personen der Ton-Mannschaft von Filmen wie The Wolf of Wall Street oder Black Swan die Kamera führten, die Filme schnitten oder den Score komponierten.
Jim Jarmusch hat mit seinem einzigartigen Stil den Respekt etlicher Produzenten, Kameramänner, Cutter, Komponisten und Darsteller gewonnen. Dieser Stil ist geprägt von einer Gemütlichkeit (böse Zungen nennen es Trägheit), von trockenem, aber stets treffenden Humor und von seiner Vorliebe für das monochrome Kino. Mit dem 2019 erschienenen The Dead Don’t Die hat er seinen wohl größten Coup gelandet hat… doch dazu später mehr!
Permanent Vacation (1980)
Bereits in seinem ersten Langfilm zeichnet Jarmusch stilsicher einen Außenseiter ohne eine wirkliche Bestimmung – ein Figurentypus, welcher sich durch etliche seiner Filme ziehen wird. Inhaltlich und inszenatorisch ist Permanent Vacation speziell, allerdings auch unheimlich interessant, was die noch sehr ausbaufähigen audiovisuellen Eigenschaften des Films und das bestenfalls solide Schauspiel zu einem guten Teil ausgleichen. Im Endeffekt bleibt Permanent Vacation sperrig und ausbaufähig, doch dass Jim Jarmusch bereits zu diesem Zeitpunkt seinen ganz eigenen Stil so genau vor Augen hatte – das ist bemerkenswert.
Stranger Than Paradise (1984)
Der Roadtrip “Leben”. Alltäglichkeit, Bedeutungslosigkeit und vielleicht auch Freiheit treffen hier aufeinander. Jim Jarmusch erzählt von Figuren, die in ihrem Leben eigentlich keine großen Aufgaben haben und doch glücklich zu leben scheinen. Das Fehlen einer komplexeren Handlung wird in diesem Film deutlicher als in vielen anderen Filmen von Jarmusch und somit ist es durchaus verständlich, wenn man Stranger Than Paradise als langweilig bezeichnen möchte. Sollte man nämlich nicht mit den Figuren harmonieren – tja, dann ist Stranger Than Paradise genau das: langweilig. Daran ändern auch die leicht besseren audiovisuellen Elemente und das weiterhin solide Schauspiel kaum etwas.
Down by Law (1986)
In Down by Law haben Tom Waits und Roberto Benigni ihren ersten Auftritt in einem Jarmusch Film und John Lurie, welcher unter anderem den Protagonist aus Stranger Than Paradise gab, seinen dritten und letzten. Der Film handelt von drei “Ganoven”, welche einen Gefängnisausbruch durchführen. In bester Jarmusch-Manier sind die Protagonisten dieses Films, ganz besonders die von Benigni verkörperter Figur, ziemlich eigenartig und doch sowohl charmant, als auch liebenswert. Krimi und Comedy werden gut miteinander vermischt und ergeben einen der unterhaltsamsten Filme aus Jim Jarmuschs Filmografie, weshalb er sich vermutlich auch als Einstieg in eben diese gut anbietet. Von der tollen Chemie der Darsteller und dem deutlich besseren Schauspiel (im Vergleich zu seinen ersten beiden Filmen), über die unterhaltsame Geschichte, bis hin zu der bis dato besten Audiovisualität eines Jarmusch-Films: Down by Law ist mehr als sehenswert.
Mystery Train (1989)
Jim Jarmuschs erster Film in Farbe ist ein Episodenfilm, welcher sich durchaus als eine Art Ode an “Memphis, Tennessee” bezeichnen lässt. Es geht um Elvis Presley, die pure Coolness und den amerikanischen Livestyle, aber auch abermals um eine Gruppe von Menschen auf der Flucht vor dem Gesetz. Jarmusch vernetzt geschickt drei vollkommen verschiedene Geschichten zu etwas größerem, etwas wirklich überaus unterhaltsamen. Wahrlich schöne Bilder und ein genau durchdachter Soundtrack harmonieren herrlich mit dem Vibe von Mystery Train und der Stadt, die in seinem Zentrum steht und auch wenn nicht viele (Haupt-)Darsteller einem bekannt vorkommen werden, so liefern sie doch alle wirklich sehenswerte Darbietungen ab.
Night on Earth (1991)
Episodenfilme in Farbe scheinen es Jim Jarmusch angetan zu haben, denn gleich nach Mystery Train hat er direkt mit Night on Earth einen spirituellen Nachfolger kreiert, welcher wiederum in so ziemlich allen Belangen mit Erwartungen spielt und diese bricht. Uns werden fünf verschiedene Geschichten erzählt, welche als zusammenhaltendes Element den Beruf des Taxifahrers haben. Diese unterscheiden sich dennoch in ihrem Genre, ihrer Tonalität und ihrer Aussage, wodurch ein unheimlich frisches Erlebnis geboten wird, welches man zwar einerseits so von Jim Jarmusch erwarten würde, andererseits in der Umsetzung nicht hätte erahnen können. Besonders gut ist neben der Besetzung – unter anderem spielen Roberto Benigni, Rosie Perez und Winona Ryder mit – die Kameraführung durch Robby Müller, welche stets wundervolle Bilder einfängt und eine packende Atmosphäre schafft.