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In Cassies Leben ist nichts, wie es scheint. Sie ist klug, gerissen und führt bei Nacht, angetrieben von einem Trauma aus ihrer Vergangenheit, ein mörderisches Doppelleben. Abend für Abend besucht sie Bars und Clubs, um sich an Männern zu rächen, die sich an hilflosen Frauen vergehen. Doch eine unerwartete Begegnung könnte ihr schließlich die Möglichkeit bieten, einige ihrer eigenen Fehler aus der Vergangenheit wieder gut zu machen.
Regie: Emerald Fennell
Drehbuch: Emerald Fennell
Schnitt: Frédéric Thoraval
Kamera: Benjamin Kracun
Schauspieler*innen: Carey Mulligan, Bo Burnham, Alison Brie, Clancy Brown, Jennifer Coolidge
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h53min
Genre: Drama, Thriller
Keine Verfügbarkeit in DE

“Fuck her”. Mit diesem Satz beginnt Promising Young Woman. Eigentlich so etwas wie “Sie nervt” meinend, steht schon direkt der erste Satz des Filmes symbolisch für die Mentalität der nächsten 114 Minuten Filmerlebnis. Promising Young Woman ist laut, frech, aktuell – und steht für die heutige Gesellschaft.

Jede Woche geht Cassandra in einen Club. Jede Woche tut sie so, als wäre sie betrunken. Jede Woche schleppt sie ein lüsterner Typ mit zu sich nach Hause. Jede Woche erteilt Cassandra ihm eine Lektion. Ihr Plan geht Mal für Mal auf, denn die verführten Männer rechnen nicht mit einer intelligenten Frau, die auf einmal doch nicht betrunken ist. Sie lernt einen charismatischen Jungen Mann namens Ryan kennen, doch als Ereignisse ihrer Vergangenheit sie einholen, kann sie sich nicht mehr zurückhalten und angetrieben von einem inneren Brodeln begibt sie sich auf eine Rachemission.

In der Filmgeschichte gab es schon viele sogenannte “Rape-and-Revenge” Filme. Ein Genre, in dessen Kern sich die Rache einer Frau an ihrem Vergewaltiger befindet. Berühmte Beispiele dahingehend sind zum Beispiel die japanischen Female Prisoner Filme aus den Siebzigern, Gaspar Noes Irreversible oder der 2017 erschienene Revenge – doch noch nie hat das Genre einen Film wie Promising Young Woman erlebt. Promising Young Woman revolutioniert, polarisiert durch das Auf den Kopf Stellen der eigenen Thematik und ist dadurch eine Erfahrung, die man nicht so schnell vergisst.

Angetrieben von Carey Mulligan, der Darstellerin Cassandras, ist die Protagonistin zornig, ambitioniert, zugleich aber auch gebrochen und nach Fürsorge strebend. Somit ist Cassandra ein akkurates Portrait des eigenen Filmes, der bitterböse und cholerisch vorgeht, um den Zuschauer zu unterhalten. Gleichzeitig – und gerade gegen Ende hin – aber auch zu schocken. Dabei wird der Film jedoch nicht zu aufdrückend beziehungsweise erdrückend, denn durch seine direkte Art, Probleme anzusprechen, bewahrt der*die Zuschauer*in immer eine gewisse Distanz zum Geschehen, jedoch nicht zu den Charakteren. Man befasst sich mit Cassandras Schicksal, was sie erlebt hat und was sie tun wird, doch wirklich mitfiebern kann man auch nicht. So sind gute Antiheld*innen eben geschrieben: nachvollziehbar, gleichzeitig aber auch in gewisser Weise abstoßend und distanziert.

Promising Young Woman überzeugt außerdem mit bissigen Dialogen und Anekdoten, ohne dabei einmal das Wort “Vergewaltigung” überhaupt in den Mund zu nehmen. Denn obwohl der Film laut ist, geht er dieses Thema sachte und mit sehr viel Vorsicht an, was vermutlich der richtige Ansatz ist, diese Geschichte zu erzählen. Man merkt, dass der Film von einer Frau geschrieben und inszeniert wurde. Man merkt, dass Rücksicht und Achtung auf Leidtragende sexuellen Missbrauchs genommen wurde, gleichzeitig aber auch nicht in das Schema “durch die Vergewaltigung wird das Opfer stärker” verfällt. Denn oft ist das im Leben nicht so. Für einen runden Film ist so einen Verlauf meistens wichtig, und obwohl sich Promising Young Woman relativ einfach eine solche Weiterentwicklung der Story aneignen könnte, tut er dies nicht. Stattdessen geht der Film in eine komplett andere Richtung und zeigt den Auslöser eben nicht, was sich sehr entscheidend für die aufgebaute Atmosphäre auswirkt.

Emerald Fennell etabliert sich mit ihrem Debütfilm als Regisseurin mit einem Auge fürs Detail und der Fähigkeit zu einer tollen Umsetzung spannender Geschichten. Den Einfluss durch die auch schon von Fennell produzierte Dramaserie Killing Eve ist nicht übersehbar. Beide Projekte schaffen es gut, ihrer Geschichte den nötigen Raum zu bieten und gleichzeitig den Zuschauer zum Nachdenken anzuregen, ohne sich dabei in Ansätzen zu ähneln.

Promising Young Woman ist schnell – was vor allem am herausragenden Schnitt liegt, der die Handlung an Stellen vorantreibt –, lässt sich aber auch genug Zeit für die emotionalen und stillen Momente, technisch erstklassig, besitzt einen abwechslungsreichen Soundtrack rund um Britney Spears, Paris Hilton und Charlie XCX, der einen unterbewusst zum Mitwippen bringt und bindet hervorragend geschrieben Charaktere in eine aktuelle und wichtige Geschichte ein, die zum Ende hin einen unerwarteten Verlauf nimmt, der unsagbar gut funktioniert. Hinter der pink-blau-zuckersüß aufgezogenen Fassade verbirgt sich so einiges, womit Promising Young Woman ein großartiges Filmerlebnis, ein Hochkaräter des eigenen Genres und ein Denkanstoß ist – und so in allem brilliert, was er zu erzählen versucht.

9.0
Punkte