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Eine alleinerziehende Mutter glaubt, endlich das ideale Mittel gefunden zu haben, um ihr Kind zu beruhigen: die VHS-Aufnahme einer seltsamen Kindersendung namens „Mr. Crocket’s World“. Doch sie ahnt nicht, dass darin ein düsteres, blutiges Geheimnis lauert, das nur darauf wartet, in ihr Zuhause einzudringen.
© Disney+
Regie: Brandon Espy
Drehbuch: Brandon Espy, Carl Reid
Schnitt: Alex Familian
Kamera: Powell Robinson
Schauspieler*innen: Elvis Nolasco, Jerrika Hinton, Ayden Gavin
Produktionsjahr: 2024
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h28min
Genre: Horror

Wenn der jähzornige Stiefvater mit Gewalt droht, weil man das Gemüse nicht essen will, ist eine Kapitulation verlockend. Nichtsdestoweniger entschließt sich ein kleiner Junge genau dies nicht zu tun und beweist damit besonderen Mut. Trotz Angst und Sorge zählt er auf die Hilfe eines Freundes, der nur einen Herzschlag entfernt ist, wenn man ihn braucht. Kaum soll der Löffel mit Erbsen zwanghaft vom Jungen vertilgt werden, eilt besagter Freund zur Tat. Die Rede ist von Mr. Crocket (Elvis Nolasco), dem Moderator einer Kinderserie. Eben noch auf VHS nach Lust und Laune beim Tanzen und Singen zu bestaunen, steht er plötzlich live und in Farbe im Wohnzimmer – und schlitzt dem fiesen Grobian den Bauch auf.

Ein Monster als Freund

Für das Wohlergehen der Kinder ist ihm nämlich kein Schritt zu weit. Nur obliegen die Spielregeln der Grenzen, welche die Eltern im Umgang mit ihren Kindern niemals passieren dürfen, ganz seiner Entscheidungsgewalt. So sehr Mr. Crocket die Kinder liebt, umso mehr ächtet er die Erwachsenen. Eine kullernde Träne auf den Wangen des Kindes genügt, um seinen Zorn zu beschwören. Zugegeben: Der diabolische Entertainer zeigt sich erst dann, wenn es in einem Haushalt wirklich schlecht läuft. Drogenabhängige Erziehungsberechtigte, körperlicher und beziehungsweise oder mentaler Missbrauch oder psychische Überforderung, die in eine mangelnde Gewährleistung des kindlichen Wohlergehens mündet, sind die Fälle, denen sich der Antagonist dieser Geschichte widmet.

Interessant ist das Konzept, mit dem Mr. Crocket den moralischen Kompass des Publikums testen möchte. Eine übernatürliche Entität tritt in Kraft, um Kinder aus schwierigen bis miserablen Verhältnissen zu retten. Meistens mit blutrünstiger Gewalt als Konter gegen die Misshandlungen seiner Schützlinge ist Mr. Crocket für das bloße Auge des Außenstehenden am Ende des Tages immer noch ein grauenerregendes Monster. Nimmt man die Perspektive der gequälten Kinder ein, für deren Zukunft er sich auf die denkbar verwerflichste Weise einsetzt, ist dieses Monster aber der beste Freund, der einem in diesen Momenten bleibt. Als der anfänglich erwähnte Stiefvater an einen Stuhl gefesselt wird, der zu einer fleischfressenden Bestie mutiert und dessen linken Arm zerfetzt, jubelt und klatscht der Junge. Gemeinsam mit Mr. Crocket singt er über die panischen Schreie des Mannes hinweg, als wäre dieser verstörende Anblick Grund zur Freude.

Der Junge sieht kein Monster. Er sieht einen Freund, der ihm die Tore zu einer besseren Welt öffnet. In der Auseinandersetzung mit kritischer Erziehung und tragischen Familienbildern hat dieses Werk von vornherein viel Potenzial für außergewöhnlichen Horror. Bedauerlicherweise verliert sich das Drehbuch in Ansätzen, die zugunsten von einem hohen Tempo der Erzählung sowie Gruselmomenten ebensolche bleiben. Wenn Protagonistin Summer (Jerrika Hinton) mit ihrem Sohn Major (Ayden Gavin) nach dem Ableben des Familienvaters zankt, verfliegt der Abbau ihrer Beziehung dermaßen schnell, dass der Konflikt und somit das Motiv des im Kern faszinierenden Bösewichts verblassen. Plötzlich wird sein Studio zu einer dämonischen Unterwelt degradiert, die mit der Ambivalenz des Charakters bricht.

Feenstaub und Gedärme

Durchaus unterhaltsam in der Abarbeitung seiner Stationen, wird die vielversprechende Thematik zu einer mythologischen Schnitzeljagd. Fantastische Elemente von Hexerei und Okkultismus werden präsentiert, die kreativ in die Dynamik des Horrors eingebaut werden. Inszenatorisch bleiben die Sets der verfluchten Show herrlich skurril und dadurch authentisch, wo auch die engagierte Performance von Elvis Nolasco einen in den Bann zieht. Sein flüssiger Wechsel zwischen einer fröhlichen und mordlustigen Attitüde sorgt dafür, dass die Ausstrahlung der Figur bedrohlich bleibt. Außerdem sind die praktischen Effekte nicht nur zum Anbeten ekelhaft, sondern fein dosiert und nutzen sich in ihrer Wirkung deshalb nicht ab.

Dennoch tröstet das Spektakel eines leichtfüßigen Exkurses in paranormale Gefilde wenig über das verschwendete Potenzial der Story hinweg. So charmant das gespenstische Lächeln auf dem flimmernden TV auch ist, verfehlt Brandon Espy es, den Aktionen und Worten seiner Kreation Tragweite zu verleihen. Während die desorientierende Statik auf dem Bildschirm dominiert, die Kassette wieder und wieder zurückgespult und ein Kind nach dem anderen Teil der Show wird, enttarnt sich das Programm als profitorientiert. Anstatt die Suche nach den vermissten Seelen in den Vordergrund zu rücken, wäre das Ergründen danach, warum besagte Seelen ursprünglich verloren gehen, wesentlich spannender.

Das Skript drängt das Subjekt hinter die Kulissen, um massentauglich zu unterhalten. Summer wird selten mit den Traumata ihres Sohnes konfrontiert, der den Tod eines Elternteils und die sonstigen Anforderungen des Heranwachsens zu verarbeiten hat und was dies für ihre Erziehungsmaßnahmen bedeutet. Wenn eine Mutter so weit geht und ausspricht, nicht mehr für ihr Kind sorgen zu wollen, fällt es der Zuschauerschaft losgelöst vom Fehlverhalten aller Beteiligten sehr leicht, den Bösen anzufeuern. Diese Gegenüberstellung kindlicher und erwachsener Vorstellungen des Zusammenlebens und die nachhaltigen Probleme, die durch Unstimmigkeiten entstehen können, sind bemerkenswert bedeutsam. Schade ist es, dass Mr. Crocket zu genau dieser und somit zur falschen Zeit auf Sendepause geht.

MR. CROCKET IST SEIT DEM 11. OKTOBER 2024 AUF DISNEY+ VERFÜGBAR

5.0
Punkte