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Drehbuch: Harald Kloser, Roland Emmerich, Spenser Cohen
Schnitt: Ryan Stevens Harris, Adam Wolfe
Kamera: Robby Baumgartner
Schauspieler*innen: Halle Berry, Patrick Wilson, John Bradley
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h10min
Genre: Action, Sci-Fi
Kunst liegt bekannterweise im Auge des Betrachters. Wenn man nun den Versuch unternimmt, sich in den Verstand von Roland Emmerich – dem Spitzenprädator des Katastrophenfilmes – hineinzuversetzen, entwickelt sich folgende These schnell zu logischer Realität: Moonfall ist genau das, was sich der Regisseur deutscher Herkunft seit Anbeginn seines Schaffens vorgestellt hat.
Dieses Produkt repräsentiert sein Nonplusultra. Einen praktisch unerforschten Aggregatzustand, der sämtliches Vorwissen infrage stellt. Letztlich wird das Medium Film immer exakt dies sein — eine Frage der Perspektive. Deswegen muss dasselbe Werk auch immer wieder verschiedene Sichtweisen ertragen. Neben besagtem Nonplusultra steht also noch ein weiteres potenzielles Urteil. Sowohl gute als auch schlechte Kunst fallen gleichermaßen in dasselbe Spektrum. Bei Moonfall handelt es sich eindeutig um die schlechteste aller Künste.
Non-existente Erwartungen werden unterboten
Zu kritischen Zeiten des verpönten Blockbusterkinos sind es Filme wie Moonfall, die die auffallend negativen Stimmen um den Wandel des “generischen Blockbusters” bekräftigen. Nicht wahrhaben wollend, dass das Subgenre des (Natur-)Katastrophenfilmes vom Aussterben bedroht ist, geriet Emmerich mitsamt seiner Reputation über die Jahre hinweg immer mehr in Verruf. Durch den wiederholten Dreh des gefühlt immer gleichen Filmes fördert er die Vergesslichkeit der Moderne. Abhilfe leisten soll nun die exorbitante Verschiebung des Szenarios, denn bei dieser Mission begibt man sich in die leeren Weiten des Weltalls.
Der Mond hat seine natürliche Laufbahn verlassen und droht, den Heimatplaneten Erde zu zerstören. Umweltkatastrophen und physikalische Anomalien unbekannten Ausmaßes häufen sich. Den Menschen bleibt kaum noch Schutz vor der unaufhaltsamen Vernichtungswelle. Dabei funktioniert dieses Machwerk weder als politisch-humanitäre Studie, um das Verhalten der Menschheit im Ausnahmezustand zu erforschen, noch als technisches Feuerwerk.
Natürlich sollte man seine Erwartungen an das Science-Fiction-Genre nicht immer zu hoch ansetzen. Einen Film dieses Kalibers als “unrealistisch” abzustempeln, stellt kein valides Argument dar. Rätselhaft ist also die Abwägung dessen, ab wann die Bombe platzt und man von der sinnbefreiten Verstümmelungsorgie wissenschaftlicher Gesetze abgeschreckt wird. Schließlich ist Film grenzenlos — ein Freiraum des kreativen und abstrakten Denkens. Dennoch ist die schiere Faulheit von Emmerichs Werk nicht von der Hand zu weisen. Alles wird als Vorwand ausgenutzt, um den nächsten Meteoritenhagel heraufzubeschwören. Gesteinsfragmente sprengen den Erdboden, Gravitationskräfte heben einander auf und Tsunamis oder Geofissuren tauchen aus dem Nichts auf. Erschlagend und aufregend in der richtigen Dosierung, aber in dieser Dichte wahnsinnig ernüchternd.
Tückische Bilder
Optisch lässt sich schwer differenzieren, ob überhaupt einige – und wenn ja wie viele – der gezeigten Bilder nicht aus einem Computer stammen. Für seine jede Wette überbietenden Materialschlachten ist der Regisseur bekannt und bei einigen sehr beliebt. Doch wofür stehen Bilder sinnbildlich? Bilder wollen immer einen Eindruck vermitteln. Genrespezifisch gesehen ist der hier angestrebte Eindruck simpel: Moonfall will das Publikum mit seiner Bildgewalt aus seinen Sitzen reißen und es just wieder in selbige hineinbefördern. Impulse sollen wahrgenommen, rekonstruiert und letztendlich zu einem alles übertrumpfenden Wow-Effekt verarbeitet werden. In Anbetracht dieser Intention gebührt Moonfall Respekt, denn er geht für die vollen Hundert Prozent. Vielleicht ist das der Grund, warum der Film in dieser Kategorie kläglicher versagt als in jeder anderen.
Ist CGI tatsächlich noch beeindruckend, wenn man nichts anderes mehr sieht? Der gesamte Look ist wie zu erwarten unecht, allerdings mit einer vorher selten dagewesenen Penetranz. Dunkle Masse vermischt sich mit einer dunkleren Masse, während der orchestrale Score wie in Trance vor sich hin dröhnt. Die computergenerierten Effekte können noch so hübsch aufbereitet sein, aber wenn die Menge einen begräbt, erfolgt die Reizüberflutung. Moonfall verkommt dank seiner künstlichen Schönheit zu einer epochalen Hässlichkeit.
Von der restlichen Technik darf gar nicht erst begonnen werden. Unsinnige, die Handlungsachse durchtrennende Schnitte, bei denen sich zwei Männer von einer Sekunde zur nächsten in ein fahrendes Auto teleportieren können, sind die Folge. Sogar ganze Choreographien werden zunichte gemacht. Eine wahre Kameraführung ist erst recht nicht gegeben, da es interpretatorisch offen liegt, ob tatsächlich eine existiert.
Unsichtbare Ironie wird sichtbar
Bei der Inszenierung seiner pathetischen Storyline hat Emmerich sich diesmal auch selbst übertroffen. Hierbei soll die scheinheilige Beweihräucherung der chinesischen Filmindustrie nur kurz erwähnt bleiben, um vielmehr zum Kern der Geschichte vorzudringen. Innerhalb der Erzählung wird deutlich, dass sich die Motivation der Handlung mehr und mehr gegen die technologische Modernisierung der Gesellschaft wendet. Witzlos ist die einhergehende Doppelmoral, mit der Moonfall eine Apokalypse der Digitalisierung vorzeigt, gleichzeitig aber ein Image nach dem anderen aus dem Rechner rülpst.
Sicherlich lassen sich vereinzelte Facetten des Endproduktes auf die pandemischen Umstände transferieren. So hat Emmerich laut offizieller Angabe seinen Regieposten teilweise per Videokonferenz ausfüllen und umsetzen müssen. Nichtsdestotrotz ändert dies nichts an der Tatsache, dass Emmerich seine Filme seit jeher über Mausklick produziert hat und das sich selbst brüstende Statement im Kontext zu seiner Filmographie eine bodenlose Frechheit bleibt.
Um diese kontextuale Dreistigkeit herum wirkt die Geschichte von ihrem Spirit her so, als habe sich ein privilegierter Mensch die Seidenbettdecke vom Körper gestreift, die Morgensonne mit einem gesunden Recken angelächelt, sich eine Tasse Kaffee mit einem Schuss Sahne und zwei Stückchen Zucker zubereitet und voller Euphorie in das schmuck möblierte Wohnzimmer gesagt: “Ach, ich hab jetzt auch mal Lust auf Sci-Fi.”. Moonfall beweist, dass nur eine Summe benötigt wird, um einen Film zu drehen. Talent wird da eher zweitrangig behandelt.
Eine Katastrophe im wahrsten Sinne
Niemandem kann hier ernsthafte Dramaturgie innerhalb der leblosen Hüllen von Figuren, Dynamik in der spannungsarmen Geschichte und ein Mehrwert bei der größenwahnsinnigen Anhäufung an Wendungen vermittelt werden. Zu hauchdünn ist das Konstrukt. Personen wirken nicht wie solche und geben am laufenden Band tosenden Blödsinn von sich, während bereits die nächste Action-Sequenz ohne Wucht über die Leinwand zuckt und flimmert.
Immerhin eines ist Roland Emmerich geglückt: Er kreiert die Katastrophe und wir bekommen sie. Nur ärgerlich, dass hier zwei verschiedene Definitionen desselben Begriffes ineinander übergehen. Moonfall ist ein cineastischer Totalschaden vom Feinsten. Hohl, langatmig und viel zu seriös und unreflektiert. Wenn so das heutige Verständnis Hollywoods eines qualitativ hochwertigen Blockbusters aussieht, sollten alle ihr Testament auf diesem Armutszeugnis fundieren. Trotzdem darf jedermann, der Moonfall erlebt hat, mit einem Erfolgserlebnis prahlen, denn er kann folgendes mit Sicherheit behaupten: Ich bin ein Überlebender der Apokalypse.
MOONFALL LÄUFT SEIT DEM 10. FEBRUAR 2022 IN DEN DEUTSCHEN KINOS
1.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.