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Da Bol und Rial in ihrer Heimat Südsudan in Lebensgefahr schweben, ergreifen sie die Flucht. Eine Weile erhält das Flüchtlingsehepaar Asyl in England. Ihnen wird ein renovierungsbedürftiges Haus zur Verfügung gestellt, wo die beiden ein neues Leben aufbauen sollen. Allerdings werden sie bald von einer bösen, übernatürlichen Macht aus ihrer Vergangenheit heimgesucht, die sich in den Mauern des Hauses zu verstecken scheint.
Regie: Remi Weekes
ProduzentIn: Arnon Milchan, Roy Lee, Aidan Elliott, Martin Gentles, Edward King, Natalie Lehmann
Drehbuch: Remi Weekes, Toby Venables, Felicity Evans
Schnitt: Julia Bloch
Kamera: Jo Willems
DarstellerInnen: Sope Dirisu, Wunmi Mosaku, Matt Smith
Land: Großbritannien
Sprache: Englisch
Länge: 1h33min
Genre: Horror, Thriller, Drama

Von allen Seiten grölte die Begeisterung, Netflix habe sich scheinbar nicht nur eine ihrer besten Eigenproduktionen bis kurz vor Ende des Jahres aufgehoben, sondern liefere gleichzeitig den besten Horrorfilm des ganzen Jahres. Das Regiedebüt von Remi Weekes wurde mit großen Vorschusslorbeeren vertrieben, um welche sich in den kommenden Tagen weitere Nachschusslorbeeren sammelten. Gerade die frische Perspektive der Protagonisten auf ein Horrorszenario fand besonderen Anklang unter der Masse und eleviert dieses Gruselkammerspiel zu einem großartigen Vertreter seines Genres. Nun sitze ich hier und frage mich nach alledem: Warum wird um His House so ein Wind gemacht?

Gesetzt wird der Film auf die Leidensgeschichte zweier aus dem Südsudan entflohener Flüchtlinge, welche im kühlen London Asyl beantragen und kurz darauf eine Unterkunft zugeteilt bekommen. Dabei nimmt der Film sich weniger Zeit das Vorleben der beiden Charaktere darzustellen und hetzt förmlich durch die finale Zeit vor der Ankunft in London. Hierbei liegt die Priorität des Filmes darauf, einen kurzen Einblick auf die Ausganglage zu geben und die Einzelheiten im Verlauf des Plots nachzuerzählen. Das ist an sich ein ziemlich geschicktes Storytelling, womit der Film im Großteil seiner Handlung besticht. Er zieht visuelle und/oder auditive Parallelen zur Vorgeschichte seiner Figuren und lässt die Londoner Realität oft mit den schmerzhaften Erinnerungen ihrer Herkunft verschmelzen.

In der Hinsicht könnte man glatt meinen, der Film sei der Feder Jordan Peeles entsprungen, welcher in seinen beiden Filmen Get Out und Wir es ebenfalls vollbrachte, das Rassenthema mit Horror zu verbinden. Deswegen gebührt Remi Weekes nochmal umso mehr Respekt für die verspielte und verschachtelte Inszenierung, derer er sich hier angenommen hat. Thematisch wird der Inhalt des Filmes auch gekonnt vermittelt. Die Verluste während ihrer Flucht, die Schwierigkeiten sich ihrem neuen Umfeld anzupassen und die Ansicht dessen, ob sich ihr Heim überhaupt als ihr Zuhause bezeichnen lässt, spielen dabei grundlegende Rollen zur Dechiffrierung des horrorlastigen Konflikts.

Der große Schaden findet sich also nicht in der dramatischen Kehrseite der Geschichte, sondern in der Umsetzung zum Horrorfilm. Dieser ist nämlich kaum nennenswert. Auch wenn die Ansätze für effektiven Horror durch die hochwertige Optik, ein unangenehmes Sounddesign und die insgesamt angedeutete Atmosphäre gegeben sind, verfliegen diese genauso schnell wieder durch lahme Jumpscares und sich wiederholende Szenen. Ein Jumpscare kann einen immer erschrecken, ist aber heutzutage noch selten wohl platziert. Das Erschrecken mittels Jumpscare ist wirklich keine Kunst. Das ist sinngemäß so, als würde man zum dritten Mal den Kopf mit voller Wucht mit der Annahme gegen die Wand hämmern, dass es aufgrund der Vorerfahrungen weniger schmerzhaft ist. Ein lautes Geräusch, eine plötzliche Erscheinung, eine unerwartete Nahaufnahme erzielt ihre Wirkung als Jumpscare praktisch immer. Das macht den Prozess aber nicht gleich spannend geschweige denn unheimlich.

Und wirklich unheimlich ist His House nicht. Stattdessen wendet er sich bis auf die immer mal wieder eingeworfenen Momente, in denen die Protagonisten von ihrem Schicksal eingeholt werden, seinem Horroraspekt zu. Die eigentlich interessante Hintergrundgeschichte der Hauptcharaktere reicht hier leider nicht als Freifahrtschein bis zur letzten Haltestelle aus. Obwohl die Kombination seiner Inhalte ein derart faszinierendes Frischegefühl mit sich bringt und dadurch einen narrativen Mehrwert generiert, verfällt das Szenario trotz knackiger anderthalb Stunden Laufzeit der Langeweile. Technisch und schauspielerisch gibt es nichts zu bemängeln, aber was rettet das, wenn sich der Konflikt ständig selbst rezitiert? Als striktes Drama käme die Grausamkeit der Geschichte noch mehr zur Geltung, der Horror wirkt dahingegen völligst apathisch.

His House gilt für viele als das Dark Horse des Filmjahres 2020. Umso bedauerlicher ist daher das für mich getroffene Urteil, dass er bis auf die Biographie seiner Protagonisten ein Horrorfilm wie jeder andere bleibt. Wem die metaphorische Konfrontation seiner Themen, tolles Schauspiel und eine handfeste Inszenierung langt, dem sei der Film an dieser Stelle empfohlen. Mir hingegen wirkt er deutlich zu repetitiv, baut keine Spannung auf und ist am Ende des Tages einfach nicht gruselig genug. Obwohl die aufgenannten Pros löblich zu berücksichtigen sind und der Film damit definitiv umzugehen weiß, frage ich mich also immer noch: Warum wird um His House so ein Wind gemacht?

5.0
Punkte